Künstler wie Kulturinitiativen sollten auf das Geld von Crack-Dealern verzichten – und sich stattdessen Klein- und Mittelbetriebe als Verbündete suchen.
Noch hat sich niemand die Mühe gemacht. Aber es wird schwer sein, unter namhaften und ernstzunehmenden Künstlerinnen und Künstlern solche zu finden, die das mittlerweile weit verbreitete Engagement der Glücksspielindustrie im Kultursponsoring gutheißen. Zumindest dann nicht, wenn man die Damen und Herren persönlich befragt, im Schutze der Anonymität und abseits der offenkundigen Abhängigkeiten von ihren Auftraggebern, der die allermeisten sich im vorauseilenden Gehorsam gegenüber den bitter benötigten Kulturgroschen ergeben. Wo doch selbst diejenigen, die das Geld direkt entgegennehmen – die Theaterintendanten, Festivaldirektorinnen und Repräsentanten der Kulturinstitutionen – sich im persönlichen Gespräch deshalb mitunter vor sich selbst ekeln. Geld stinkt manchmal eben doch. Und es ist ein schmutziges Geschäft; nicht nur das Glücksspiel, dessen Profit und Geschäftsmodell unleugbar auf dem Leid gescheiterter Existenzen und Suchtkranker basiert. Nein, auch die Kultur, die sich mit dieser Praxis gemein macht, riecht seltsam faul.
Sie sind käuflich
Viele Theatermacher, urteilte der Kulturkritiker Thomas Trenkler unlängst im Kurier, sind mittlerweile käuflich: Sie nehmen ohne Genierer das Geld von schlecht angeschriebenen Firmen, die sich über das Kultursponsoring ‚einen Imagetransfer‘ erwarten. Der Glanz der subventionierten Theater soll auf diese Unternehmen und deren Besitzer, die auf Kosten der verarmten Spieler zu den reichsten Österreichern wurden, abfärben.
Und nun machen sich manche auch mit Glock gemein. Durch den Umstand, dass der Waffenhersteller Gaston Glock mit Sitz im niederösterreichischen Deutsch-Wagram erstmals die Gala zur Verleihung des österreichischen Musiktheaterpreises im Wiener Ronacher mitfinanzierte, sieht Trenkler die Glaubwürdigkeit der gesamten Theaterlandschaft gefährdet, die Institution des Theaters als ethisch-hygienische Instanz. Kann aber Theater Krieg noch glaubwürdig infrage stellen, wenn sich die Künstler auf Kosten eines Waffenfabrikanten amüsieren?, fragt sich Trenkler. Sein Schluss: Das Gejammere wird groß sein, wenn der Steuerzahler nicht mehr bereit ist, ein derart verlogenes Getue zu finanzieren.
Mag der Gedanke vom Theater als moralische Anstalt so tot sein wie Friedrich Schiller. Mag der Waffenfabrikant Gaston Glock dank der zahllosen Erwähnungen seiner Pistolen im HipHop und in Rap-Lyrics der vielleicht wichtigste zeitgenössische Kulturexporteur des Landes sein. Mag die Hoffnung, der Steuerzahler könnte unliebsame Kulturpolitik aburteilen, eine romantische bleiben. Faktum ist: Nicht jedes Unternehmen, das hierzulande Steuern zahlt, übt ein ehrbares Gewerbe aus. Nicht jeden Konzern, der Kunst ermöglicht, muss und sollte man als Publikum akzeptieren – schon gar nicht als Kulturschaffender.
Ein existenzielles Dilemma
Zwar ist der Einwand, dass gerade die Kultur jeden Cent brauche, klarerweise berechtigt. Wenn es diese allerdings nicht schafft, darauf zu achten, woher die von ihr zu kulturellen Produkten ver(mehr)werteten Mittel stammen, dann hat sie jegliche ethische Urteilskraft und damit letztlich ihre Existenzberechtigung verwirkt.
Mit einem Plus an öffentlichen Förderungen ist in den kommenden Jahren allerdings eher nicht zu rechnen. Zudem verlagern gerade die größeren, sich staatstragend gebenden Konzerne ihre Wohltätigkeitsaktivitäten mittlerweile oft weg von der Kultur hin zu den Bereichen Soziales und Nachhaltigkeit. Stichwort: Corporate Social Responsibility (CSR). Wie also umgehen mit diesem existenziellen Dilemma?
Kulturinitiativen, aber auch Künstlerinnen und Künstler, die weder betteln, noch im eben geschilderten Sinne anschaffen gehen möchten, haben mittelfristig wohl einzig die Chance, sich kleinere und mittlere Betriebe als Verbündete zu suchen. Was das konkret bedeutet und wie das genau aussehen könnte, das ist – leider, daran haben wir uns alle zu gewöhnen! – jedes einzelne Mal neu auszuverhandeln. Womöglich muss manch ein Kulturmensch dabei erstmals über seinen Schatten springen, die eigenen Bedürfnisse gedanklich aus dem Fokus drängen und jene der Sponsoren durchdenken. Mit einem lausigen Transparent auf der Bühne oder einem Logo auf der Website allein wird es künftig jedenfalls immer weniger getan sein. Denn: Erst wenn solche Bündnisse auch aufrichtig kommuniziert werden, können sie vom Publikum geachtet und als Empfehlung in beiderlei Richtungen verstanden und interpretiert werden.
Wie man auch uns Kulturkonsumenten dabei als klare Verbündete gewinnen könnte? Nun, noch hat sich niemand die Mühe gemacht. Aber eine Art Kultur-Gütesiegel würde zumindest ich als mündiger Kulturmensch ganz klar gutheißen: Kein Geld von Glücksspielkonzernen. Da reicht dann vielleicht sogar ein Logo.
Thomas Weber, Herausgeber