Anlässlich ihres Debütalbums »Heavy Listening« haben wir uns mit der Künstlerin und Produzentin Farce zum Kaffee getroffen. Ein Wiener Underground-Faszinosum zwischen Perfektionismus und Genieverdacht.
Es gibt Personen im eigenen, indirekten Umfeld, die man aus sicherer Ferne immer schon im Augenwinkel hatte. Man kennt und schätzt ihre Arbeit, man ist von etwas oder im besten Fall von der ganzen Person fasziniert. In gewisser Weise entsteht ein Mythos. Das Wiener Allroundtalent Farce ist so eine Person. Seit zwei Jahren macht Veronika König im popkulturellen Untergrund mit ihrem Soloprojekt auf sich aufmerksam. Sie suhlt sich am Gürtel im Venster 99 mit Strobo-Taste in Bass und Nebel, bespielt Magazin-Releases und Hyperreality, veröffentlicht ihre erste EP und steht vergangenen Juli schließlich beim Popfest in der Karlskirche – wo sonst hätte eine Künstlerin besser reingepasst, die eine so große Liebe zu Orgeln pflegt?!
Als wir sie im ersten Bezirk in einem klassischen Touri-Café zum Interview treffen, steht die 21-Jährige kurz vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums »Heavy Listening«. Der Mythos Farce, der sich zuletzt durch Auftritte, Sound, Persona und Social Media aufgebaut hat, sitzt nun also vor uns. Mythen können mit einer Realitätswatschen schnell einmal bröckeln, das Faszinierende, das so manche Künstlerin und manchen Künstler umgibt, kann sich durch ein reales Treffen schnell auflösen und im schlimmsten Fall in Enttäuschung bemerkbar machen. Farce allerdings hält im ganzen Gespräch, was ihre Kunst immer schon versprochen hat.
Der Drang zu produzieren
Born and raised in einem kleinen Dorf bei Stuttgart, mitten im Schwabenland, lernte die fünfjährige Veronika klassische Gitarre, bis das schließlich irgendwann zu uncool wurde. König: »Ich musste natürlich unbedingt eine E-Gitarre haben, eine Band musste her – man kennt den Werdegang.« Dem Zeitgeist von My Chemical Romance und Konsorten entsprechend, wurde es eine Emocore/Screamo-Band, mit König als Gitarristin. Es folgte eine Black-Metal-Shoegaze-Combo, bei der die Musikerin sich auch langsam ans Songwriting herantastete und das erste Mal mit dem digitalen Produzieren von daheim aus in Berührung kam.
Die Band löste sich schließlich auf, und König verschlug es nach Wien. Der Drang, Musik zu produzieren, blieb. Mit Garage Band, Interface und Laptop-Mikro entstanden erste Songs, autodidaktisch machte sich die Langzeitgitarristin auch den Synthesizer zu eigen. »Ich habe mir dann zu Weihnachten ein USB-Mikrofon und ein kleines MIDI-Keyboard gewünscht und damit meine erste EP produziert.«
»Ich sehe im vorbeifahrenden Auto den Unfall mitvorbeifahren in Zeitlupe und rueckwaerts«, die EP mit dem vielleicht längsten Namen der Welt, wurde im Jänner 2017 bei Meta Matter Records veröffentlicht und hinterließ einen bleibenden Eindruck. Was folgte, waren viele Auftritte in und rund um Wien, eine kleine Deutschlandtournee. Die Live-Performance wurde geprobt, geschliffen und perfektioniert – so wie auch der Farce-Sound. »Die Grundstruktur, der Vibe und das Konzept müssen stimmen, bevor ich das überhaupt jemandem zeige.«
Professionelles Genie
Farce funktioniert als Gesamtkonzept. Als hätte eine eigene PR-Maschinerie im Hintergrund einen durchgeplanten Popstar kreiert, der dennoch nur so vor Realness und Größe strotzt. Spricht man mit dem Umfeld rund um Farce, fallen im Gesprächsfluss vor allem zwei Worte immer wieder: Professionalität und Genie. Wie beispielsweise bei Rana Farahani aka Fauna, die sich im Sommer 2017 in Frankfurt das erste Mal mit Farce an dem Abend eine Bühne geteilt hat: »Ich war natürlich gleich ihr größter Fan. Veronika ist ein Genie, und ich bin extrem froh, mit ihr zusammenarbeiten zu können. Sie arbeitet absolut professionell und ist sehr talentiert, all diese Eigenschaften weiß ich sehr an ihr zu schätzen.«
Das G-Wort scheint in der Farce-Reflexion sehr gängig zu sein, man könnte sogar eine Überbeanspruchung vermuten. Beschäftigt man sich allerdings genauer mit Veronika König, ist die Sache mit dem Genieverdacht schnell nachvollziehbar: Farce überzeugt durch ihren interdisziplinären wie multimedialen Zugang zu Musik und eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Wirkliche Wie-die-Faust-aufs-Auge-Vergleiche mit anderen Musikerinnen oder Musikern fallen schwer. Ihre Soundanleihen sind – zerpflückt man sie in die wesentlichen Bestandteile – nicht neu. Synthesizer, Samples, Effekte und Autotune hat König nicht erfunden. Wie sie ihr »Handwerk« als Songwriterin und Produzentin einsetzt, ist aber alles andere als gewöhnlich.
Marlene Engel, als Bürgerkurator und Hyperreality-Brain bekannt, ist von Königs Können und DIY-Ethos überzeugt: »Ich freu mich immer besonders über Produzentinnen wie Farce, die echt alles selber machen, produzieren, singen, Videos checken und networken, und dabei so menschlich und meistens gut drauf bleiben.« Das Multitalent, wie Engel (die übrigens auch den Geniebegriff in Zusammenhang mit Farce verwendet) die Künstlerin bezeichnet, ist am diesjährigen Hyperreality jeden Tag in einer anderen Konstellation aufgetreten – und das spreche schließlich für sich.
Vom ersten Moment überzeugt war auch Rapper Gerard, der unter seinem bürgerlichen Namen Gerald Hoffmann gemeinsam mit Ilias Dahimène das Label- und Agenturkollektiv Futuresfuture betreibt. Beim einjährigen, inoffiziellen Geburtstagsanstoßen von Futuresfuture landeten die zwei am Ende in einem Club, in dem Farce gerade performte. »Sie hat uns total umgehauen, und schon nach den ersten Minuten war uns klar, dass das gerade ein sehr besonderer Moment ist. Farce und ich haben nach dem Gig über Synthie-Lines abgenerdet und über ihre Vision gesprochen. Wir haben ihr dann noch am selben Abend angeboten, Teil von Futuresfuture zu werden – ihr Sound und ihre Vision sind so eigenständig und futuristisch, dass sie perfekt zu uns passt.«
Liebe ist für alle da
Der erste Bezirk ist nicht willkürlich für das Interview ausgewählt worden – wie es scheint, funktioniert bei Farce nichts nach dem Zufallsprinzip. Denn nach dem Interview begeben wir uns noch für ein Fotoshooting auf die Dächer Wiens sowie auf den Zollamtssteg zwischen Landstraße und Innere Stadt, wo einst Julie Delpy und Ethan Hawke in »Before Sunrise« dem Kitsch der Stadt erlegen sind. Ein ähnliches Gefühl möchte Farce mit ihrem Debüt auch erzielen, jedoch nicht durch eine heteronormativ-rosarote Brille: »Tief in mir ist es ein Anliegen zu zeigen, dass jede und jeder irgendwo Liebe finden kann, in was oder wem auch immer.«
Die viele Liebe ist auch am Longplayer »Heavy Listening« hörbar. So ist »Zozan«, der vorletzte Track am Album, Königs Freundin, gewidmet – ein Lovesong, wie ihn die Popkulturgeschichte vorschreibt. Gelangweilt vom Medium Musikvideo entwickelte Farce gemeinsam mit ihrer Freundin für die Singlepräsentation zu »Zozan« die Website www.farce.cool, die mit einem Onlinequiz als Liebesorakel fungiert.
Was noch zu hören ist auf dem Debüt, ist eine gewisse Liebe zu Wien, eine Liebe zur Wiener Community. »Hier gibt es Leute wie Marlene Engel, Rana Farahani oder Therese Kaiser, die auf dich zukommen und fragen, ob du nicht Lust hättest, was zu machen. Die sind überhaupt keine Gatekeeper, die sehen etwas, was ihnen gefällt, und holen diese Person einfach rein. Da ist der Begriff der ›Freunderlwirtschaft‹ schon sehr positiv zu sehen – denn hier geht es nicht darum, Freunden etwas zuzuspielen, sondern die Leute, mit denen man arbeitet, werden dann zu Freunden.«
»Heavy Listening«, das Debütalbum von Farce, erscheint am 19. Oktober 2018 bei Futuresfuture.