Gutmenschenmusik

Er beschreibt sich selbst als „post-lunar buddha turd“, macht Musik mit der Unschuld eines Kindes und der Gelassenheit eines buddhistischen Mönchs. Mutual Benefit debütieren mit „Love’s Crushing Diamond“, einer gute Portion warmherzigen Pop für kalte Wintertage.

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Gutmensch. Eines jener Worte mit dem sich betroffene Personen niemals selbst beschreiben würden, denn irgendwie ist es ein Wort der zynischen Zungen. Es beschreibt einen Grundoptimismus, eine rechtschaffene positive Gesinnung und eine entwaffnende Naivität. Es beschreibt Leute, die niemanden ihre Meinungen und Ansichten aufdrängen, die nicht fordern und wenn dann mit den hehrsten Absichten. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Vielleicht, aber es trifft sehr genau die Musik von Jordan Lee alias Mutual Benefit.

Beidseitiger Vorteil. Was will uns Lee mit dem Namen sagen? Der Klang ist lieblich, warmherzig, irgendwie verschmitzt und auf keinen Fall gefährlicher als harmlos einzustufen. Gutmenschenmusik halt. Hier werden keine Zäune niedergetrampelt, keine Arme geritzt und auch jeder Stein darf ordentlich auf dem anderen bleiben. Allzu leicht ist man geneigt Pop aus dieser Richtung, der einen nicht drängt und belangt als zahnlos, geradezu belanglos abzutun, tut damit der Musik von Mutual Benefit auf jeden Fall unrecht. Weniger verzweifelt als The Antlers, weniger folkig als der frühe Sufjan Stevens und weniger experimentell als Dreampop-Wunderkind Youth Lagoon ist die unscheinbare Lichtung in der Mutual Benefit völlig unbehelligt seine Klangnetze webt.

Feldarbeit

Der Entstehungsgeschichte des Debüts „Love’s Crushing Diamond“ ist mit dieser Metapher eigentlich unrecht getan, denn das Album entstand mehr oder weniger unterwegs. Jordan Lee hat keinen festen Wohnsitz und bewegt sich irgendwo zwischen Ohio, Boston, Brooklyn und anderen Orten hin und her. Er baut bunte Arrangements um simple Melodien und lässt alles im besten buddhistischen Sinne verspielt fließen. Dabei klingt er niemals schwer, versucht niemals zu pressen. Lee bezeichnet diese Methode des Samplings als Field Recording. Vom Piano über Streicher bis zum zarten Glockenspiel wurde unterwegs alles aufgenommen, was gerade zur Verfügung stand und bedacht zu einer bunten, harmonischen Klangwolke zusammengefügt. So gesehen ist „Love’s Crushing Diamond“ ein Kind vieler Väter und Mütter, vereint jedoch unter Lees führender Feder.

Mutual Benefit befindet sich irgendwo zwischen Folk, träumerischem Pop und Chillwave. Es scheint überall hin, aber auch nirgendwo so richtig zu passen. (Wenig polarisieren, auch wieder so ein Gutmenschending.) Im Zentrum steht jedenfalls Harmonie, verbreitet durch die angenehme warme, sanfte und helle Stimme Lees, begleitet von harmonischen Chorälen.

Ohne eine Spur von Verzweiflung oder Bitterkeit hadert Lee auf den sieben Songs mit sich selbst und der Welt. Er sucht das „Gute“, schwimmt gegen einen Strom aus Zynismus und Pessimismus. „I’m kind of powerless watching people that I love being hurt (…) to the point where it was hard to feel good about things, you know? Hard to be excited to be in this world.“ (Jordan Lee im Interview mit Steregum) Wieviel Erfolg er damit haben wird wissen wir nicht, aber die Frage bleibt, was an einem Gutmenschen eigentlich so verkehrt ist. Worin jetzt der gemeinsame Vorteil liegt, darüber lässt sich vielleicht streiten, über die Gutmenschenmusik allerdings nicht, finden wir.

Mutual Benefit veröffentlichte „Love’s Crushing Diamond“ auf dem Indielabel Soft Eyes und in zweiter Auflage bei Other Music Recording Company. Zum Stream geht’s hier lang.

Bild(er) © Jordan Lee, Other Music Records Company
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