Gabaliers Schließmuskel

Oder: Wie es den Grünen Frauen einmal gelang, Heinz-Christian Strache weiter in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.

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Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein fragwürdiges Spektakel wie der Formel-1-Grandprix in Spielberg dem Land eine "Kultur-Debatte" beschert. Noch dazu über die Bundeshymne. Da darf auf dem Red-Bull-Event der steirische Schlagerstar und Lokalpatriot Andreas Gabalier die Bundeshymne trällern, vergisst dabei aber, die der Hymne und den darin besungenen "großen Söhnen" vor ein paar Jahren offiziell hinzugefügten "großen Töchter" zu erwähnen. Davon bekommt irgendwie auch die Parteiorganisation der "Grünen Frauen Wien" Wind und kann das nicht unwidersprochen lassen. In einem offenen Schreiben und – zumindest die Rechtschreibfehler lassen darauf schließen: – im Affekt fordern sie den "Volks-Rock’n’Roller" (Selbstbeschreibung) auf, Stellung zu beziehen. Wie! er! denn! könne???

"Einer wie wir"

Wie es der Zufall so will hat Stefan Wallner, der Bundesgeschäftsführer der Grünen, vor ein paar Tagen in kleiner Runde mit Grace Pardy, der Wahlkampfleiterin der Neos, über politisches Kampagnisieren und die mitunter ernüchternde Politik der Inhalte, Bilder und Symbole diskutiert. Recht beiläufig schilderte der Politstratege da die in letzter Zeit gelungene Wandlung Heinz-Christian Straches vom jugendlichen Party-Hopser zum gesetzteren volkstümlichen Helden. "Strache hat sich mit 40 von der Jugend-Popkultur hin zum Volksmusik-Pop entwickelt". "Strache positioniert sich klar in Richtung Gabalier", meinte auch die Neos-Wahlkämpferin. "Auf dem rechten WKR-Akademikerball sind deshalb keine Kameras zugelassen", so Wallner, "weil Strache inmitten Kostümierter nicht zur Positionierung junger Lebenswelten passt. Das befremdet seine Wähler". Erst als leutseliger Pseudo-Gabalier wirke Strache wie "einer wie wir". Kein Zufall also, dass die Grünen Strache in Video-Karikaturen das Burschenschafter-Käppi aufsetzen.

Rotstift

Und kein Wunder, dass auch Strache auf die Hymnen-Frage reagierte. Es brauchte nicht mehr als das Schreiben der Grünen Frauen als mit Rotstift korrigiertes PDF via Facebook zu verbreiten, um sich in der Sache unmissverständlich zu positionieren. Bierzelt-Witzeleien über die "GrünInnen" gehörten schon bisher zu seinem rhetorischen Repertoire. Künftig ist die Erzählung über den weltfremden politischen Gegner um eine Schenkelklopfer-Anekdote reicher.

Dieser sollte sich bewusst sein, dass die vorwärtsdrängende ideologische Speerspitze der Grünen dem Mainstream der Gesellschaft mindestens genauso schräg aufstößt wie Straches deutschtümelnde Fechtkameraden. Der politisch desinteressierten Mehrheit, gerade den Modernierungs- und Bildungsverlierern und den von Abstiegsängsten geplagten männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen (das Hoheitsgebiet der FPÖ) ist es herzlich wurscht, ob Gabalier die Töchter "eh mitgemeint" hat oder nicht. Das muss man freilich nicht hinnehmen. Sollte aber zumindest bedacht werden.

Gelernt, den Schließmuskel zu beherrschen

Genauso äußerte sich übrigens auch Gabalier sinngemäß: Österreich habe schließlich andere Sorgen. In der ORF-Sendung "Zeit im Bild" beteuerte er, sich keines Vergehens schuldig zu fühlen. Er schätze Frauen und werde die Bundeshymne auch weiterhin so singen wie er sie als Volksschüler gelernt hat. Damit hat der Schlagerstar – vermutlich unfreiwillig – dafür gesorgt, dass Gabalier und Strache näher zusammengerückt sind.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich ist Gabalier genauso unreflektiert wie weite Teile seiner Fans. Natürlich ist seine Argumentation, er habe die Hymne schließlich als 8-Jähriger so gelernt absolut jenseitig. Konsequenterweise ließe sich so auch freiheitlich-geriatrische Altherrennostalgie rechtfertigen. Man hat es schließlich so bei der Hitler Jugend gelernt. Im Gegensatz zu den Grünen Frauen fand Maria Rauch-Kallat (ÖVP), in der ZIB24-Diskussion mit dem Schlagersänger aber genau die richtigen Worte: Dieser habe ja als Einjähriger auch in die Windeln geschissen, irgendwann aber doch gelernt, den Schließmuskel zu beherrschen. Besser kann man Gabalier nicht über die Schnauze fahren.

Künstlerische Freiheit hat ohnehin für alle zu gelten. Auch für diejenigen, die Inhalte vertreten, die einem selbst nicht opportun erscheinen. Manchmal darf man Dummheit und Ignoranz ganz einfach auch selbst ignorieren.

Mir sind die Grünen jedenfalls sympathischer, wenn sie sich – wie früher – gar nicht um nationalstaatliche Repräsentation scheren und von mir aus die Flagge mit Füßen treten als wenn sie versuchen, sich umerzieherisch als die besseren Patrioten zu positionieren.

Der Herausgeber Thomas Weber auf Twitter: @th_weber

Bild(er) © Gabalier: Gerald Lobenwein / Koch Universal Music; Thomas Weber: privat
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