Geld regiert die Welt! Diese Plattitüde ist nach wie vor allzu wahr. Für »Grand Theft Auto V« hat Rockstar Games keine Kosten und Mühen gescheut, um unserer kapitalgesteuerten Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten.
Schon wieder fast pleite! Hätt ich doch mein Bares, das ich mir bei meinem letzten Heist mühevoll verdient habe, nicht für einen teuren Sportwagen rausgeschmissen. Dann könnt ich mir jetzt ein Taxi-Unternehmen kaufen. Neben dem Vorteil in Zukunft kein Geld mehr für lange Taxifahrten auszugeben, bekäme ich dann auch ein wöchentliches Einkommen, ohne dafür über Leichen gehen zu müssen. Auch der Besuch im Nightclub, in dem ich mich volllaufen ließ und eine Striperin eine gefühlte Stunde lang mit grünen Scheinen bewarf, um mich über die nächtliche Einsamkeit hinwegzutrösten, war nicht grade billig. Vor allem da ich, als ich vor dem Club auf meinen neuen Pegassi Infernus zugetorkelt bin, von einem Obdachlosen überfallen und verprügelt wurde. Dadurch haben sich zur Summe meiner nächtlichen Ausgaben auch noch Krankenhauskosten gesellt.
Glücklicherweise hab ich, als ich mich leicht ramponiert und verkatert wieder hinters Steuer klemmte, einen Typen in teurem Anzug aufgegabelt, um ihn auf seinen Wunsch hin zum Flughafen zu chauffieren. Er stellte sich als reicher Makler heraus, der mich nicht mit Geld, sondern einem Tipp für den Aktienmarkt bezahlte. Nun bin ich seinem Rat durch Investition meiner letzten Ersparnisse gefolgt und warte drauf, dass der Aktienwert steigt.
Wie gewonnen, so zerronnen
Das liebe Geld spielt seit jeher eine Rolle in der »Grand Theft Auto«-Reihe. Während es in »GTA« und »GTA II« noch größtenteils Highscore-Funktion erfüllte, hat es seither mit jedem Teil der Franchise an Bedeutung zugenommen. In »GTA V« erreicht die Thematisierung des Kapitalismus jedoch völlig neue Dimensionen. Da es nun um einiges schwieriger ist, an die große Kohle heranzukommen, fühlen sich die zahlreichen Kapitaltransaktionen der drei Hauptcharaktere ungewohnt schwerwiegend an. Das ungeheure Angebot an teuren Fahrzeugen, gewinnbringenden Immobilien und unzähligen kostbaren Kleinigkeiten macht die Sache auch nicht leichter.
Reich werden in diesem Paralleluniversum vor allem die Korrupten und Kaltblütigen, während so mancher auf der Strecke bleibt und auf den Straßen dieser Sin City ums nackte überleben kämpfen muss. Andere halten sich durch ständige Neubestätigung ihres Individualismus über Wasser, der ihnen jedoch bloß, wie Millionen anderen, über einen niemals enden wollenden Schwall an Werbereklamen als solcher verkauft wird. Auch die politischen Bewerber, die in San Andreas kandidieren um etwas an diesen Zuständen zu ändern, geben ein trauriges Bild ab. Ein ehemaliger Stuntman, der sich bereits in seiner Werbekampagne offenherzig als Riesenarschloch outet und eine besserwisserische ex-Schullehrerin, deren Kompetenz sich darauf beschränkt, Leute von oben herab behandeln zu können. Keine Aussicht auf bessere Zeiten und ähnliche Zustände wie im echten Leben also.
Zugleich wird der Kapitalismus in Rockstar Games letztem Geniestreich wie in kaum einem anderen Game gefeiert. Wer würde sich den nicht gern mal in einem teuren Anzug und mit Fallschirm ausgestattet, aus einem Düsenjet katapultieren lassen, um sich den prachtvollen Großstadtwahnsinn souverän aus der Vogelperspektive zu genehmigen. Diese Hassliebe zum Kapitalismus, das zelebrieren und kritisieren der Absurdität unserer marktgesteuerten Gegenwart, scheint das Herzstück von »GTA V« zu sein. Dieser Widerspruch wird noch verstärkt, wenn man bedenkt, dass das Spiel soeben einen neuen Umsatzrekord in der Entertainment-Industrie aufgestellt hat, während inhaltlich mehr als nur einmal die Frage gestellt wird, ob Geld überhaupt glücklich machen kann.
»Grand Theft Auto V« ist seit 17. September im Handel erhältlich.