Frequency, sei Dank!

Was bringt das FM4 Frequency Festival der Stadt St. Pölten? Bürgermeister Matthias Stadler über das neue Image der Stadt, die New Design University, das umstrittene Lames-Kulturareal – und warum St. Pölten europäische Kulturhauptstadt werden soll.

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Kulturbezirk, Schul- und Fachhochschulstadt, Festivalmagnet: Niederösterreichs Landeshauptstadt hat sich in den letzten Jahren aktiv darum bemüht, die Altlasten und Vorurteile der Vergangenheit ("Arbeiterstadt") loszuwerden. Nicht zuletzt wegen einer besseren Bahn-Anbindung (ÖBB und Westbahn) an den Großraum Wien, Ausbildungsplätzen wie der New Design University oder der Fachhochschule St.Pölten und einem vielseitigen Kulturprogramm hat sich das Image von St.Pölten sichtlich gebessert. Wir hatten das Thema Anfang des Jahres in zwei Essays behandelt.

Mathias Stadler, Bürgermeister der Stadt St.Pölten und seit dem Frühjahr Vorsitzender der SPÖ Niederösterreich spricht über den Aufstieg der Stadt zum kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Landeszentrum und die enorme Relevanz von Festivals. Beim Gespräch mit The Gap im am Viehofner- Badesee gelegenen Uferlokal "Seedose" gibt er erstmals auch Denkanstöße, den Slogan der Stadt – "Mitten in Europa" – weiterzudenken: St. Pölten soll europäische Kulturhauptstadt werden.

Am Donnerstag beginnt wieder das Frequency. Abgesehen von Umsätzen für Supermärkten und Tankstellen: Was bringt so ein Festival der Stadt St.Pölten?

Matthias Stadler: Wenn an einem Wochenende über 150.000 Menschen in einer Stadt sind, profitieren Baumärkte, Beherbergungsbetriebe und die Gastro sehr stark. Festivals wie das Frequency sind aber vor allem ein Image-Gewinn für St.Pölten: Wir hatten lange das Image einer "Arbeiterstadt". Durch solche Events zeigen wir, dass solche Vorurteile nicht stimmen. Im Gegenteil: Wir haben eine hohe Lebensqualität, große Freizeitareale und Erholungsgebiete, ein dichtes Radwegenetz in- und außerhalb der Stadt, eine billige Miet- und Wohnsituation. Dazu kommt unsere Positionierung als Bildungsstandort mit mehr als 60.000 Ausbildungsplätzen – mehr als wir Einwohner haben – und eine große Zahl an neuen Arbeitsplätzen.

Gibt es von Seiten der Stadt bestimmte Bemühung, die Festivalbesucher in die Stadt zu locken?

Wir sind immer schon mit eigenen Ständen am Festivalgelände präsent gewesen, um zum Beispiel St.Pölten-Flip Flops zu verteilen. Nach inzwischen fünf Jahren haben wir aber bemerkt, dass einige Besucher bereits das dritte oder vierte Mal vor Ort sind und St.Pölten als Stadt bereits kennen. Diese Mund-zu-Mund-Propaganda hat im Laufe der Zeit unser Marketing ersetzt.

Mit dem Beatpatrol und dem Urban Art Forms (Anmerkung: Wir wurden mittlerweile richtigerweise darauf hingewiesen, dass das UAF nicht in St. Pölten, sondern in Wiener Neustadt war) gab es in St.Pölten kurz zwei elektronische Festivals. Letzteres wird mittlerweile aber in Graz Umgebung abgehalten. War es schmerzhaft eine so große Festivalattraktion abgeben zu müssen?

Natürlich, aber die ständigen Änderungen und Trends in der Festivalszene muss man akzeptieren. Wir waren damals natürlich nicht erfreut, als das Nuke abgeschafft wurde. Das Frequency als Ersatz hat jedoch unsere Erwartungen in Sachen Frequentierung noch übertroffen. Wir hatten früher vor allem damit zu kämpfen, dass St. Pölten als Standort kein Festival zugetraut wurde. Heute wissen alle Veranstalter, dass die Stadt ein attraktiver Standort für jegliche Art von Musikveranstaltung ist.

Kann man in Zahlen sagen, wie viel das Frequency Festival der Stadt St.Pölten bringt?

Schwer. Ich habe nur davon gehört, dass der durchschnittliche Festivalbesucher am Frequency angeblich 670 Euro ausgibt. Wie viel solch ein Festival einer Stadt wert sein kann, zeigt allein das Beispiel Salzburg, wo das Frequency früher stattfand. Verschieden Branchen haben damals von der Stadt und vom Land nach dem Wegzug eine Entschädigung verlangt.

St.Pölten galt anfangs als zu wenig urban für das Urban Art Forms. Inwiefern in die Stadt in den vergangenen Jahren urbaner geworden?

Wir haben in den letzten Jahren mit dem Regierungsviertel, drei Theatern und bis zu 15.000 Veranstaltungen im Jahr an städtischer Qualität gewonnen. Hinzu kamen noch zentrale Einrichtungen wie das VAZ, das Festspielhaus oder ein Fußballstadion. Gleichzeitig trägt aber genau die Nähe zur Region zur Lebensqualität der St.Pöltner bei. Diese Kombination macht St.Pölten aus!

Der vom Land neben dem Regierungsviertel aus dem Boden gestampfte Kulturbezirk mit dem Landesmuseum, Festspielhaus, Klangturm und der Landesbibliothek wirkte lange wie ein Fremdkörper und kaum ins Stadtleben der Bewohner integriert. Hat sich das aus Ihrer Sicht gebessert?

Ja, hat es! Und wird es in Zukunft auch noch: In der Lederergasse sind zwei zentrale Bauten in Planung, die städtebaulich das gesamte Areal besser anbinden sollen. In den 80er Jahren hat man sich noch gefragt, wie man drei Theater mit insgesamt 1.000 Plätzen an einem Abend füllen soll. Damals sind die St.Pöltner allerdings auch für das Kulturprogramm nach Wien gefahren. Wenn man sich die jetzige Auslastung vor Augen führt, merkt man, dass sich das inzwischen deutlich verändert hat.

Das kulturelle Leben von St. Pölten ist in seiner jetzigen Form ohne Wien und seine Kulturtouristen und Pendler kaum denkbar. Wie geht man denn damit um, dass Bildungsangebote aus internationaler Sicht dem Großraum Wien zugerechnet werden?

Ich sehe das nicht als Problem an, sondern als Chance: Wir sind die einzige Landeshauptstadt in Österreich, die in einer Metropolregion liegt. Wenn man Österreich nicht mit Australien verwechselt, dann kennt man Wien, vielleicht noch Salzburg wegen Mozart, das war´s dann auch schon. Wenn man in so einem Fall der Bundeshauptstadt zugerechnet wird, kann man davon eigentlich nur profitieren.

Bild(er) © Der St.Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler im Gespräch mit Franziska Tschinderle und Thomas Weber. ©Josef Vorlaufer 
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