Musikalisch-literarische Asientour, Teil 1: Ankunft in Taipeh & Shanghai

Autor und Musiker Elias Hirschl begibt sich auf eine literarische und musikalische Asientour und schreibt für uns in seinem Blog auf, was er dort sieht und denkt. Hier der erste Eintrag: Über die Zahl 4, Scheißen, Katzen, Förderungen und wenig motivierte chinesische Deutsch-Studenten.

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25. bis 26. April, Ankunft in Taipeh & Shanghai

Jimmy holte mich in Taipeh ab und wirkte geradezu absurd erholt, als wolle er sich mit seinem vor Gesundheit und Lebenskraft strotzenden Körper über meinen 20-Flugstunden-Saftsack lustig machen, den ich meinen Leib schimpfe. Da unsere literarisch-musikalische Tour Taiwan als Zentrum hat, hatten wir die glorreiche Idee, den Hin- und Rückflug über Taipeh zu buchen, was für mich bedeutete, am 25. in Taipeh zu landen und bereits am 26. nach Shanghai weiterzufliegen, wo unser erster Auftritt stattfindet. Im Bus vom Flughafen ins Stadtzentrum von Taipeh muss mich letztendlich die Müdigkeit übermannt haben und das nächste an das ich mich erinnere, ist, durch lautes Klopfen von der Freundin von Jimmys Mutter geweckt zu werden, bei welcher wir freundlicherweise auf Isomatten übernachten durften. Nachdem sie uns um 8 Uhr Morgens mit einem taiwanesischen Saure-Palatschinken-Frühstück mit Ananas und einer Frucht, die wir nicht zuordnen konnten (Jimmy meinte, sie würde wie Guave schmecken – als ob irgendjemand wüsste wie Guave schmeckt), verabschiedet hat, nahmen wir die U-Bahn zum Songshan-Airport und machten uns auf den Weg nach Shanghai. Noch bin ich der Meinung, den Jetlag mit Alkohol und lautem Gejammere gut ausgleichen zu können. Unsere Gastgeberin wohnt im 19. Stock, der aber in Wirklichkeit der 18. Stock ist. Im Gegensatz zu den USA, wo ja bekanntermaßen der 13. Stock inexistent ist, fehlt in Taiwan der 4., weil die Zahl 4 phonetisch gleich mit dem chinesischen Wort für „Tod“ ist. Im Alltag ist das natürlich oft verwirrend, da auf die Zahl 4 auch sonst weitgehend verzichtet wird. Geburtstage werden übersprungen, Preise werden auf 5 auf-, oder auf 3 abgerundet, eine U-Bahnlinie fehlt (Völlig absurd! Man stelle sich vor, in Wien würde einfach eine U-Bahnlinie fehlen!) und jedes Jahr hat 12 zusätzliche Schalttage, um die fehlenden Daten auszugleichen.

Seit ich hier angekommen bin, war ich noch nicht scheißen. Das begründet sich hauptsächlich darin, dass es in Taipeh noch bis Juni illegal ist, Klopapier runterzuspülen und die Vorstellung, entweder gleich am ersten Tag ein Gesetz zu brechen („Nein Herr Polizist, ich habe ganz sicher nicht das angeschissene Klopapier runtergespült und damit die gesamte Abwasseranlage des Wohnblocks lahmgelegt.“), oder den lieblichen mit Blumenmustern verzierten Badezimmermistkübel unserer Gastgeberin derart mit benutztem Heislpapier zu verdrecken, war mir einfach so zuwider, dass ich es lieber komplett bleiben ließ. Überhaupt drängt sich mir der Gedanke auf, dass hier niemand scheißt. In ganz Taipeh nicht. Und wenn, dann tut man es so heimlich, dass man es offenbar nicht merkt. Jedenfalls war der Badezimmermistkübel jedesmal lupenrein sauber, nachdem Jimmy oder unsere Gastgeberin im Bad waren. Ob meine Faszination für dieses Thema zu weit geht? Bestimmt nicht! Ob die 1300 Euro Reiseförderung vom Bundeskanzleramt gerechtfertigt waren? Bestimmt! Diesem Rätsel muss auf den Grund gegangen werden! Im Gegensatz zu manch anderen hauen wir das Geld nämlich nicht einfach für Hasch und Kamele raus, sondern für Alkohol und ein typisches taiwanesisches Tier. Wir treten keine Katzen, wir essen sie.[1] Und bekommen wir einen Shitstorm dafür? Nein, denn hier scheißt niemand! Ich bin mir sicher, dass die Badezimmer an sich nur ein reiner Vorwand sind. Eine bloße Fassade. Niemand benutzt in diesem Land Toiletten. Toiletten sind nur als Statussymbol vorhanden, um zu zeigen, dass man es sich leisten kann, eine Toilette zu besitzen. Anders kann ich mir nicht erklären, wie man diesen Grad an Sauberkeit in Wohnungen und Lokalen länger als fünf Minuten aufrechterhalten kann. Man stelle sich den Ort vor, an dem alle heimlich aufs Klo gehen. Es muss ein furchtbarer Ort sein.

Der Songshan-Airport, zu dem wir per U-Bahn fuhren, ist hingegen kein furchtbarer Ort. Er ist sehr klein und besitzt viele Steckdosen und Sitzgelegenheiten und Toiletten, die nicht benutzt werden.

Keine eineinhalb Stunden später kamen wir am Pudong-Airport in Shanghai an und brauchten dort mindestens dreimal solange zu unserem Auftrittsort, dem Austria Center in der Fudan-Universität, wo uns motivierte österreichische Veranstalter und weniger motivierte chinesische Deutsch-Studierende empfingen. Jimmy lässt es sich nicht nehmen, andauernd stichelnde Bemerkungen über die Chinesen von sich zu geben. Er kommt immer noch nicht damit klar, dass Taiwan den Kampf verloren hat. Es nervt langsam, Oida. One Love, one China! Get over it!

P.S. Seid gnädig mit Urteilen über die literarische Qualität dieses Blogs. Er entsteht in einem Zustand des absoluten Schlafmangels, Jetlags und Bier. In fünf Stunden müssen wir aufstehen und nach Peking fahren. Mir fehlt mein Google und mein Facebook. Wenn sie bis dahin das WLAN nicht ganz abdrehen: Bis dann und Peace!

[1]  Leider durften wir keine Katzen essen, da dies gerade vor wenigen Tagen offiziell verboten wurde. Sie zu treten gilt aber immer noch als gute Sitte und soll drei oder fünf Jahre Glück bringen.

Elias Hirschl ist Slam Poet, Musiker und Schriftsteller mit einem Hang zu langen Buchtiteln. Zuletzt erschien von ihm »Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt« im Milena Verlag, im September erscheint der Roman Hundert schwarze Nähmaschinen bei Jung und Jung. 

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