Plastic Planet

Steine des Anstoßes: Das vermeintlich ultimative Product Placement-Movie erweist sich als unerwartet subversives Loblied auf Kreativität und Anarchie.

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Everything is awesome. Das weißt du doch, von diesem einen Song selbigen Namens, der dir ohne Unterlass aus dem Radio entgegenhämmert – und den du dann wie alle anderen rund um die Uhr vor dich hinträllern musst. Alles ist leiwand, alles im vorgesehenen Fluss. Falls du dich an die Regeln hältst, Handlungsanweisungen befolgst, aufstehst, arbeitest, konsumierst, was feilgeboten wird. Tag für Tag. Auch, und vor allem in deiner kunterbunten Klötzchenwelt, in der du dafür als abrissbeauftragter Bauarbeiter sauber nach Vorschrift dafür sorgst, dass kein Stein auf dem anderen bleibt, wenn das so gewünscht wird, weil es sonst eben seltsam aussehen würde. Was aber, wenn all dies gar nicht deine Bestimmung wäre? Wenn da auf einmal dieses Mädchen wäre, Farbenfreude im Haar und Rambazamba im Gemüt, das dir erzählt, dass du dieser eine Auserwählte wärst, der Master-Builder, von dem die Prophezeiung kündet, der, der Welten, von denen du noch nie gehört hast, zusammenführen und aus dem Muff des Beharrens befreien soll? Würdest du ihr ins Ungewisse folgen? Aber sicher würdest du. Du magst ein grader gelber Plastik-Michl sein, doch du bist garantiert kein Idiot.

»Toy Story« x »Matrix«

Ganz entschieden zugewuchert muss sie gewesen sein, die Weggabelung, an der ein filmisches Juwel dieser Preisklasse unentdeckt vor sich hinschlummern konnte. Aber wer käme schließlich schon auf die kolossale Idee, ausgerechnet an jenen tollkühnen, für eine gewisse Aufmüpfigkeit prädestinierten Ort etwas hinzupflanzen, wo sich der Pfad von so mancher »Toy Story« ausgerechnet mit jenem der »Matrix« quert? Doch nicht etwa gar ein dänischer Plastikstockerl-Spielzeuggigant, der angetreten ist, sein Imperium erstmalig auf die Kinoleinwand zu wuchten – und dabei schon im Titel klar machen möchte, dass das hier nichts mit Product Placement im Film zu tun hat. Sondern gleich mit Product Placement als Film. Dann wäre das doch erst recht ein Ding der Undenkbarkeit, oder? Oder eben doch nicht – zumindest dann, wenn dabei die richtigen Baumeister an die Gerätschaft gelassen werden.

Alles leiwand

Ob man sich im Lego-Imperium letztlich so lückenlos im Klaren war, wen man mit dem Gespann Phil Lord und Christopher Miller, deren »Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen« und »21, Jump Street« bereits beste Beweisführung waren für Kinomainstream, der pikanter angesetzt sein kann als er muss, in den Regiestühlen seines 60-Mio-Dollar-Prestigeprojekts Platz nehmen ließ? Der charmebeschlagen zwischen (simulierter) Stop Motion- und Animationsästhetik tänzelnde Dauerbespaßungsreigen mag zunächst als munter angerührte Mischung aus kindgerecht kunterbunten Visual Gags und popkulturellem Referenzgewitter (mit mehr Anspielungen, als man zunächst handlen kann; sowie Gastauftritten von Plastikabbildern von u.a. Batman, Shakespeare und Shaquille O’Neal) seine primäre Wirkung entfalten, hat aber wie ein anderes Kids-Unterhaltungsprodukt darunter mehr zu bieten: Nachgerade überraschungseiesk haben Lord und Miller in ein Corporate-Produkt einen thematischen Kern eingearbeitet, den man gut und gerne als subversiv bezeichnen kann. Dass daraus trotz der inhärenten gesellschaftspolitischen Sprengkraft der bislang größte Hit des US-Kinofrühjahrs wurde, lässt einen womöglich tatsächlich den Glauben an das Post-Pixar-High-Animations-Kino im speziellen und das Blockbusterkino im Allgemeinen ein klein wenig zurückgewinnen. Everything is awesome? Warum denn eigentlich nicht …?

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»The Lego Movie« (von Phil Lord und Christopher Miller, im Original mit den Stimmen von Chris Pratt, Will Ferrell, Elizabeth Banks, Morgan Freeman) läuft ab 11. April in österreichischen Kinos.

Bild(er) © Warner Bros.
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