Die Leute, die sudern nur, die beschweren sich den ganzen Tag. Das geht Christopher Seiler so auf den Sack, da könnte er richtig lang darüber sudern. Mit seiner Kunstfigur Anton Horvath tut er das auch. Auf Youtube.
Wie vorangeschritten sind die Pläne einer gemeinsamen CD von dir und deinem Partner Bernhard Speer und was wird darauf zu hören sein?
Es war das Naheliegendste, weil ich früher auch immer Musik dabei hatte, satirische Lieder. Dann hab ich mich mit Bernhard zusammengetan, Musikstücke geschrieben und aufgenommen. Bei »Horvathslos« hörst immer einen Soundtrack eingespielt, das ist alles von uns. Aber das dauert noch, wir haben noch nix Konkretes. Wir haben grad einmal ein Musikvideo abgedreht. Wir sind keine Menschen, die gleich alles rausschießen.
In welche Richtung wird das gehen?
Man kann’s unter Austropop einordnen. Es sind ernste Nummern drauf, aber auch echte Klamauk-Partien.
Was hörst du privat?
Ich bin aufgewachsen mit HipHop, aber privat hör ich durch die Bank alles, auch Jazz und solche Sachen. Ich bin da sehr, sehr offen, keiner, der ausgrenzt. Scooter oder so muss ich jetzt nicht haben, aber alles wo du hörst, da ist Liebe dahinter … Ich bin mit WuTang Clan aufgewachsen, aber ich glaub nur deswegen, weil das die Einzigen waren, die in den 90ern wirklich wütend waren. Sonst nur so bumbumbum und let me say heyo oder how much ist the fish und so ein Blödsinn. Die 90er waren ja wirklich schlimm. Deswegen WuTang Clan und Method Man. Aber jetzt hör ich nicht wirklich HipHop.
Du selbst kommst aus einer Arbeiterfamlie, wo es deiner Meinung nach normal war, Dinge einfach hinzunehmen. Wieso hast du dir dann gedacht, es anders zu machen?
Das ist, weil wir gerade in der Ära der Fische sind. (lacht) Deswegen bin ich prädestiniert, die Welt zu beherrschen. Naaa. Ich war zum Beispiel immer der Klassensprecher – aber nicht, weil ich der Streber war, sondern weil ich reden hab können. Ich hab noch nie irgendwas hingenommen wie es ist. In der Arbeiterschicht ist das leider so, denn du bist das Werkzeug von denen, die in dem System arbeiten. Würd die Arbeiterschicht das hinterfragen, würd’s auch nicht funktionieren. Weil irgendwann fragt sich dann einer, warum hackl ich da zwölf Stunden und kann mir dann nicht einmal einen Urlaub leisten – warum? Das ist ja keine Gerechtigkeit, oder? Ein Arbeiter fragt ja nicht nach, das ist ihm wurscht. Das war aber nie meine Welt, weil ich wollt immer wissen, wie das funktioniert.
Das würde jetzt eigentlich unterstellen, dass Arbeiter dumm sind.
Nein, niemals! Arbeiter sind nicht dumm. Dann würd ich ja auch sagen, meine Eltern sind dumm. Du wirst kleingehalten. Kein Mensch kommt dumm auf die Welt, das ist ein Blödsinn. Du bekommst einfach einen Horizont vorgehalten, der halt nicht weiter geht als das. Dumm sind manche Aktionen, dumm sind Handlungen, dumm sind Sachen, die du besser könntest, aber du bist einfach zu faul.
Worin unterscheiden sich die Menschen dann?
Es ist Persönlichkeit. Wenn ich heute in schlimmen Verhältnissen aufwachse, wo Gewalt alltäglich ist, wo in der Familie und im Umfeld Gewalt herrscht, dann ist es leicht zu sagen, dass ich dasselbe mach. Dann bin ich ein Mitläufer, lande irgendwann im Gefängnis und hab eine Sozialwohnung. Wenn ich so aufwachse, mich dann erhebe und sag ich will das nicht, ich will schauen, was es noch gibt und ich geh den Weg, auch wenn er schwerer ist, dann hab ich eine Persönlichkeit. Es liegt an dem Menschen selber. Es liegt ja immer an uns, was aus uns wird. Wenn ich mir heute vornehme, ich werde Präsident, dann muss ich meinen Oasch hochbewegen und das Ziel anstreben. Aber es ist dumm zu behaupten, das ist mein Leben, das ist mir vorgegeben und das muss ich jetzt leben.
Dumm sind diese Menschen nicht von Haus aus, sie werden verdummt. Ich war auch einmal dumm. Ich kann auch jetzt noch dumm werden. Sendungen wie »Wien Tag & Nacht« helfen dabei. Darum tu ich alles gegen diese Verdummung. Dumm sein ist gemütlich – Anton Horvath, der ist dumm. Der hat ein schönes Leben eigentlich. Ob das erstrebenswert ist, ist eine andere Frage, aber er ist glücklich darin. Der hat nur so einen kleinen Horizont. Er ist aber ein gutes Beispiel für die Definition von Dummheit.
Wenn die Leute gegen den Akademikerball demonstrieren, erheben sie aber ihren Hintern.
Das ist etwas, das ich nicht so wirklich verstanden habe. Der Akademikerball ist nicht wirklich was Schönes. Wenn ich mit Gewalt dagegen wirke, bin ich nicht viel besser als die, nur dass ich auf der anderen Seite steh. Das hat mich ein bissl gejuckt. Mich haben’s einmal gefragt: »Seiler, bist du links, bist du rechts?« Sag ich: »Na, i bin grod.« Der Linke, der am Akademikerball demonstriert und Sachen hinmacht, ist um nix besser als der andere. Klar, er rechtfertigt sich damit, dass das Rechte sind, aber er macht dasselbe. Seid’s doch einfach grad, ihr Idioten. Da muss ich nicht gegen irgendwas demonstrieren, weil dann hab ich einen Menschenverstand und das ist oft viel besser als eine Einstellung. Wenn ich dir wehtu oder dir was stehl, da brauch ich nicht links, rechts, rot, grün, blau, schwarz, violett oder rosa sein. Seid’s Menschen und hört’s auf, dumm zu sein. Und hört’s auf, links oder rechts oder oben oder unten sein. Ich bin vis-à-vis. So schaut’s aus.
Gehst du dann wählen? Gerade wählen geht nämlich nicht.
Das ist immer so eine Fangfrage. Wenn du sagst, du gehst nicht wählen, nimmst dein Wahlrecht nicht in Anspruch, wählst ungültig, find ich es auch behindert, weil dann die Kilometer, die du gemacht hast, unnötig sind. Ich war letztes Mal nicht wählen, weil ich mir genau das gedacht hab: Egal was ich wähl, es ist wurscht. Wenn ich nur Scheiße zu wählen hab, dann lass ich mich doch nicht zwingen, einen Blödsinn zu wählen, bleib ich daheim, aus.
Nüchtern betrachtet ist es dasselbe wie vorher, nur geben sie sich geläutert: Ah, na jetzt machen wir es besser. Viele Leute wissen gar nicht, was die Parteien machen, das ist ihnen wurscht. Wenn ich nicht mal weiß, für was meine eigene Partei steht, wo ich das Kreuzerl mach, was soll ich dann? Ich frag mich dann, wer mehr Schaden anrichtet: Der, der wählen geht und nicht weiß, was die machen. Oder ich, der daheim bleibt und gar nix macht. Ich sag den Leuten über Youtube: Seid’s Menschen. Dann verändere ich mehr als der Komische mit seinem Hakerl, der sich dann ansauft daheim, seine Oide wieder birnt und alles ist von vorne. Das waren jetzt schöne abschließende Worte.
Dein Programm und Sendungen sind eigentlich Gesellschaftskritik in Reinform …
Wenn ich mir unsere Gesellschaft anschau, könntest eigentlich nix anderes machen als kritisieren. Aber da wirst auch zum Hugo. Ich kenn so Leute, die sagen: „»Hast die Doku gsehn jetzt, da woa a Verschwörung durt und durt.« Wenn ich mir das anschau, da krieg ich Selbstmordgedanken, ohne Spaß. Weil ich dann weiß, wenn das wirklich stimmt, dann ist es wurscht, was ich da mach. Drum schau ich mir den Dreck gar nimma an. Ich leb so, dass ich keinen anderen damit weh tu, aber ich glücklich werde. So viele Leute wollen immer was verändern. Dann fragst sie was und dann kann er dir nicht mal eine Antwort geben, was er verändern will. Irgendwo hat er mal einen Revoluzzer gesehen und der war so cool, der ist jetzt aufm Leiberl oben und er will auch einmal so sein. Geh zu Shirtalarm, mach dir ein Leiberl von deinem Kopf, mach eine Band und dann kannst es genauso verkaufen, aber lass bitte die Leute in Ruh.
Es geht nicht darum, nix zu machen, sondern selber was an sich zu machen. Weil Veränderung findet bei sich selber statt, aber sicher nicht selber der größte Trottl sein und dann versuchen, Massen zu ändern, funktioniert ned. Ich glaub, wenn jeder so mit sich im Reinen ist, dass er sagen kann, ich hab meinen Tag so gelebt, dass ich keinem weh getan hab, dass ich nicht lügen und fladern hab müssen, aber ich bin zufrieden mit mir. Wenn das jeder macht, dann gibt’s keinen Krieg. Dann gibt’s keinen anti-anti. Wenn das jeder macht, was soll dann sein? Dann ist jeder glücklich.
Leiberln von »Horvathslos« gibt es auf der Website. Neue Videos gibt es ungefähr einmal im Monat via Youtube.
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