Zwischen den (Noten-)Zeilen – Veronika Eberhart »Garten sprengen«

Mit der Ausstellung »Scenarios for City Dwellers« gelingt Veronika Eberhart die Bearbeitung eines schwer fassbaren Stoffs – der Leere. Vor dem Hintergrund der Stadt der Engel zeigen sich die Fülle, die in der Stille steckt, Geschichten, die die Geschichte nicht erzählt, und Räume, die für sich selbst stehen können.

© Veronika Eberhart »Garten sprengen«, Filmstill, 2022

Auch wenn der Komponist Hanns Eisler und dessen Verhör durch das Komitee für unameri­kanische Umtriebe der Aufhängungs­punkt für Veronika Eberharts Film »Garten sprengen«, das Herz­stück ihrer Ausstellung »Scenarios for City Dwellers«, ist – zentrales Thema ist die Musik, insbe­sondere ihr Rhythmus. Und weil Rhythmus Sache von Zwischen­räumen genauso wie der Töne an sich ist, sind es diese Leer­stellen, die zum narrativen Strang werden.

Sei es im Kommentar Eislers zur Ver­wendung von Film­musik (»He knows the danger of standing still / Hence music is prescribed«), in den Auf­nahmen von rauschenden Schall­platten, leeren Hotel­fluren oder der einseitigen Korres­pondenz von Eislers Frau Lou, in denen der Empfänger (»Dear Dr. Carr«) nur als Index durch die Schreibende existiert und eher durch sein Fern­bleiben auffällt. Die Stille und Leere, das Verdeckte, erhält eine taktile Präsenz. Der Blick legt sich in Nah­auf­nahmen auf den Teppich­boden des Biltmore Hotels in Los Angeles, auf die Geländer seines Stiegen­hauses, Servier­wägen und Stuhl­stapel und befragt so ein Stück weit die Voraus­setzungen für die fiktive und fiktionalisierte Welt (Hollywoods) mit ihren Gegen­sätzen von Freiheit und politischer Restriktion, Down­town und Industrie, der Welt hinter und vor den Kameras.

Die Poesie der 16-mm-Fragmente

Gespenst des Films ist das Motiv des Gartens: Nie wird einer gezeigt, aber als Sample von Eislers »Hollywood-Elegien« und einer Jazz-Adaption (»Vom Sprengen des Gartens«) ist er Teil des Films. Lous Garten und die Kosten für den Dünger sind – unter Hanns’ Namen archiviert – in die Geschichte einge­gangen. In den Unter­titeln bündelt sich um ihn herum die ganze Poesie der 16-mm-Fragmente: »In my garden / There are only evergreens / If I want to see autumn / I drive to my friend’s house in the hills.«

Vielleicht wendet sich »Garten sprengen« gegen die Zensur und Unter­drückung, wie sie der Natur durch die Erfindung des Gartens geschehen ist, vielleicht stellen sich in der Gegen­über­stellung der Auf­nahmen aber auch einfach Fragen. An die Geschichte, an die Dinge, an die Räume. Und an die Zusammen­hänge zwischen dem Ganzen: »I can stand for five minutes and see a tree / Robbed of its leaves and leaves robbed of their trunk.«

Die Ausstellung »Scenarios for City Dwellers« von Veronika Eberhart ist von 24. März bis 10. April 2022 im Rahmen der Diagonale in der Kunsthalle Graz zu sehen. Einen Überblick über unsere Beiträge zur Diagonale findet ihr hier.

Unsere Heftrubrik »Golden Frame« ist jeweils einem Werk zeitgenössischer Kunst gewidmet. In The Gap 191a ist dies: »Garten sprengen« von Veronika Eberhart.

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