Ganz viel Gitarre: Die „U-Bahn-Stars“

Momentan veranstalten Wiener Linien ihre Konzertreihe „U-Bahn-Stars“. Wir haben teilnehmende Musiker gesprochen. Sie erklären ihre Kunst und nehmen Stellung zur Kritik am Projekt.

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© Screenshot/Wiener Linien auf YouTube

Bei den „U-Bahn-Stars“ geht es Wiener Linien weniger um Kulturförderung. Vielmehr soll die Konzertreihe das „subjektive Sicherheitsgefühl“ der Fahrgäste steigern. Von Anfang an war also klar, dass die Interpretinnen und Interpreten als Quasi-Securities den Westbahnhof beschallen. Dabei stellen Wiener Linien keinen Strom. Sie zahlen nicht einmal Gagen für die je anderthalbstündigen Auftritte, nehmen aber 10 Euro Teilnahmegebühr. Dafür ist es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gestattet, batteriebetriebene Verstärker mitzubringen und Hutgeld zu nehmen.

Das führt zum anderen Hauptkritikpunkt: Die U-Bahn-Stars tragen alle Risken, ohne sozialversichert zu sein. Gleichzeitig behalten sich Wiener Linien die Verwertungs- und Werberechte ein. Es gab eine Online-Petition dagegen, worauf das Unternehmen in Teilen einlenkte. So können die Auserwählten am 2. September gegen ein Honorar bei der U1-Verlängerung aufspielen. Zu einmalig, heißt es von Kritikerseite wieder.

Das Stromproblem scheint gelöst: Die Mehrheit der 14 U-Bahn-Stars nutzt akustische Instrumente, insbesondere Gitarren. Wir haben mit einem Solisten und zwei Bands über ihre Musik und auch die Kritik am Projekt gesprochen.

Soncopao‘, Latino: „Nicht der Klischee-Kubaner“

Ismar, Rene und ihre Kollegen spielen lateinamerikanische Volksmusik.

Warum macht ihr bei den U-Bahn-Stars mit?

Ismar: Es war natürlich dieses Promotion-Ding. Das ist wichtig, weil wir als kleine Band so mehr Publikum erreichen.

Rene: Es fühlt sich auch so geerdet an, auf der Straße zu spielen. Das ist keine Bühne, kein Club, du improvisierst viel mehr, kannst viel mehr ausprobieren. Und auch danach, so blöd es klingt, das Geld zählen, und dann machst „Ah!“ und teilst es auf.

Gibt es für karibische Volksmusik überhaupt ein Publikum in Wien?

Ismar: Ja, als Band kennt man uns in der alternativen Latino-Szene. Es gibt halt noch diese andere Latino-Szene, sehr schick, die spielen nur in Clubs im ersten Bezirk. Das machen wir nicht wirklich. Aber am Gürtel zum Beispiel, im Fania Live, das ist unser zweites Zuhause. Bei uns ist auch viel Rap dabei, Reggae, Cumbia, Ska, eine Mischung eben von vielen Musikrichtungen.

Wie viele von euch sind waschechte Latinos?

Ismar (lacht): Nur ich. Unser Kontrabassist Rafa ist Salzburger, studiert in Wien. Redouan, der Percussionist, ist Marokkaner, und der Rene …

Rene: … i bin a Vorarlberger, aber im Herzen Kubaner. Ich war zwar noch nie dort, aber trotzdem. Unsere Interpretationen sind sehr eigen und ein bisschen moderner. Das ist so unser Einfluss, vom Ismar. Der ist jetzt nicht der Klischee-Kubaner, wie wir vorhin gesagt haben, mit weißem Hemd, der auf der Bühne steht.

Ismar und Rene wurden durch Ismars Ex-Frau vor vier Jahren „verkuppelt“ und spielen seither miteinander. Mit Soncopao‘ treten sie bei den U-Bahn-Stars auf: Mi., 19.7., 20:00 Uhr. Fr., 21.7., 16:30-18:00 und 18:30-20:00 Uhr. Do., 27.7., 16:30 Uhr.

 

Mario Parizek, Fingerstyle: „Ohne Verstärker keine Chance“

Den Tiroler Allrounder erzählt, wie es sich zwischen Inn und Donau als Straßenmusiker lebt.

Wie lange hast du gebraucht, um dein Spiel auf das heutige Niveau zu bringen?

Seit ungefähr sieben Jahren spiele ich Akustikgitarre. Ich bin aber auch Beatboxer, spiele Didgeridoo, Klavier, Synthesizer und viele andere kleinere Instrumente, auch Kehlkopfgesang und Maultrommel sind dabei. Das ganze verbinde ich via Live-Looping.

Wird man all diese Dinge auch bei den U-Bahn-Stars hören? Wiener Linien stellen ja keinen Strom.

Als professioneller Straßenmusiker stelle ich mein ganzes Equipment selbst. Aber für den Westbahnhof habe ich mir vorgenommen, wieder mehr Gitarre zu spielen. Bisher kriegen wir ganz gute Rückmeldungen. Das einzige, was mich stört, ist, dass die keine Gagen bezahlen.

Du bist aus Tirol. Wie reagiert Wien anders auf Busker als Innsbruck?

(Lacht) Es ist mir wirklich noch nirgendwo passiert, dass ich so schnell, nach einer halben Stunde, mit so einer Schärfe von der Polizei weggeschickt worden bin wie in Innsbruck. Aber auch da fängt man langsam an, in diese Richtung offener zu werden, moderner zu denken.

In Wien gilt ein Verstärker-Verbot, aber ich habe ohne Verstärker keine Chance mit meinem Gitarrenspiel. Immerhin werden hier endlich die Pforten für Straßenmusik geöffnet. Deshalb mache ich mit, dass das ein bisschen mehr toleriert wird und die Regelungen gelockert werden.

Mario Parizek fing mit 13 in einer Metal-Band an. Seine nächsten Gigs im Westbahnhof finden an folgenden Tagen statt: Fr., 21.7., 20:00 Uhr. Fr., 28.7., 18:30 Uhr. Do., 3.8., 16:30 Uhr. Fr., 4.8., 21:30 Uhr. Sa., 5.8., 15:00 Uhr. So., 6.8., 18:30 Uhr.

 

da Weana: „U-Bahn passt, des Stars halt ned so“

Da Weana, bürgerlich Werner Grünwald, erklärt uns nach einem Auftritt am Westbahnhof seine „ollafeinste“ proletarische Kunst.

Ihr bezeichnet eure Musik als „proletarisches Wienerlied“. Sind die U-Bahn-Stars dagegen nicht ein Projekt der Verelendung?

U-Bahn passt natürlich, Stars halt nicht so. Ich glaube nicht, dass man da zur Schau gestellt wird. Da kommst zum Fußvolk, zum arbeitenden Volk. Mir gefällt dieser Kontakt zu den verschiedensten Leuten irrsinnig gut . Genau das liebe ich. Diese Mischung, die 20jährige Swaggerin, die Oma, der Rumäne, der Typ mit der Krawatte. Ansonsten finde ich es schon gut, dass ein bisschen ausgemustert wird. Die Wiener Linien können da nicht jedem eine Gage von vier-, fünfhundert zahlen. Wenn du das komplett öffnest, hast du es wahrscheinlich an jeder Ecke und da glaube ich, dass das die Leute schon zwangsbeschallt.

Warum muss eigentlich das Label „proletarisch“ bei euch dazu?

(Schmunzelt) Wir waren auf einem Festival, wo nach uns die Strottern gespielt haben. Die spielen ein sehr feines Wienerlied mit einem sehr guten Schmäh. Da bin ich mir vorgekommen wie so ein „Proleten-Eineprescher“. Deshalb proletarisch, aber davon eben das „ollafeinste“. Ich finde auch, das hat gar keinen negativen Geschmack, zähle mich ja selber dazu, zu den Proleten.

Eigentlich suchte da Weana vor vier Jahren eine „hübsche Geigerin“ und nach einer „hübschen Cellistin.“ Gefunden hat er den „oiden Heinz am Akkordeon“ und „Gerhard am Kontrabass.“ Sie spielen zu diesen Zeiten zwischen U3 und U6: Mo., 24.7, 16:30 Uhr. Mi., 26.7., 18:30 Uhr. Do., 27.7., 18:30 Uhr. Montag, 31.7., 16:30 Uhr. Mi., 2.8., 16:30 Uhr.

Die U-Bahn-Stars performen vorläufig noch bis 6. August im Geschoss zwischen U3 und U6 am Westbahnhof.

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