»Ein Zeichen für österreichische Musik setzen« – IFPI-Präsident Franz Pleterski im Interview zu 25 Jahre Amadeus

Zum 25-Jahr-Jubiläum wechseln die Amadeus Austrian Music Awards vom Volkstheater in die deutlich größere Marx Halle. Ein Interview mit IFPI-Präsident Franz Pleterski über sterbende Musikpreise, die Verbundenheit der Branche und herausfordernde Zeiten.

© IFPI Austria / Warner Music

Letztes Jahr wurde Warner-Music-Austria-Chef Franz Pleterski zum neuen Präsidenten, also zum Vorstandschef, des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft – IFPI Austria gewählt. In dieser Funktion stehen unter anderem die Amadeus Austrian Music Awards bei ihm auf der Agenda – und somit auch deren Weiterentwicklung. Es seien mehrere Hundert Stunden, die man bei der IFPI pro Jahr damit verbringe: Feedback einholen, dieses verarbeiten, versuchen, den Amadeus zeitgemäß weiterzuentwickeln. In Anbetracht so mancher Außenwahrnehmung, sei es ihm wichtig, so sagt er gleich zu Beginn unseres Gesprächs, dass man offen dafür sei, zuzuhören und auf Kritik einzugehen. »Jetzt freuen wir uns jedenfalls darauf, dass wir 25 Jahre Amadeus feiern dürfen. Ein paar Musikpreise gibt es ja gar nicht mehr, etwa den Echo.« Das deutsche Pendant zum Amadeus wurde 2018 eingestellt.

Lass uns zum Einstieg vielleicht kurz über die IFPI, die Veranstalterin des Amadeus, sprechen. Wie ist diese organisiert und mit welchen Themen beschäftigt sie sich?

Die IFPI ist ein Verband. Neben dem Geschäftsführer Franz Medwenitsch und den angestellten Mitarbeiter*innen gibt es einen Vorstand, der sich aus sechs Mitgliedern zusammensetzt. Das sind mehr als früher, weil wir eine Parität herstellen wollten: Drei Mitglieder kommen von Major-Labels, drei von Indie-Labels. Und dann gibt es noch Arbeitsgruppen, die etwa den Amadeus gestalten, sich Gedanken über die Charts machen oder am jährlichen Jahresbericht arbeiten. Jedes österreichische Label kann Mitglied werden und aus dem Kreis der Mitglieder wird dann der Vorstand gewählt, daraus schließlich dessen Präsident*in und Stellvertreter*in.

Die Rolle der Majors war früher also eine bestimmendere?

Genau. Wir wollten auf den Vorwurf eingehen, die Indies seien in der IFPI unterrepräsentiert. Es geht ja am Ende darum, dass wir etwas Gutes für den österreichischen Musikmarkt machen, dass wir alle darum bemüht sind und dass wir gemeinschaftlich an Dingen wie dem Amadeus und anderen Projekten arbeiten. Jede Stimme zählt und alle, die etwas zu sagen haben und mitgestalten möchten, sind willkommen. Neben der IFPI gibt es natürlich noch andere Interessenvertretungen, andere Verbände – und das ist gut so. Wir alle haben ein Ziel, nämlich österreichischen Künstler*innen Plattformen, Möglichkeiten zu geben, sie zu fördern und über die Grenzen hinaus bekannter zu machen. Dafür müssen wir alle zusammenwirken, auch gegenüber der Politik, um gehört und gesehen zu werden.

Bei der IFPI geht es aber nicht primär um Musik aus Österreich, sondern allgemein um das Musikbusiness in Österreich?

Genau, aber zusätzlich schon auch um österreichische Musik im Speziellen. Also es ist irgendwie beides. Die IFPI nimmt sich darüber hinaus Themen an, die gerade aktuell sind, etwa KI. Auch dazu versucht man Aussagen zu treffen, sich zu fragen: Was bedeutet das für Österreich? Und dann gibt es noch entsprechende Signale Richtung Politik, damit man nicht vergessen wird als Musikbranche, unsere Anliegen und vielleicht auch Befürchtungen.

Zu unserem eigentlichen Thema: Warum veranstaltet die IFPI den Amadeus? Was verspricht sie sich davon?

Dieses Projekt verfolgen wir nun schon seit 25 Jahren. Warum machen wir das? Weil wir österreichischem Talent, eine Plattform bieten wollen, weil wir glauben, dass es notwendig ist, sichtbar zu sein. Und weil wir Talent auszeichnen wollen, um Anerkennung zu schaffen. Gleichzeitig ist es ein Branchentreff, ein Netzwerken, das einmal im Jahr stattfindet. Das hat sich durchaus bewährt, auch wenn es Stimmen gibt, die mit gewissen Dingen vielleicht nicht so zufrieden sind, die sich Änderungen wünschen. Ich glaube, dass beim Amadeus nicht nur das Fernsehpublikum Anerkennung zollt, sondern vor allem auch die Branche selbst. Es ist ein Abend im Zeichen österreichischer Musik – von … bis. Das gibt es ja sonst nicht so oft. Wir versuchen dabei, eine große Breite abzubilden. Was natürlich auch eine gewisse Schwierigkeit ist, aber wir wollen, dass so viele wie möglich gesehen werden, dass die Vielfalt dargestellt wird. Dass gleichzeitig aber auch die populärsten Künstler*innen ausgezeichnet werden. Deshalb haben wir uns auch für diese Art des Votings entschieden: Durch die Verkaufszahlen und die Fachjury ergeben sich die Nominierten. Und aus diesen wählen dann die Fans oder die Öffentlichkeit die Gewinner*innen.

Habt ihr schon einmal erheben lassen, welchen Effekt der Amadeus hat?

Wir haben natürlich Befragungen durchgeführt und wir hören von vielen Preisträger*innen, dass es vor allem diese große Anerkennung von der Branche ist, die sie ehrt. Für viele ist es – so das Feedback – ein positiver Wendepunkt in ihrer Karriere. Also der Amadeus kann etwas anstoßen.

Verrätst du uns, wie hoch das Projektbudget für den Amadeus ist?

Das darf ich nicht, aber ich kann sagen, dass es mehrere Organisationen gibt, die es gemeinsam finanzieren – die Labels, der LSG-Kulturfonds, Sponsor*innen. Seit einiger Zeit sind außerdem AKM/AustroMechana, der Fachverband der Wirtschaftskammer und Ö-Ticket mit dabei. Ohne all diese Organisationen und Unternehmen wäre der Amadeus sicher nicht finanzierbar.

Es gibt immer wieder Stimmen, die meinen, der Amadeus bringe ohnehin nichts. Habt ihr auch schon darüber nachgedacht, ihn einzustellen?

Also wir hinterfragen jedes Jahr alles, aber wir sind uns ganz sicher, dass die Frage, warum wir das tun, für uns beantwortet ist. Wie schon gesagt, wir wollen eine Möglichkeit, eine Plattform bieten für Anerkennung und Netzwerken, ein Zeichen für österreichische Musik setzen und Aufmerksamkeit generieren – mit Blick auf die Wirtschaftspolitik. Ich glaube, daran wollen wir nicht rütteln. Gewisse Details stellen wir schon infrage, den Amadeus an sich aber nicht, weil im Großen und Ganzen das Feedback immer ein sehr positives und der Amadeus so jetzt finanzier­­bar ist.

Du hast vorhin die Bandbreite angesprochen. Gibt es Reibungspunkte zwischen den Genres, die ja teils recht weit voneinander entfernt liegen?

Mein Eindruck ist, dass wir als Branche in den letzten Jahren zusammengewachsen sind. Wir sind wohl draufgekommen, dass wir alle dieselben Herausforderungen haben. Wir wollen, wir müssen gemeinsam an den Dingen arbeiten und uns auch gegenseitig Respekt zollen. Das ist es auch, was wir mit dem Amadeus versuchen: Im Idealfall stellen wir uns einen Amadeus vor, bei dem Schlager neben Jazz/World/Blues und Hard & Heavy existieren kann. Es geht um ein faires, freundschaftliches Miteinander. Der Amadeus als eine Brand, unter deren Dach sich alle gerne aufhalten, gerne einen Abend verbringen, ja, zukünftig vielleicht auch mehr als einen Abend. Es gibt durchaus auch Überlegungen, österreichischer Musik mit dem Amadeus nicht nur einmal im Jahr eine Bühne zu geben, sondern dass diese Förderung österreichischer Musik vielleicht auch unterjährig stattfindet.

Warum findet die Übertragung des Amadeus im ORF zeitversetzt statt?

Da spielen technische Sachen eine Rolle und natürlich auch der Sendeplatz, den wir zur Verfügung gestellt bekommen. Aber es liegt nicht daran, dass wir Dinge rausschneiden wollen oder was auch immer. Natürlich streben wir an, dass der Amadeus nicht zu spät ausgestrahlt wird, und das wurde auch gehört und wir starten heuer früher als zuletzt, um 21:25 Uhr.

Wie sieht die Kooperation mit dem ORF genau aus? Übernehmt ihr die Produktionskosten?

Der Amadeus wird von der IFPI produziert und der ORF ist Medienpartner und strahlt aus.

Das heißt, der ORF bekommt die fertigen Bilder?

Genau, richtig.

Moderieren die Amadeus-Jubiläumsshow: Andi Knoll und Tom Neuwirth aka Conchita Wurst (Bild: Thomas Ramstorfer)

Einen Kritikpunkt, den man öfter mal hört, ist, dass ja immer dieselben Artists gewinnen würden. Ist Österreich zu klein für einen jährlichen Musikpreis?

Wenn man sich auf internationaler Ebene ansieht, wer zuletzt etwa einen Grammy gewonnen hat, dann sind das auch oft dieselben Namen. Es sollen ja erfolgreiche Künstler*innen ausgezeichnet werden, die Publikumslieblinge, die Jurylieblinge sowie die nach Verkaufszahlen erfolgreichsten Künstler*innen. Mitunter ändern sich die ja nicht so oft, aber zumindest, was die Nominierten betrifft, gibt es schon eine größere Abwechslung.

Wie wichtig ist die After-Show-Party für den Amadeus?

Die ist irgendwie fixer Bestandteil. Da sieht man sich. Und manche Menschen – selbst wenn ich jetzt tagtäglich in dieser Branche arbeite – sehe ich dann tatsächlich nur einmal im Jahr beim Amadeus. Der Amadeus ist ein großes Klassentreffen. Das Netzwerken, mit den Künstler*innen, die da gerade gewonnen haben, ins Gespräch zu kommen – ich glaube, das ist ganz wichtig. Und aus Sicht der IFPI: Es ist ganz einfach Teil des Ganzen. Wir vernetzen uns und geben uns selbst die Möglichkeit, uns als Branche ein bisschen zu feiern. Auch wenn es nicht immer etwas zu feiern gibt. Vielleicht gibt es danach ja einige Gespräche, die nicht unbedingt positiv sind, in denen man sich dann austauscht und wieder draufkommt, man hat Gemeinsamkeiten, und wächst dadurch auch zusammen. Da können dann tatsächlich der Volksmusikant und der Rapper nebeneinander an der Bar stehen und feststellen, dass sie viel mehr gemeinsam haben, als man glaubt.

Vor einiger Zeit, also es ist schon länger her, hat der Amadeus seinen Fokus auf die österreichische Musikszene verschoben. Ist er dadurch weniger interessant geworden für die breite Öffentlichkeit?

Der Amadeus ist nicht primär eine TV-Show, der Amadeus ist ein Event, ein Branchenevent, der im Fernsehen ausgestrahlt wird. Ich denke, es gibt genug andere Sendungen und Möglichkeiten, Robbie Williams, Peter Fox oder die Toten Hosen zu sehen. Und ich denke, es war wirklich der beste Schritt, den wir je gesetzt haben, den Fokus auf österreichische Musik, auf lokales Repertoire zu legen. Schon als Alleinstellungsmerkmal. Das spüren wir auch aus der Branche. Wenn du große internationale Stars bringst, dann lenkt das ja ein bisschen ab. Und wir wollen eigentlich keine Ablenkung, sondern einen Fokus herstellen – auf die österreichische Musikbranche. Die hat genug Stars. Auch große, die dann teilweise nicht beim Amadeus sind, weil sie Verpflichtungen im Ausland haben. Letztes Jahr haben Wanda am Tag des Amadeus in Zürich gespielt und Josh in München. Das ist natürlich schade, aber das ist ja im Prinzip etwas, was wir erreichen wollen: dass österreichische Acts international gefragt sind.

Die österreichische Musikszene entwickelt sich sehr positiv, gleichzeitig steht die Musikbranche als solche gerade vor großen Herausforderungen. Wie beurteilst du diese widersprüchlichen Perspektiven?

Wer mich kennt, weiß, dass ich grundsätzlich ein positiver Mensch bin. Was das Marktwachstum betrifft, geht es schon aufwärts. Aber bei vielen kommt das nicht an, weil in dieser Rechnung natürlich auch internationale Umsätze enthalten sind, Streams und so weiter. Wir wissen, dass das große Herausforderungen sind, die da auf uns zukommen. Die kommen aber auf alle Märkte zu. Da geht es viel um Sichtbarkeit, um Möglichkeiten, auch um Ansprechpersonen. Daran arbeiten wir Labels, die Künstler*innen, aber auch die IFPI. Wir versuchen, diesen Change, der gerade passiert, zu begleiten. Ich glaube, man muss heutzutage sehr erfinderisch sein, man muss immer wieder gewisse Dinge hinterfragen, die man macht, gleichzeitig aber versuchen, über Verbände und über Unternehmen in Gespräche mit Politik und Wirtschaft zu kommen, um möglicherweise neue Anreize sowie Förderungen zu schaffen. Man muss mit den großen Playern – sei es Spotify, sei es Google – ins Gespräch kommen und schauen, dass man Fläche und Sichtbarkeit für österreichische Musik schafft. Es ist eine herausfordernde Zeit, das möchte ich gar nicht verleugnen. Dennoch konsumieren die Menschen immer mehr Musik, aber eben auf neuen Wegen. Vielleicht ist es gerade in Zeiten so großer Veränderungen besonders wichtig, sich eben nicht zu verstecken, sondern zu sagen: »Wir sind da. Wir sind laut. Wir sind groß. Wir sind eine Branche, die miteinander kann und will.«

Die 25. Ausgabe der Amadeus Austrian Music Awards findet am 7. März 2025 in der Marx Halle in Wien statt. Der ORF überträgt live, aber zeitversetzt ab 21:25 Uhr (Red Carpet) beziehungsweise 21:50 Uhr (Gala). Franz Pleterski ist seit 23 Jahren bei Warner Music. Seit 2020 ist er General Manager Austria unter dem Dach von Warner Music Central Europe und seit 2024 Präsident der IFPI Austria. Dem Verband gehören 22 Mitgliedsfirmen an, die mit ihren Umsätzen rund neunzig Prozent des österreichischen Musikmarktes repräsentieren.

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