Gesellschaftskritik mit dem Mundl-Gen

Die Leute, die sudern nur, die beschweren sich den ganzen Tag. Das geht Christopher Seiler so auf den Sack, da könnte er richtig lang darüber sudern. Mit seiner Kunstfigur Anton Horvath tut er das auch. Auf Youtube.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

„»Des is da Horvath, ka Orwat, kan Bock auf irgendwos«, schallt es durch die Handyboxen in der U-Bahn. Mittlerweile kann man die Eingangsmelodie von »Horvathslos« sogar als Klingelton runterladen. »Horvathslos« – das ist eine satirische Dokumentation eines asozialen, rüden und Kampfsport treibenden Niederösterreichers, der seinen Alltag damit verbringt, sich die Nachbarin schönzusaufen und generell mal richtig aufzudrehen.

Hinter der Kunstfigur Anton Horvath stecken der Schauspieler Christopher Seiler und Produzent Bernhard Speer, die damit ein virales Phänomen geschaffen haben. Über eine halbe Million Mal wurde »Horvathslos« online bereits gesehen, eine Tausendschaft an Fans kleidet sich in der typischen Latzhose inklusive obligatorischer Bierdose. Christopher Seiler spielt aber auch als Stand-up-Komiker, seine Auftritte sind regelmäßig ausverkauft. Höchste Zeit, sich mit ihm auf eine Hüsn zu treffen und über Verdummungsfernsehen, das Tschisi-Eis und gmiadliche Revoluzzer zu reden.

Du siehst dich nicht als Kabarettist und auch nicht als Komödiant. Als was dann?

Als Komiker und Allrounder. Kabarett verbinde ich mit Altbackenheit. Ich hab nix dagegen, aber was ich mach, ist sicher kein Kabarett. Meistens ist es so Schmunzel-Kabarett, mein Ziel ist schon, dass da die großen Lacher drinnen sind. Ich hab mich immer nach der amerikanischen Stand-up gerichtet, da wird das völlig anders zelebriert. Da gehst du raus und die Leute hupfn von den Sesseln, die drehen durch und da spürt man Energie. Das fühlt man in einem Kabarett nicht wirklich. Ich bin Komiker, aber kein Comedian. Weil damit verbinde ich immer so typisch deutsche Comedians.

Die aber sehr erfolgreich sind.

Ja, aber ob das jetzt einen Wert hat – für mich nicht. Für mich ist das sehr seicht, was da geboten wird.

Wie siehst du generell die Szene in Österreich?

Ich hab eigentlich nix damit zu tun. Es gibt die richtig Großen, die gibt’s eh schon über Jahre. Ich komm mit dem fast nicht in Berührung, weil ich nicht in typischen Kabaretts spiele. Aber es gibt nette Sachen. Als ich letztes Jahr mit dem Live-Spielen angefangen hab, war das für mich relativ schnell eintönig. Bei mir ist sehr viel improvisiert und es passiert sehr viel direkt auf der Bühne mit dem Publikum. Man darf sich nicht vorstellen, dass das ein Programm ist, das hundertprozentig immer gleich ist. Ich hab verschiedene Themen, die bearbeite ich immer anders, manchmal mach ich überhaupt Stegreif, aber es ist sicher keine Geschichte, die ich erzähl.

Wann hast du das letzte Mal etwas Positives in der Zeitung gelesen?

So viel Zeitung lese ich eigentlich nicht. In der Heute-Zeitung ist gestanden, der Weltrekord im Nasenbohren ist gebrochen. Sehr positiv. Wenn ich eine Information will, such ich mir die im Internet. Ich bin jetzt nicht der typische Kronen Zeitung oder Österreich-Leser, wenn man das Zeitung nennen darf. Aber welchen Medien darf man vertrauen? Viele sagen: »Der Österreich, der derfst ned vertraun, du musst diese Zeitung lesen!« Wer gibt mir die Garantie, dass diese Zeitung nicht auch einen Blödsinn schreibt?

Was war der Weltrekord?

Ich hab kurz drübergelesen, da bin ich grad beim McDonald’s gesessen. Mittlerweile geh ich da auch nicht mehr hin. McDonald’s und Heute Zeitung gehören glaub ich zusammen. Weil da schaltest dein Hirn ab, sonst würdest das nicht essen.

Warum gehst du nicht mehr hin?

Wir sind heute vorbeigefahren bei einem Werbeplakat und das dürfte das ehrlichste Werbeplakat von McDonald’s jemals gewesen sein, ein Cheeseburger um einen Euro, nicht gephotoshopt. Der schaut einfach ned guat aus, du riechst dieses Butterfett oder was das ist, wah. Dir ist so schlecht, wennst aus dem McDonald’s kommst. McDonald’s ist einfach eine Sanitäranlage, weil da nur Scheiße konsumiert wird.

Gute Nachrichten stehen zum Beispiel im Playboy. »De hot si die Tuttln mochen lossn«, sehr positiv. Von Zeitungen her vielleicht Die Tagespresse im Internet, die hat positive Sachen, wenn’s irgendwo einen Politiker angezündet haben.

Bist du im echten Leben auch so ein Pessimist wie in deiner Sendung »Schichtwechsel«?

Jein. Das ist ja eine gespielte Figur. Der ist eigentlich ein Heuchler, mit nix zufrieden, auch nicht mit sich selbst, tut alles anprangern. Ich bin oft ein Pessimist, aber ich hab einen schwarzen Humor und geh damit ganz anders um. Aber ich bin jetzt kein Schlecht-Redner. Ich mag keine Leute, die immer gegen irgendwas was haben. Kennst du solche? Das ist ein Wahnsinn, die sind gegen alles, die mögen sich selber nicht. Die schauen sich in den Spiegel und hassen sich. Ich bin ein Pro-Mensch. Pro Leben.

Du hast einmal das Beispiel mit dem Tschisi-Eis gegeben. Zuerst wollten es alle zurückhaben und dann wurde erst wieder gesudert.

Das Tschisi-Eis ist so ein richtiges Massenphänomen. Das stellt’s mir die Kabeln auf, weil das immer schon gschissn geschmeckt hat. Und dann kommen irgendwelche Vögel daher, machen eine Facebook-Gruppe und ihr einziges Problem ist, dass wir in Österreich ein Tschisi-Eis zurückkriegen. Zur selben Zeit hat in Ägypten gerade eine Revolution stattgefunden. Da siehst du, was wir für Probleme haben in Österreich. Bei uns geht’s um ein Tschisi-Eis. Und dann war das Problem, dass es keine Löcher hat. Wer scheißt denen ins Hirn? Das kannst du ruhig so schreiben, ich will das wissen. Was haben die für Probleme? Und schau, wer will das jetzt noch? Geh in den Billa rein und sie hauen’s da nach. Nimm eins und du kriegst eine LKW-Fuhr.

Passiert das, weil uns fad ist?

Prinzipiell ist uns fad. Und uns ist alles wurscht. Wenn wir in einer Wohnung sind und beim Nachbarn brennt die Wohnung, ist uns das wurscht. Wenn der rausrennt, brennt und um Hilfe schreit, ist das wurscht. Sobald ein Funken von seinem Brand auf unsere Wohnungstür kommt, dann zeigen wir ihn an. Verstehst, so tickt der Österreicher. Dass es grad bei uns viel Korruption gibt, das wissen eh alle. Das wissen die Leute schon 50, 60 Jahre. Bis jetzt war’s jedem wurscht. Und wir sind so faule Revoluzzer. Aber dass wir auf die Straße gehen und wirklich was machen, dass es einmal richtig poscht, für das sind wir zu gmiadlich.

Da hock ma uns lieber zum Heurigen und saufen uns einen eine. Vielleicht sollten wir eine Riesendemo veranstalten, mit Freibier und so Heurigenmusik dazu, das brauchst bei uns.

Es gibt ja auch eine Partei, die genau das macht.

Bei mir war es jetzt sarkastisch gemeint, die meinen das ernst. In Wirklichkeit machen die nix anderes als die anderen Parteien. Die haben alle ihr Image, ihren Leitfaden, wie sie sich präsentieren. Die präsentieren sich als Nationalisten mit ihrem österreichisch-deutschen Gut. Die anderen Parteien machen nix anderes. Ich mein, die sind nicht so gesinnt, aber in Wirklichkeit verkaufen die dir auch nur irgendein Bild, das sie wahrscheinlich eh nicht sind. Ich möchte wissen, wie viele Minister von einer gewissen sozialen Partei wirklich sozial sind. Wir haben zwar leicht reden: »Wenn ich in der Politik wäre, dann wäre ich wirklich für was.« Diese Menschen kommen da hin und sehen die Möglichkeit, die sich bietet und dann schauen’s, dass es ihnen gut geht.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...