Buhmann mit Erfolg

Er hat das Frequency Festival erfunden und bestimmt seit gut 15 Jahren den Konzertmarkt des Landes mit. Harry Jenner gilt ob seiner Direktheit als schwieriger, streitbarer Typ, vor allem aber als tougher Geschäftsmann.

»Oje ;-)«, schreibt Harry Jenner, als er erfährt, dass aus dem eben vereinbarten Interview ein Porträt über seine Person werden soll. Das Verhältnis zwischen The Gap und ihm mag nicht immer ganz reibungsfrei gewesen sein – eine kritische Äußerung hier, eine herbe Reaktion da und umgekehrt –, hinter der knappen Antwort des Konzert- und Festivalveranstalters steckt aber mehr: Kaum jemand in der Branche stößt auf so leidenschaftliche Ablehnung wie er; und die wenigsten würden wohl so offen damit kokettieren.

Neben Ewald Tatar und Martin Vögel ist Jenner einer der bedeutendsten Anteilseigner der Barracuda Holding, die – über Tochterfirmen wie Skalar Entertainment – einige der größten Festivals des Landes und jährlich mehrere Hundert Konzerte aus den verschiedensten Genres veranstaltet – vom Nova Rock im burgenländischen Nickelsdorf bis zur Clubshow in der Grellen Forelle in Wien. Auch wenn mit dem Vordringen deutscher Veranstalter zuletzt etwas Bewegung ins Spiel gekommen ist: Am heimischen Markt gilt die Unternehmensgruppe seit Jahren als dominierend. Und wo Erfolg ist, so Jenner, da sei eben auch Neid: »Es mag arrogant klingen, aber den muss man sich auch erst verdienen.«

Das böse Wort

Damit begonnen hat der Unternehmer vor fast zwei Jahrzehnten. Nach ersten Versuchen im IT-Bereich – Jenner ist gelernter Programmierer – hat er die Musik zu seinem Geschäft gemacht. Anfangs als DJ und Partyveranstalter, etwa im Flex mit der Clubreihe Panic, die ganze zehn Jahre durchhielt: »Ich hab versucht, den Spagat hinzubekommen zwischen Indie-Musik, die mir taugt, und Kommerz. Für viele Indie-Nerds war das ja ein böses Wort … Ich war schon da bei einigen der Buhmann, weil ich Erfolg hatte.« Nach kleineren Konzerten folgte im Jahr 2000 mit H.I.M. der erste Glücksgriff: »Join Me« wurde zum Hit, die angesetzte Wien-Show in eine 4000er-Halle hochverlegt. »Das war der Wahnsinn!«, so Jenner. »Mit dieser Größenordnung hatte ich damals noch keine Erfahrung. Die ganze Branche hat sich gefragt: ›Was macht der Jenner da?‹«

Es war eine Zeit, in der Jenner noch der Underdog war und eigentlich andere in den großen Venues veranstalteten. Zu Festivals fuhr man ins beschauliche Wiesen oder zu Spektakeln ins Ausland. Eine Situation, die seinen Ehrgeiz weckte: »Es gab damals in Österreich nur 8000er-Festivals (im besagten Wiesen; Anm. d. Red.), ich dachte mir: ›Das kann doch nicht alles sein.‹« Und das war es auch nicht. Der Erfolg der ersten Ausgabe seines Frequency Festivals – noch in überschaubarer Größe in der Wiener Arena – mag eher mäßig gewesen sein, den Schritt auf den Salzburg Ring wagte Jenner 2002 trotzdem: Allein an Tag eins kamen 15.000 Besucher.

Einfach gemacht

Welches Risiko Harry Jenner dabei eingegangen sei, werde gerne übersehen, meint Rainer Krispel, der immer wieder beruflich mit ihm zu tun gehabt hat und aktuell Arena-Obmann ist: »Nachher haben natürlich alle gewusst, dass es geht. Er hat es halt gemacht. Das muss man schon anerkennen. Und das nimmt ihm auch niemand weg.«

Der Weg zum finanziellen Erfolg sei, so Jenner, auch dann noch weit gewesen: Beim dritten Frequency nahm man kurzfristig Metallica ins Line-up, um eine Parallelveranstaltung der Konkurrenz zu vermeiden. Den Ticketpreis von 49 Euro zu erhöhen, das habe er sich damals aber nicht getraut. Am Ende sei mit einem ausverkauften Frequency »fast schon peinlich wenig« verdient worden, erinnert sich Jenner im Barracuda-Büro in der Wiener Alser Straße.

Dass er dort heute mit rund 40 festen Mitarbeitern die bereits 16. Ausgabe seines Festivals vorbereiten kann, liegt nicht zuletzt an geglückten strategischen Partnerschaften – allen voran jener mit Ewald Tatar ab dem Jahr 2004, der in Wiesen zum Veranstalter geworden und mit dem Aerodrome ins Geschäft mit den lukrativen Großfestivals eingestiegen ist. Gemeinsam wurde das Firmennetzwerk so erfolgreich ausgebaut, dass schnell auch unfreundliche Zuschreibungen die Runde machten – bis hin zu »Mafia«, womit Bilderbuch in einem Falter-Interview aufhorchen ließen. Die Vorteile einer zumindest in Ansätzen marktbeherrschenden Stellung mag man ausgenützt haben, unlautere Methoden unterstellen der Barracuda Holding aber auch ihre Kritiker nicht. Jenner: »Das Gerede vom angeblichen Monopol gab es ja nur, weil sonst keiner was gemacht hat. Wir haben ja niemandem gedroht und gesagt: ›Du machst jetzt aber keine Shows.‹ Wenn jemand anderer ein besseres Angebot legt, kriegt natürlich er die Bands und nicht wir.«

An Jenner & Co gab es jedenfalls kein Vorbeikommen mehr – gerade auch für heimische Musiker, von deren Seite vor allem früher oft Unmutsäußerungen zu hören waren: bescheidene Gagen, undankbare Auftrittszeiten, allgemeine Geringschätzung. Ink-Music-Chef Hannes Tschürtz, der durch beständige Arbeit über die Jahre Acts wie Ja, Panik und Bilderbuch aufgebaut hat: »Dass er österreichische Bands ›gefördert‹ hätte, kann man wirklich nicht behaupten – er hat es schlicht und ergreifend nicht als seine Aufgabe erachtet. Ich selbst sehe das längst nüchtern und pragmatisch. Nicht zuletzt die Erfolge bestimmter Bands haben dazu geführt, dass sich das Verhältnis entspannt hat und jetzt viel eher auf Augenhöhe stattfinden darf als früher.«

Win-Win-Situation

Jenner, ganz der trockene Geschäftsmann: »Österreichische Bands spielen den Slot, den sie in Ticketverkäufen repräsentieren – daran hat sich nichts geändert. Parov Stelar wären auch 2005 Headliner gewesen, hätten sie den heutigen Status gehabt.« Den Erfolg heimischer Acts sieht er aber als Win-Win-Situation für beide Seiten: »Sie sind leichter verfügbar und im Handling weniger schwierig als internationale Acts.«

Weiter zu: Wahnsinnigkeiten von Mitbewerbern, ambitionierten Umweltschutzmaßnahmen, Geschlechterverhältnissen in Festival-Line-ups und Im-Stehen-Pinkeln

Bild(er) © Jana Sabo
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...