Der Multi als Mäzen

Die Red Bull Academy ist nicht nur Vernetzungslager. Sie hat in zwölf Jahren auch echte Erfolgsgeschichten hervor gebracht.

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Zum elften Mal fand sie heuer statt. Gleich hinter der neuen City Hall gegenüber dem Londoner Tower. Es geht um die Red Bull Music Academy. Ursprünglich redeten viele von der „DJ Academy“. Mittlerweile teilen sich DJs nur mehr fast gleichmäßig mit Produzenten, Musikern und Sängern die Liste der Participants. In zwei Mal zwei Wochen haben rund 50 Teilnehmer von weltweit allen Orten, wo es zwei rote Bullen und gute elektronische Musik gibt, die Möglichkeit mit den ganz Großen zu spielen, auf mehreren hundert Quadratmetern Studios, Equipment und exzellente Infrastruktur zu nutzen, mit der Presse zu reden, Kollaborationen ins Trockene zu bringen und dem inneren Zirkel an Innovatoren und Godfathers of Subgenre persönlich bei ihren moderierten Lectures zu lauschen. Aber was passiert eigentlich danach mit all dem kreativen Rauschen.

Mittlerweile gibt es ja jene Participants, mit der sich die Academy schmücken kann. Leute wie Flying Lotus, Mr Hudson, Hudson Mohawke oder Alex Epton nahmen selbst teil. Flying Lotus hat seinen Jahrhunderttrack „Tea Leaf Dancer“ sogar 2006 in Melbourne vor Ort mit einer anderen Teilnehmerin, Andreya Triana, produziert. Die ist inzwischen selbst solo auf Ninja Tune unterwegs. Eine Zusammenarbeit dort mit Kode9 (Labelchef Hyperdub) wiederum wurde bisher noch nicht veröffentlicht. Die Geschichten von internationalen Acts, die an der Academy nicht nur einen Zwischenstopp eingelegt haben, sind angefüllt mit Namen und Querverweisen. Musik wird hier als kollaboratives Modell vorgelebt. Das nomadische Boot Camp der Synthesizer und Laptop-Beats haben manche Teilnehmer schon mit ähnlichen Gefühlen wie andere ihre Reality-Containershow verlassen. Aber außer der englischsprachigen Vorzeige-Teilnehmern? Nun, zwei ehemalige Teilnehmer aus Österreich sind mittlerweile selbst für die Academy tätig (Felix Fuchs sowie The Gap und Falter-Schreiber Florian Obkircher).

Auch das ist ein Beleg dafür, dass man an der Academy selbst seine Semmeln gebacken bekommen muss. Denn nur hinfahren und auf Erlösung warten, spielt es sich wie auch sonst so oft nicht. Von einigen österreichischen Participants findet man deshalb auch nur noch eine verwaiste Myspace-Page. Mission nicht aufgegangen. Andere produzieren, veröffentlichen, veranstalten Parties, spielen live, legen auf oder machen alles zusammen – und bringen es dennoch kaum zu internationalen Bookings (Ritornell, JSBL, Evirgen, Generell Deep, etc.). Die Gründe dafür sind extrem vielfältig, die Konkurrenz sowieso riesig. 18 Teilnehmer, davon immerhin vier Frauen, kamen bisher aus Österreich. Verglichen mit den 28 deutschen, 11 französischen oder 6 japanischen Auserwählten ist das sehr viel; wie auch die Trefferquote vergleichsweise hoch ist. Dorian Concept, Clara Moto, Camo und Elektro Guzzi haben eine realistische Chance nur von ihrer Musik zu leben. Für die allermeisten wird die Music Academy aber ein Ort bleiben, an dem sie unter einzigartigen Bedingungen – und unter den Flügeln eines barmherzigen Bullen, der bei dem jedem Starauftritt ein Logo von sich ins Bild schummelt – persönlich wachsen und eine Chance bekommen. Das Handwerk und die Funken schlagenden Ideen diese dann auch zu nutzen, erspielen sie sich aber im Leben davor.

Die Red Bull Music Academy fand von 7. Feber bis 12. März 2010 in London statt. Alle Lectures sind im Web verfügbar. Als Austragungsorte 2011 sind Tokio, Paris oder Mexico City im Gespräch.

www.redbullmusicacademy.com

Ausgewählte Teilnehmer aus Österreich:

Dorian Concept

Er lässt live gemeinsam mit Flying Lotus, Gaslamp Killer und der Brainfeeder-Community seine hyperaktiven Finger über die Tasten blitzen, hatte auch genau diese 2009 bei Re:Haydn im Spiel. Über Benji B (Teilzeit im Academy-Team) kam ein Tape von Dorian Concept zur BBC und Gilles Peterson, 2008 kam er dann selbst zur Academy.

Clara Moto

Bei der Academy Tour lernte sie am Weg zum Montreux Jazz Festival den Franzosen Agoria kennen. Ihr Debütalbum ist beim Label franko-deutschen Label Infiné in besten Händen, fesselt mit einem melodisch-narrativen Spannungsbogen und ist soeben erschienen (Artikel im vorigen The Gap).

Elektro Guzzi

Ihre beeindruckenden Livesets haben sich mittlerweile so weit herum gesprochen, dass sie schon vor dem Albumdebüt – Mai 2010 – vom überaus selektiven Backroom Booking (Prins Thomas, Metro Area, Dixon) unter Vertrag genommen wurden. Das Duo gibt seinen Live-Techno auf dem The Gap Floor am 24.4. in der Ottakringer Brauerei zum Besten.

Camo

Drum’n Bass will in Österreich – einer historischer Anomalie gleich –einfach nicht sterben. Dass das aber nicht nur hierzulande so ist, kann man beispielsweise am Tourplan von Camo ablesen. State-of-the-Art Produktion und über 5000 Facebook-Fans führten den Wiener quer durch Europa und 2010 auch zur Academy.

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