Mit der Ausstellung »Scenarios for City Dwellers« gelingt Veronika Eberhart die Bearbeitung eines schwer fassbaren Stoffs – der Leere. Vor dem Hintergrund der Stadt der Engel zeigen sich die Fülle, die in der Stille steckt, Geschichten, die die Geschichte nicht erzählt, und Räume, die für sich selbst stehen können.
Auch wenn der Komponist Hanns Eisler und dessen Verhör durch das Komitee für unamerikanische Umtriebe der Aufhängungspunkt für Veronika Eberharts Film »Garten sprengen«, das Herzstück ihrer Ausstellung »Scenarios for City Dwellers«, ist – zentrales Thema ist die Musik, insbesondere ihr Rhythmus. Und weil Rhythmus Sache von Zwischenräumen genauso wie der Töne an sich ist, sind es diese Leerstellen, die zum narrativen Strang werden.
Sei es im Kommentar Eislers zur Verwendung von Filmmusik (»He knows the danger of standing still / Hence music is prescribed«), in den Aufnahmen von rauschenden Schallplatten, leeren Hotelfluren oder der einseitigen Korrespondenz von Eislers Frau Lou, in denen der Empfänger (»Dear Dr. Carr«) nur als Index durch die Schreibende existiert und eher durch sein Fernbleiben auffällt. Die Stille und Leere, das Verdeckte, erhält eine taktile Präsenz. Der Blick legt sich in Nahaufnahmen auf den Teppichboden des Biltmore Hotels in Los Angeles, auf die Geländer seines Stiegenhauses, Servierwägen und Stuhlstapel und befragt so ein Stück weit die Voraussetzungen für die fiktive und fiktionalisierte Welt (Hollywoods) mit ihren Gegensätzen von Freiheit und politischer Restriktion, Downtown und Industrie, der Welt hinter und vor den Kameras.
Die Poesie der 16-mm-Fragmente
Gespenst des Films ist das Motiv des Gartens: Nie wird einer gezeigt, aber als Sample von Eislers »Hollywood-Elegien« und einer Jazz-Adaption (»Vom Sprengen des Gartens«) ist er Teil des Films. Lous Garten und die Kosten für den Dünger sind – unter Hanns’ Namen archiviert – in die Geschichte eingegangen. In den Untertiteln bündelt sich um ihn herum die ganze Poesie der 16-mm-Fragmente: »In my garden / There are only evergreens / If I want to see autumn / I drive to my friend’s house in the hills.«
Vielleicht wendet sich »Garten sprengen« gegen die Zensur und Unterdrückung, wie sie der Natur durch die Erfindung des Gartens geschehen ist, vielleicht stellen sich in der Gegenüberstellung der Aufnahmen aber auch einfach Fragen. An die Geschichte, an die Dinge, an die Räume. Und an die Zusammenhänge zwischen dem Ganzen: »I can stand for five minutes and see a tree / Robbed of its leaves and leaves robbed of their trunk.«
Die Ausstellung »Scenarios for City Dwellers« von Veronika Eberhart ist von 24. März bis 10. April 2022 im Rahmen der Diagonale in der Kunsthalle Graz zu sehen. Einen Überblick über unsere Beiträge zur Diagonale findet ihr hier.
Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 191a ist dies: »Garten sprengen« von Veronika Eberhart.