Grenzen verschwimmen

Dieses Wochenende kann man sich in der Kunsthalle wieder verzetteln. Von A wie Art bis Z wie Zine präsentiert die vierte Vienna Zine Fair mehr als nur Kleingedrucktes. Rita Vitorelli, eine der KuratorInnen, dazu im Mail-Interview.

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Wir dachten die Blüte der Fan- und Artzine-Kultur ist lange vorbei, mussten aber beim Programm der Zine Fair Vienna ganz schön staunen. Ist Print doch nicht tot?

Ich sehe eher das Gegenteil. Es werden derzeit sehr viele neue Magazine gegründet, in allen Bereichen, Kunst, Mode, Design, Lifestyle, Architektur… mit professionellem Hintergrund genauso wie aus der Idee des Self-Publishing heraus. Fanzines verfolgen darüber hinaus oft auch andere Ideen, es geht um politische Anliegen, um Selbstermächtigung, aber auch Schnelligkeit und Leichtigkeit. Veranstaltungen wie die Zine Fair, die New York Art Book Fair, Miss Read in Berlin oder I Never Read in Basel zeigen, dass im Bereich Magazin- und Buchmachen, Design, Graphik sehr viel Neues produziert wird und es ein großes Publikum und Käufer dafür gibt.

Welche Bedeutung haben Fan- und Artzines, Künstlerbücher besonders im Kunstbereich neben Blogs und Social Media?

Das sind sehr unterschiedliche Dinge. Social Media verfolgt mehr oder weniger ganz spezifische Ziele, die am stärksten mit Öffentlichkeitsbildung und Image zu tun haben. Blogs gibt es im Kunstbereich derzeit kaum interessante. Ich bin auch kein Fan von Bilderblogs wie etwa Contemporary Art Daily, weil sehr stark über Ein- und Ausschluss gearbeitet wird, und zwar auf ästhetischer, aber nicht auf inhaltlicher Ebene. Blogs wie Blitzreview in den 90ern, wo wirklich ernsthafte Kunstkritik gemacht wurde, Diskussionen losgetreten, richtige Streitgespräche geführt wurden, sind mir derzeit im Kunstbetrieb keine bekannt. Künstlerbücher sind wiederum etwas ganz anderes, sie sind eine Kunstgattung wie Malerei, Video oder Skulptur, eine eigene künstlerische Ausdrucksform.

Welche Innovationen stecken in Selbst-Publiziertem heute oder geht es oft vielmehr um Retro-Produkte?

Mich interessiert Innovation als allgemeine Kategorie nicht besonders, weil es an sich noch keine Qualität ist. Auf der Ebene des Design, Graphik, Papier, technische Möglichkeiten wird viel experimentiert, besonders auch als kollaborative Produktion von Autoren, Designern und Künstlern. Das Internet hat sicher eine eigene, vielleicht auch neue Ästhetik erzeugt, nicht nur in den E-Zines, sondern auch für Printprodukte.

Es hat vielleicht heute etwas Nostalgisches, sich mit einem Medium wie dem Buch zu beschäftigen, aber sich von linearen Entwicklungen und Innovationszwängen nicht vereinnahmen zu lassen, trägt auch ein Widerstandspotenzial in sich. Künstlerbücher sind im Umfeld der Konzeptkunst in den 60er Jahren sehr wichtig gewesen. Die Künstler wollten die Hierarchien des Kunstbetriebs überwinden und über das Buch eigene Vertriebswege ihrer Kunst erzeugen, auch Künstler-Magazine waren ein alternativer Raum für Kunst. Diese Kraft hat das Selbst-Publizierte heute wahrscheinlich nicht mehr.

Bei der Independent Publishing and Zine Fair Vienna konnten Sie die Szene Jahr um Jahr beobachten. Gibt es inhaltliche Schwerpunkte, welche Inhalte sind besonders populär, welche Affinitäten gibt es und gibt es auch Tabus?

Fanzines sind meistens sehr persönliche Dinge, daher kann ich eigentlich keine besonderen Schwerpunkte oder Themen sehen. Die Szene ist wirklich sehr heterogen.

Wer sind die Hauptprotagonisten dieser Szene – eher erfahrene Journalisten, Studenten oder Jobeinsteiger und junge Selbstunternehmer oder Künstler?

Kunststudenten und Künstler, manchmal auch Kuratoren.

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