Die Leute, die sudern nur, die beschweren sich den ganzen Tag. Das geht Christopher Seiler so auf den Sack, da könnte er richtig lang darüber sudern. Mit seiner Kunstfigur Anton Horvath tut er das auch. Auf Youtube.
Du hast auch eine Folge, in der es um Ehrlichkeit geht. Wie wichtig ist die in der Politik?
Gar nicht. Niemand in der Politik ist ehrlich. Das würd ja gar nicht gehen. Zum Beispiel Hypo jetzt, warum gibt’s da keinen Untersuchungsausschuss? Warum? Warum weigert man sich? Da muss es ja einen Grund geben, was zu verstecken. Wenn einer mir vorwirft, ich hab ihm was gestohlen und er möchte mein Zimmer durchsuchen, dann hab ich vielleicht Angst, dass er was anderes findet, ein Pornoheftl vielleicht, aber im Wesentlichen versteck ich etwas. Es gibt keinen ehrlichen Politiker, das kann mir keiner erklären, wurscht welche Farbe der hat. Und wenn einer wirklich ehrlich ist, so schnell kannst gar nicht schauen und der ist wieder weg vom Fenster. Der muss genauso in einem System mitspielen.
Hättest du generell Lust, in der Politik mitzumischen?
Nein. Ich war damals Jugendvertrauensrat in der Gewerkschaft und hab das wirklich gelebt, für mich war das was Gutes, ich setz mich für die Schwachen ein. Ich hab mich dann mit der Obrigkeit angelegt. Ich bin zur Personalchefin gegangen und hab auf den Tisch gehaut, wie man es halt von einem wie mir verlangt. Kurze Zeit später hat mir dann mein Vorgesetzter bei der Gewerkschaft gesagt: »So geht das nicht und wenn das noch einmal vorkommt, bist du weg und man muss da kooperieren«. Dann hab ich tschüß gesagt. Wenn’s im kleinen Rahmen nicht funktioniert, wie dann im großen? Die Gewerkschaft und die Politik stehen nicht für deine Werte, die schauen auf ihre Interessen und fertig.
Menschen sind in meinen Augen Oaschlöcher. Da kann der Linkeste von den Linken, der Menschenfreund herkommen, sobald er in der Situation ist, wird er es sich zehn Mal überlegen, für was er wirklich steht. Anprangern kann ich’s leicht, das seh ich ja bei der FPÖ. Was machen die? Irgendwann wird die FPÖ vielleicht einmal regieren, zieht alles in den Dreck und macht’s noch gschissener. Aber hören wir jetzt auf über Politik zu reden, ich muss mich da aufregen.
Wie du in der Gewerkschaft musste sich auch deine Lieblingssendung »Wien Tag & Nacht« verabschieden.
Die ist schlecht produziert, die ist schlecht gespielt. Es waren keine Steuergelder, aber ich glaub fünf Millionen Euro hat das Ding gekostet, wo du dir als österreichischer Filmemacher denkst: Wir haben so viele gute Filmemacher bei uns, wir haben gute Kunst, die gemacht wird, warum kopiert man den größten Dreck, der in Deutschland schon der größte Dreck ist, der nur dazu dient, dass Leute ihr Hirn ausschalten. Es ist jetzt eine Gruppe gegründet worden »Rettet Wien Tag & Nacht«. Ich hab mir die Leute mal angeschaut, die sowas wollen. Es sind dieselben, die das Tschisi-Eis zurückwollen. Was mich so ärgert: Es werden Leute zu Vorbildern und Stars gemacht, die absolut keine sind. Für mich war ein Star immer einer, der mehr kann oder was besser kann als ein anderer.
Das Problem gibt es aber schon seit Anbeginn von Casting-Shows.
Wir wissen doch alle, worum es bei einer Casting-Show geht: Um Quoten, um andere zunichtemachen und die Gewinner kurzzeitig so pushen, dass die Plattenfirma und der Sender verdienen. Fertig. Star wird da keiner kreiert. Ja, vielleicht eine Christina Stürmer, aber die hat’s auch nicht gewonnen, das war ihr Glück. »Die große Chance« – was denn für eine Chance? Die, die dort gewinnen, kriegen glaub ich 100.000 Euro, die sie versteuern müssen, dann noch ans Management abdrücken, die gewinnen ja nix. Die werden verblasen.
Wie fad war dir, dass du auf die Idee von »Horvathslos« gekommen bist?
In Wirklichkeit ist es eine Persiflage. Es ist nur entstanden, weil es Formate wie »Geschäft mit der Liebe« oder »Saturday Night Fever« gibt. Wir wollten sagen: Ihr wollt einen Asozialen sehen – ich zeig euch einen Asozialen. Wir zeigen euch und eurem Sender, wie lächerlich ihr seid. In dem Sinn ist Horvath ein Freiheitskämpfer. Für Nicht-ins-Hirn-scheißen-lassen-Fernsehen. »Horvathslos« ist schon ein kompletter Sidekick ans Verdummungsfernsehen.
Es gibt eine Facebook-Gruppe, die sich für »Horvathslos« im ORF einsetzt. Wie realistisch ist die Ausstrahlung?
50 Prozent. Wenn ein Sender herkommen will und die Zahlen sieht, die »Horvathslos« hat und die Seherschaft, die ohne irgendeine Medienpräsenz oder Werbung gemacht worden ist … Wir brauchen nix in die Entwicklung reinhauen, das funktioniert. Aber die Fernsehlandschaft versteht das Medium Internet noch nicht und das dauert noch. Ich bin jetzt 27, ich hab noch so viel Zeit, dass ich was mach. Vielleicht moderier ich mal den Opernball, schau ma mal.
»BÖsterreich« läuft derzeit im ORF. Wie findest du das?
Ich hab das ganz kurz gesehen, das ist ein wenig wie »Little Britain«. Ich schau sehr viel solche Sachen, ich find, der Ofczarek ist ein genialer Schauspieler. Den Palfrader mag ich eigentlich auch, mir aber fehlt der Kultfaktor. So wie bei „Ein echter Wiener geht nicht unter“, „Kaisermühlen Blues“, „MA2412“. In „Die Nacht“ wird immer ausgetauscht, was nach Stermann und Grissemann kommt. Ich erinnere mich nicht, dass einer gesagt hat, bringt mir „Ostrowski sucht das Glück“ zurück. Es wird dann auch keiner schreiben, bringt mir „BÖsterreich“ zurück.
Vor allem der Beginn von »Horvathslos« erinnert ein wenig an die Dokus von Elizabeth T. Spira. Mit Absicht?
Ja, das hat Bernhard Speer gedreht. Das war schon die Idee: So ein Mittelweg zwischen Spira, von der ich persönlich auch ein großer Fan bin, und »Geschäft mit der Liebe«.
Ist auch ein wenig Maxl vom Gemeindebau dabei?
Gar nicht. Da sind sehr viele alltägliche Leute dabei. Ich glaub der Anton Horvath besteht aus 15 Charakteren, die es wirklich gibt. Mit den Spira-Elementen wollten wir es realistisch halten, aber die Aussagen, die er macht, da weißt du, das kann nicht echt sein. Das war immer ein Zwiespalt, am Anfang haben die Menschen wirklich geglaubt, ich bin’s. Das war glaub ich unsere große Ass-Trumpfkarte. Das ist Satire und der kann sagen, was er will. Gescheiter, als die Zuseher machen das selber daheim.
Glaubst du nicht, dass es auch Leute gibt, die den Sarkasmus nicht verstehen?
Die wirst du immer haben, egal was du machst. Leute, die einen Andy Borg hören, die werden es cool finden. Der Großteil sieht das als Satire. Sicherlich gibt es Leute, die »Horvath, Horvath, tu Jiu Jitsen« schreien, aber ich schau so gut wie es geht, dass ich optisch anders ausschau.
Wie ist es, so viel Bier und Tabak zu konsumieren?
Es ist eigentlich das Anstrengendste an der ganzen Sache, wirklich. Wir wollten zuerst was anderes in die Dose einfüllen. Aber ich rauch jetzt nix mehr! Wie wir das jetzt lösen, weiß ich eh noch nicht. Das gewöhnst du dir irgendwann ab. Es ist körperlich sehr anstrengend, vor allem wegen dem Alkohol. Du hast dann so Phasen, wo du merkst jetzt bin ich schön langsam angesoffen, ich muss aber den spielen, verdammt. Dann gibt’s meistens eine Viertelstunde Pause, wo du kurz runterkommst, aber es ist ein komischer Rausch. Bei „»Horvathslos« wirst angesoffen, dann kommst runter, dann bist wieder angesoffen, kommst wieder runter usw. Sehr anstrengend!
Wie viel Sendungen sind noch geplant?
Das ist open end. Es ist noch sehr viel geplant, es gibt sehr wohl einen Leitfaden. Wir wollen auf jeden Fall die erste Staffel abschließen. Dann gibt es eine Ideenspanne von TV bis zum Kino.