7 Fragen an … Eva Fischer

Das Sound:frame Festival ist in wenigen Jahren zur zentralen Instanz für Visuals in Österreich geworden. Während sich die Szene immer weiter differenziert, macht das Festival die eigenen Existenz-Bedingungen mit exquisitem Line-up zum Thema.

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Sound:frame hat viele Institutionen für AV-Kunst sensibilisiert und Förder- sowie Präsentationsmöglichkeiten erschlossen. Haben Politik und Institutionen mittlerweile die Relevanz von interkreativen Ausdrucksformen erkannt? Oder müsst ihr euch noch oft erklären?

Ich kann ganz sicher behaupten, dass die Relevanz und Sensibilität heute allgemein sehr viel höher sind, als noch vor sechs Jahren. Gerade in Wien wurde über Jahrzehnte hinweg viel Vorarbeit geleistet, und in den letzten fünf Jahren hat sich die vielfältige Szene noch einmal um einen großen Schritt weiterentwickelt. Sound:frame hat sich seit dem Start 2007 als eines der bedeutendsten AV-Festivals in Europa etabliert und konnte mit einem großen Netzwerk eine hohe Relevanz und internationale Aufmerksamkeit aufbauen. Wir müssen uns trotzdem noch in vielen Bereichen erklären. Aus kuratorischer Sicht, soll es jedoch auch gar nicht darum gehen, bei jedem und allen bekannt zu sein oder mit dieser Kunstform eine flächendeckende Aufmerksamkeit zu erregen. Inhaltlich gesehen ist es mir wichtiger, Qualität an erster Stelle zu setzen, und Künstlerinnen und Künstlern wegen ihres Könnens einzuladen, auch wenn sie nicht in aller Munde ist. Erst dann kann man tatsächlich von Relevanz sprechen.

Wird Sound:frame mit Festival, Agentur und Label auch Plattform für Pioniere und avantgardistisch-künstlerische Arbeiten sein können?

Ja, ich hoffe, das ist Sound:frame bereits. Mit dem Festival und auch mit dem Label geht es darum, neue Arbeiten und Kollaborationen zu ermöglichen. Seit mehreren Jahren werden beispielsweise in der Sound:frame Ausstellung größtenteils Auftragsarbeiten, also neu produzierte audiovisuelle Werke gezeigt. Auch im Live Performance Kontext ist es uns wichtig, Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Bereichen zusammen zu bringen. 2012 wird es beispielsweise im Brut im Künstlerhaus eine Kollaboration zwischen den Svetlana Industries Artists (Kelpe, 1000names, Nightwave und Thunderloops) und dem Visualisten-Kollektiv Kon.txt geben. Gemeinsam bespielen sie den Mainfloor des Brut im Künstlerhaus.

Für die Ausstellung im und in Kooperation mit dem MAK – Museum für angewandte Kunst/ Gegenwartskunst werden etwa neue AV Arbeiten von Depart, Rainer Kohlberger, Jan Jelinek & Karl Kliem oder Herman Kolgen produziert. Robert Henke & Tarik Barri entwickeln ebenfalls eine ihrer Arbeiten eigens für Sound:frame weiter.

Wie sehr siehst du es als euer Ziel die ganze Bandbreite des audiovisuellen Schaffens abzubilden? Welche Kriterien sind relevant um Teil von Sound:frame zu sein?

Sound:frame steht für Vielfältigkeit aber nicht für Gesamtheit. In den ersten drei Jahren hat Sound:frame sowohl in der Ausstellung als auch im Rahmen der Live Events vor allem das Ziel verfolgt, eine möglichst große Breite künstlerischer und kreativer Ausdrucksformen zu präsentieren, und audiovisuelle Kunst und Visualisierung einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Seit drei Jahren steht das Festival jedoch in jedem Jahr unter einem speziellen Themenschwerpunkt, der Fokus auf spezielle künstlerische Zugänge ist sehr viel konzentrierter und gezielter geworden und hat sich vor allem in Richtung AV (AudioVisueller) Kollaborationen entwickelt.

Als eines der wichtigsten Kriterien hat sich für mich das subtile Eingehen auf den jeweiligen Kontext herausgestellt. Eine Ausstellung erfordert einen anderen Zugang als der Club, da vor allem die Rezeption des Publikums eine ganz andere ist. In der Ausstellung kann man ganz konkret eine Geschichte auf den Punkt bringen, in der klassischen Clubsituation geht es meistens mehr darum, das Publikum zum Tanzen zu bringen. Der Konzert- und Festivalbereich befindet sich irgendwo dazwischen. Alle Kontexte haben ihren Reiz. Für mich ist es wichtig, mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen arbeiten zu können, die sich auf die jeweiligen Herausforderungen einlassen und dennoch immer an der eigenen Handschrift arbeiten. Ich finde Positionen spannend, die auf ein künstlerisches Ziel zusteuern und sich auf vielen Ebenen mit ihrem Thema auseinandersetzen.

Wie stellst du dir den offenbar von vielen Seiten erwünschten Austausch der Szene vor, was wäre deiner Meinung nach der optimale Rahmen? Wird es eine IG Visuals geben? Und wie siehst du die Rolle von Sound:frame in alldem?

Die Visuals-Szene ist mittlerweile so vielfältig und groß geworden ist, dass eine Art Einteilung in Genres, wie sie in der Musik ja zum Beispiel gerade auf den Höhepunkt getrieben wird, in einem gewissen Ausmaß auch für die Visualisierung interessant und gut sein könnte. AV Act, Analoge Visuals, digital-generative Visuals, Mapping, Video-Mixing, Narrative Realvideo Arbeiten, Animation, etc…. wie auch immer die einzelnen Artists ihre Arbeit definieren. Wenn noch klarer wird, wo die einzelnen Leute in der Szene stehen, dann können sich einzelne Crews aufgrund von Schnittmengen, gemeinsamen Interessen oder auch Kontrapunkten und Ergänzung vielleicht noch besser vernetzen und zusammenschließen. Ich wünsche mir also vor allem einen inhaltlichen Austausch, der über strukturelle Verhandeln hinaus geht.


Der Fokus von Sound:frame liegt ganz klar im AV, im AudioVisuellen Bereich. Damit nehmen wir eine spezielle Position ein und können gar nicht für die gesamte Szene stehen. Sound:frame kann und will nicht die Vertretung für die gesamte Community sein. Eine IG Visualist halte ich prinzipiell für eine ganz wichtige Sache. In der Szene wurde in den letzten Wochen davon gesprochen, und ich finde die Idee sehr gut. Das so eine Interessensvertretung nicht so leicht umzusetzen ist, ist klar, doch ich glaube daran, dass es möglich ist. Ich denke, eine IG müsste von einer möglichst neutral aufgestellten und engagierten Personengruppe realisiert werden und hoffe, dass sich dafür jemand findet. Ich habe das Gefühl, als hätten sich aus den Diskussionen der vergangenen Monate jedoch bereits Überlegungen in Richtung neuer Blogs und Diskussionsforen manifestiert. Daher bin ich zuversichtlich, dass die Entwicklung wieder einige Schritte weitergeht.

Vor einem Jahr habt ihr das Agentur-Label gestartet. Lassen sich damit schon Kosten decken, seid ihr damit zufrieden oder läuft das eher mal mit?

Wir haben in dem Jahr viele spannende nationale und internationale Aufträge erhalten und ich bin in jedem Fall zufrieden mit der Entwicklung. Ich würde uns nicht als traditionelles Label oder als klassische Booking Agency bezeichnen. Sound:frame AV ist eine offene Plattform und ein Kollektiv, das Gesamtkonzepte anbietet.

Es ist mir sehr wichtig, dass das Konzept derzeit auch flexibel bleibt. Wir haben sozusagen „from-scratch“ Festival und Label aufgebaut und dabei gelernt, auch einmal scheitern zu können, ohne die Welt untergehen zu sehen. Es ist ein spannender Prozess, zum Beispiel eine Teamstruktur aufzubauen, und man lernt mit der Zeit, was funktioniert und was man eher überdenken sollte. An dieser Stelle muss ich einmal sagen, dass ich wohl mit dem besten Team der Welt zusammenarbeiten darf!! Wir haben gemeinsam wirklich viel geschaffen und arbeiten von Jahr zu Jahr besser eingespielt.

Welche Bereiche des Festivals wollt ihr zuerst nachhaltig gestalten? Artist-Anreise, Strom, Sponsorings, Gastro?

In der Gastro zum Beispiel haben wir einen kongenialen Partner gefunden – die Crew des Morisson Clubs – die ebenfalls großen Wert auf eine nachhaltigere Zukunft in der Gastronomie legt. Man muss mit realisierbaren Schritten beginnen. Wir arbeiten zum Beispiel mit Mehrwegbechern oder verfolgen das Ziel, noch mehr Bio-Produkte in das Sortiment aufzunehmen. Im Büro haben wir auf Sparlampen umgestellt und sind dabei, Öko-Strom anzumelden. Mittel- und langfristig geht es darum, auch unsere Partnerinnen und Partner davon zu überzeugen, gewisse Maßnahmen ebenfalls umzusetzen. Wir versuchen, Künstlerinnen und Künstlern die Anreise mit dem Zug schmackhaft zu machen. Einige wollen das mittlerweile von sich aus. Wir versuchen außerdem, den internen Transport innerhalb Wiens möglichst effizient zu gestalten. Im Hotel am Brillantengrund können wir in diesem Jahr eine Festivalzentrale einrichten, die uns sehr viele Wege und einiges an Energie spart, gleichzeitig ein relaxter und feiner Ort ist, an dem sich Festivalpublikum, Team und unsere Artists treffen können. Die Artists, die in dem Hotel untergebracht sind, werden von den neuen Gastronomen des Brillantengrunds dort auch bekocht.

Im Austausch mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen und in Kooperation mit Biorama versuchen wir, für das Sound:frame Festival und allgemein für Stadtfestivals und Clubs eine Art Maßnahmenkatalog zu erstellen, um kurz-, mittel- und langfristig in eine nachhaltigere Richtung zu gehen. Dabei muss einem bewusst sein, dass nicht alles auf einmal geht. Ich denke, es ist vor allem wichtig, eine gewisse Awareness zu schaffen. Es geht nicht darum, auf Dinge zu verzichten, sondern viel mehr darum, seine Strategie bewusst zu ändern. Wenn man dabei gute Wege findet, spart das Ressourcen, Geld und ist gleichzeitig mit dem gewöhnten Lifestyle zu verbinden.


Wie sehr ist Sound:frame mittlerweile etabliert? Bekommt ihr bessere Angebote, weil Acts von sich aus beim Sound:frame Festival spielen möchten oder herrscht Booking-Business-As-Usual?

Tatsächlich bekommen wir mittlerweile gute Angebote und viele internationale Artists und Agents melden sich bei mir. „Would LOVE LOVE LOVE to bring one of my acts to the Sound:frame festival! I had such good feedback from last year“ war eine der süßesten Mails einer Booking Agentin einer großen UK Agency. Das freut mich natürlich. Ich mache seit 2010 auch das Audiobooking wieder selbst und habe unglaublichen Spaß daran. Mittlerweile hat sich das Team so gut eingespielt, dass ich allgemein wieder mehr Zeit für den Inhalt habe, was natürlich extrem wichtig ist. So ist auch das gesamte Programm smoother und abgestimmter geworden und spielt noch besser zusammen.

Mit John Talabot seid ihr beim Booking ja wieder einmal goldrichtig gelegen. Bei aller Freude über jeden einzelnen Act, welcher Programmpunkt war heuer schwersten und aufwendigsten zu organisieren?

Ja! Auf John Talabot bin ich gespannt. Ich kenne ihn seit seiner Families EP auf dem UK Label Young Turks und bin begeistert von dem kürzlich releasten Album "ƒIN" auf Permanent Vacations. Wir alle freuen uns schon auf eine großartige Final Party mit ihm im Fluc!

Auf die Kooperation mit dem Boiler Room im Rahmen einer Sound:frame X MAK Nite Specialfreue ich mich extrem! Wir haben die Boiler Room Leute beim WWF in Sète kennengelernt und schnell beschlossen, dass wir etwas gemeinsam machen wollen.

Zeit-aufwendig ist es, ein Gesamtkonzept zu programmieren, das stimmig ist.

Am schwersten und aufwendigsten ist es leider nach wie vor, das nötige Budget zusammen zu kratzen, das man bräuchte, um die Visionen, die wir haben, umzusetzen. Leider macht uns dieser Punkt immer wieder einen Strich durch die Rechnung, und wir müssen an allen Ecken und Enden sparen und immer wieder zurückstecken. Diesen Umstand wollen wir mit dem diesjährigen Thema „Substructions“ auch thematisieren. Man muss sich an seine Rahmenbedingungen anpassen. Das hat Vor- und Nachteile. Aber (Geld-)Not macht bekanntlich erfinderisch. Und ich finde es in jedem Jahr wieder sehr berührend, wie viele Leute ihren ganzen Enthusiasmus und ihr Engagement in das Projekt stecken und damit dann doch mehr möglich machen, als zuerst gedacht.

Sound:frame

12.4. – 22.4. 2012, diverse Locations, Wien

www.soundframe.at

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