Fail, Win, Pivots

Andreas Klinger über Fehler, emotionale Löcher, Learnings und permanente Änderungen in Start-ups.

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Start-ups agieren in dunklen Umgebungen permanenter Unsicherheit. Als wäre man in einer fremden Stadt ohne Navigationssystem. Der Plan A brachte einen nicht ans Ziel, verdammt, er war sogar in der falschen Sprache für das falsche Land. Die Einheimischen – größtenteils wahnsinnige Menschenfresser. Ortskundige andere Unternehmer geben bestenfalls verwirrende Aussagen von sich, die man erst Jahre später versteht.

Plan A ging daneben

Auf Plan A folgt Plan A1, A2 usw. – irgendwann schmeißt man alles über den Haufen und landet bei B, ich meinte C … OK zurück zum Whiteboard. »Jungs Plan D wird der heiße Scheiß … Scheiß … Scheiße … E wird’s … war eh klar!« Routenänderungen sind verdammt hart. Und je später man sie macht, desto schmerzhafter werden sie. Hat man einmal Strukturen aufgebaut, in Prozesse investiert, Leute eingestellt und an ca. 200 Leute Versprechungen gemacht, ist es nicht mehr Rock’n’Roll oder cool, alles zu ändern. Man bricht Versprechen dafür, um von einem Unbekannten ins nächste Unbekannte zu hüpfen. Theoretiker sprechen von »pivots« – Wendepunkte in der Strategie. Man überdenkt das Produkt, den Markt oder die Kanäle. Man hat vielleicht noch dieselbe Vision oder dasselbe Ziel, aber irgendwie ist alles anders.

Wende

Es ist verdammt leicht, Pivots aufgrund der falschen Dinge zu machen. Sozusagen das Falsche als Angelpunkt für die Wende zu nehmen. Und so mancher Pivot landet in einem neuen Produkt, das nicht mehr viel mit dem Alten zu tun hat. Aus Garmz wurde Lookk. Aus Relaunch wird Neustart, aus Umstrukturierung wird Radikalschlag. Radikalschläge haben Konsequenzen, die man erst wirklich komplett sieht, wenn alles geschlagen wurde.

Energie

Wenn etwas nicht funktioniert, muss man agieren. Aber mit der Aktion kommt Extralast. Der Mensch hat beschränkt Energie, Mitarbeiter beschränkt Nerven und Investoren beschränkt Geduld. Man verändert radikal, weil etwas nicht funktioniert. Dass es aber nicht funktioniert, hinterlässt Spuren, Selbstzweifel und Frustration. Eines von zehn Start-ups wird erfolgreich. Und tagtäglich arbeitet man scheinbar immer in einem dieser neun anderen, während ständig neue Nummer-1-Start-ups auftauchen. 100 Billion Dollars? Not for you – but maybe tomorrow – or maybe not.

Durchhalten

Seedcamp hat einen Coffee Mug im Office, dessen Aufschrift es gut zusammenfasst. »Shut up and fucking deal with it.« Aber es geht dabei nicht um Durchhalten, es geht darum, Lösungen finden. Oft ist es besser, einfach loszulassen. Oft besser neue Motivation zu schöpfen, sich hochrappeln und Löcher hinter sich zu lassen. Unternehmensgründer vergessen oft, dass sie noch in der besten Situation sind, Mitarbeiter haben genau dieselben Probleme, aber weniger Handlungsmöglichkeiten. Hier Mitarbeiter zu sein ist doppelt schlimm. Erst agiert man unter schlechtem Management, das zu den Fehlern führte, dann agiert man unter Änderungen im Management, das zu neuen Fehlern führt.

Failure kommt für niemanden ohne Selbstzweifel, aber dafür auch nie ohne Learnings. Die besten Leute die ich kenne, gewannen ihre Erfahrungen, wenn die Dinge bergab gingen. Alles richtig machen und Erfolg haben, kann jeder. Die Kunst ist es, nicht Erfolg zu haben und dennoch alles richtig zu machen.

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