Samples werden wieder und wieder und wiederverwendet. Viele machen es, ein paar machen es eben dreckig.
Sampling: ein Teil einer – bereits fertigen – Ton- oder Musikaufnahme (ein Sample) in einem neuen, häufig musikalischen Kontext zu verwenden. Danke Wikipedia. Diese fertigen Samples sind Werke der Tonkunst und fallen also in das Urheberrechtsgesetz und dürfen natürlich nicht nach Belieben verwendet werden. Danke Legislative.
Ist das erstmals festgestellt, scheinen Reibereien unausweichlich. „Es gibt keine rechtliche Grauzone“ erklärt Rainer Praschak vom Mica – dem Music Information Center Austria. Ohne Erlaubnis Samples zu verwenden und zu veröffentlichen ist illegal. Davon können das Wiener Tech-House Duo Makossa und Megablast ihr eigenes Lied singen. Signifikante Samples ihres Tracks „Soy Como Soy“ wurden kürzlich von einem gewissen Dick Ray übernommen, leicht modifiziert und als „Yo Soy de la Zouk (Original Mix)“ auf diversen Plattformen veröffentlicht, unter anderem auch auf dem Online Music Store Beatport. Sascha Weisz (Megablast): “Ich hab kein Problem damit, wenn Leute sampeln, ich mach das auch selbst, aber man muss das Sample clearen.“ Clearen, das ist Szenesprache für Erlaubnis einholen und gegebenenfalls auf das Original hinweisen. Hier konnten sie ihren Anspruch bei Beatport geltend machen, Dick Rays Version wurde gesperrt.
Es mangelt an Bewusstsein
Die jüngsten Opfer eines solchen, besonders dreisten Falles sind Oberst & Buchner von den Schönbrunner Perlen. Der Remix ihres Tracks „Today I Feel“ von Alex Q tauchte diese Woche unter dem Namen „My Skin“ von DJ Frank Deep – Elektroartist aus Heilbronn – auf. Er verkaufte den Track und beruft sich auf das Herzblut, das er selbst reinfließen lassen hat. Unweigerlich folgte ein Aufschrei auf Facebook und Frank Deep sah sich mit einer Horde empörter Fans konfrontiert.
Oberst & Buchner haben sich an das Mica gewandt, und wir auch. Dort erhält man Beratung und rechtlichen Beistand. Doch „… das zahlt sich in den meisten Fällen nicht aus“, so Rainer Praschak. Der Fall „Frank Deep“ ist offensichtlich, der Diebstahl dreist. Die Konsequenzen für Frank jedoch trotzdem überschaubar, abgesehen von einem angeknacksten Ruf. Unliebsame Facebook-Kommentare lassen sich ja problemlos verbergen. „Eine rechtliche Verfolgung zahlt sich in den meisten Fällen nicht aus“, meint Rainer Praschak. Zum einen benötigt man für eine Klage den bürgerlichen Namen des Gegners (im Fall Frank Deep außerdem einen deutschen Anwalt) und falls beim Geklagten nichts zu holen ist, bleibt man auf den Anwaltskosten sitzen.
Dennoch lohne sich Samples übernehmen, ohne sie zu klären, nicht. „Sobald das Werk illegalerweise kommerziell veröffentlicht wurde, kann man (als Künstler) neben einer Unterlassung zumindest den Gewinn abschöpfen und das Doppelte des angemessenen Entgelts verlangen.“
Dazu muss man allerdings erst einmal Wind von der Sache bekommen. Wir haben auch bei Beatport nachgefragt, wie sie mit der Problematik umgehen, ob und welche Erkennungsalgorithmen für bereits existierende Musik verwendet werden und nach welcher Gesetzgebung sie vorgehen, jedoch blieben die Antworten aus.
„That’s how you attack a king? You attack moi?“
Deutlich dramatischer geht es auf den internationalen Copyright-Schlachtfeldern zu. Berühmt wurde der Fall von Timbaland, der eigentlich nur ein wenig C64-Charme für Nelly Furtados Album besorgen wollte. Dass dieser Charme, der über diverse andere Ecken auf dem Album gelandet ist, aus der Feder des Finnen Janne Suni (aka Tempest) stammt, war dem US-amerikanischen Rapper und Produzenten so unbewusst, wie es ihm egal war. „Everybody samples from everybody every day.“ Um den Prozess vor amerikanischen Gerichten auszutragen, fehlte es Suni wohl an Mitteln und Zeit und Timbaland ging als „Sieger“ des Streits hervor. „Diebstahl und ein Sample benutzen sind zwei verschiedene Dinge“, sagt der selbsternannte „King“. Nein, sagt die Gesetzgebung, zumindest unsere.
Dass dahinter allerdings auch eine Abstrafung von Hip Hop stecken würde, einer in den 80ern immer erfolgreicheren Kunstform der größten US-Minderheit, wurde seit dem Fall Biz Markie 1991 immer wieder vermutet. Die Forderungen nach einer Lockerung kamen und kommen in schöner Regelmässigkeit, ob Fair Use, Verkürzung der Schutzfristen oder gänzliche Aufhebung aller Copyrights – das aktuelle Urheberrecht sei jedenfalls eine Anomalie.
Bushido musste etwa auch feststellen, dass seine freie Interpretation von Urhebrrecht und Gangsta-Rap teuer werden kann. 2007 musste er für Samples der norwegischen Metal Band Dimmu Borgir nachträglich ins Börserl greifen. 2010 setzte es 63.000 Euro Schadensersatz für 13 Fälle von Ideenraub von den französischen Neoklassikern Dark Sanctuary. Das verwertete Diebesgut musste er gänzlich aus dem Verkehr ziehen und vernichten. Die Schweizer Metaller von Samael mussten sich dagegen mit € 2000.- zufrieden geben. Als hätte einmal nicht gereicht bediente sich Bushido für seinen Track “Leben und Tod des Kenneth Glöckler” heuer wieder bei Dimmu Borgir. Wieso? Wahrscheinlich um zu beweisen, dass er es kann. Kann er aber nicht.
Sascha Weisz und Rainer Praschak sind sich jedenfalls einig, das Bewusstsein für die kreative Arbeit anderer hat nachgelassen, die Anerkennung für die Kunst sei nicht mehr vorhanden. Am Sampeln selbst sei ja nichts auszusetzen, aber der nötige Respekt würde fehlen. Egal, ob man nun dagegen mit dem digitalen Pranger vorgeht, mit Anwälten oder den Kopf einfach nur nach vorne richtet, die kreative Verwendung von Samples wird so bald nicht aufhören.