Ja, Panik sind jetzt zu dritt. Ihr zweites Debüt geht nach einem Abstecher über Madagaskar an die Eingeweide einer anderen, besseren Welt, die zwar eben nicht möglich ist, nun aber süß und verlockend klingt.
Ist der Text von »ACAB« ein Teil-Rückzug aus dem Politischen?
ACAB bedeutet halt noch immer ACAB, auch in diesem Stück. Es ist in gewisser Weise ein Love Song, aber es geht um eine Verbindung zwischen zwei Menschen, die sich durchaus politisch begreift. Wenn wir »All Cats Are Beautiful« singen, bedeutet es trotzdem auch „All Cops Are Bastards“.
Wie missverstanden ist denn Bob Marley?
Ich halte ihn eher für einen Pop- statt einen Reggae-Musiker. Natürlich gibt es ein paar großartige Songs, ich halte trotzdem nichts von der ganzen Haltung. »One World, One Love« ist ein Claim wie »Peace«. Aber mit »Fuck The Babylon System« hört es bei ihm auch schon wieder auf. Missverstanden ist das ganze Ding insofern ja nicht.
Hättet ihr die Harmonien auf dem Album früher so hinbekommen und wolltet nicht – oder könnt ihr jetzt, weil ihr wollt?
Wir können es jetzt nicht besser als früher. Wir haben andere Musik gehört. Und es hat auch mit uns drei zu tun. Die Punk-Elemente in der Gruppe sind eher weg, die Musiker übrig geblieben. Der große Anarcho-Moment war vielleicht wirklich Thomas Schleicher. Man darf sich nichts vormachen, Ja, Panik und jede Gemeinschaft sind eben die Leute, die etwas gemeinsam machen. Wir haben uns das dieses Mal zu dritt ausgemacht und uns lange mit der Musik beschäftigt, bevor Texte da waren. Und ach, »DMD KIU LIDT« ist eh unsere Vier-Akkorde-Platte.
S: Wir hätten das zu fünft auch so machen können, haben aber die Platte damals live aufgenommen. Das ist nun hypothetisch.
A: Bis jetzt war die Gruppe Ja, Panik immer schon durchdacht, die Texte vielleicht sogar strebermäßig, aber die Musik organisch und anarchisch. Dieses Mal – und das war der Plan – haben wir viel am Computer im Logic geschrieben, viel selbst aufgenommen, Arrangements ausprobiert und uns das selbst beigebracht. Dabei können wir das eigentlich nicht. Wir spielen die Songs jetzt gerade zum ersten Mal für die Live-Situation.
Wie war das mit dem Tenorsaxofon auf »Eigentlich wissen es alle«, sind die anderen beiden deshalb nicht mehr dabei?
S: Nein, das war eher ich. Da waren die schon lang nicht mehr dabei. Christian ist einfach nach Dublin, Thomas wieder nach Wien. Da ist es dann schwierig. Die Walker Brothers haben eine obskure Platte, »Nite Flights«, in den späten 70ern gemacht, da sind viele tolle Saxofone drauf. Mittlerweile finde ich die Stelle unfassbar super.
Hier kommt eine obligatorische Wien-Frage. Wie lautet die Antwort?
A: (Zögern. Lachen.) Tolle Frage, das mein ich ernst.
S: Die Antwort könnte sein: Ja.
Das ist die Berlin-Frage: Ist die Szene in Berlin weniger blasiert und Arschkriecherei als in Wien?
A: Ich befürchte nicht. Durch die Größe der Stadt braucht man länger, um die Arschkriecherei in seiner Tiefe zu überblicken. Aber fünf Jahre reichen aus, um sagen zu können: Berlin steht da Wien um nichts nach. Wir bleiben mal hier und wissen ja mittlerweile, dass es nichts bringt, wegzugehen.
S: Das ist ein globales Phänomen.
Macht ihr jetzt ein Video wie Kanye mit “Bound 2"? Ihr wiederholt euch in dem Bereich ja nicht, sondern überrascht bei jedem Album.
A: Wir drehen das Video kommende Woche, können noch wenig sagen, aber es werden sich wohl wieder Leute wundern.
Wie läuft der Webshop, wann kommt das Kochbuch “So schmeckt Libertatia”?
S: Es wird auf jeden Fall neue Kollektionen geben, wenn die Tour vorbei ist und Zeit für solchen Blödsinn bleibt, nächstes Jahr.
Eure Priorität war also die Platte. Und das Manifest.
Natürlich, so lange das nicht fertig ist, brauchen wir nicht zu überlegen, was wir als nächstes nähen oder töpfern.
Macht ihr das immer noch so, Songs dann konzentriert schreiben, wenn das Label nervt? Oder habt ihr dieses Mal beständiger dran gearbeitet?
A: Wir sind ja noch nicht annähernd so lange an einer Platte gesessen, durch die kleinteiligere Arbeitsweise und das Personelle, obwohl wir relativ schnell wussten, wohin es gehen wird. Wir haben unseren Proberaum in Berlin zu einem kleinen Studio ausgebaut und dort täglich ein Jahr lang daran gebastelt. Aber man muss auch einfach eine Platte machen, wenn man sich als Musiker begreift und dieses Leben so angeht, wenn man keinen Bock hat aufs Hackeln. Wir kennen Blockaden nicht, weil wir immer daran weiter tun.
Ja, Panik versteht ihr aber weiterhin als Musikprojekt. An eurem Punkt der Bandgeschichte machen andere häufig schon Theater, Kurzgeschichten oder Filmrollen.
Damit habe ich ein bisschen ein Problem. Wir haben das Schriftenbuch und Erweiterungen. Aber so lange es geht, sehe ich uns als Musiker. Wenn, dann wird das ganz von Ja, Panik sein. Wir lassen uns nicht casten.
Was ist euer peinlichster Song bisher?
S: Mir ist überhaupt keiner peinlich.
A: Die erste Platte hört man natürlich nicht gern, aber ich denk das geht jedem so. Aber eher sind es einzelne Zeilen, keine ganzen Songs. Ich sehe das wie Bob Dylan, wenn mich etwas arg stört, dann ändere ich das.