"Genau das ist die Scheiss-Haltung, die dazu führt, dass die Verbrecher weiter schalten und walten können." – Das Wiener Elektropop Duo HVOB legt nicht zum Jahresende nur mit ihrer "Lion" EP, sondern auch deutlich verbal nach. Ein Interview über Spotify, König der Löwen und die Kulturnation.
Anfangs, da munkelte man noch über diese Wiener Band Her Voice Over Boys, die hätten nun eine große Booking-Agentur, so aus dem Nichts. Dann der erste Paukenschlag mit ihrer „Dog“ EP auf Oliver Koletzkis Label Stil vor Talent. Hinterher die Debüt-LP „HerVoiceoverBoys“, Festivals und jetzt steht ein Auftritt bei der Mutter aller Musikbusiness-Events an, beim SXSW in Texas. Ihre aktuelle „Lion“ EP knüpft direkt an Vorangegangenes an: distanzierte, filigrane Klangstrukturen denen Annas zarte Vocals melodiöse Wärme einhauchen.
Im Interview gibt sich die Band erstmals nicht ganz so elegant und zurückhaltend wie auf Platte (ja, "Lion" erscheint auch auf Vinyl, so nebenbei), werfen Amazon, Nestlé, Spotify und Konsorten Ausbeuterei vor. Gleichzeitig haben sie auch sehr positive Worte für die Musikerkollegen über …
Hakuna Matata! Wart ihr Fans von Lion King?
Paul: … wer nicht?
Anna: Ich hab mal nachgesehen. Hakuna Matata heißt soviel wie „Alles okay“. Eigentlich witzig, dass ausgerechnet unsere Generation mit ausgerechnet diesem Spruch aufgewachsen ist.
“Lion” klingt ähnlich crisp und kristallin wie euer Album. Wann und wie ist die EP entstanden?
Anna: Gleich nach der Veröffentlichung unseres Debutalbums im März 2013. Ich hab es zuhause vorproduziert, finalisiert haben wir es dann bei Paul im Studio.
Paul: Wir haben gar nicht mehr viel dran herumgeschraubt. Die EP sollte vom Sound her noch an das Debutalbum anschließen, sie gehört da noch dazu, mit dem sehr reduzierten Sound.
Vinyl – Eine Liebhaberentscheidung?
Anna: Eigentlich war das alternativlos. Ein ausschließlich digitaler Release fühlt sich irgendwie nicht wirklich als Release an.
Boom, ihr fahrt zum SXSW. Wart ihr schon einmal privat? Eine super Referenz, aber wie geht man dort nicht unter?
Anna: Wir waren noch nie dort, überhaupt noch nie in Texas. Und wir freuen uns zunächst einmal wirklich sehr über die Einladung. So eine Anerkennung ist dann doch auch wieder eine neue Dimension.
Paul: Wir arbeiten zur Zeit sehr hart dran, dass wir es schaffen, die Einladung annehmen zu können. Kümmern uns um weitere Showcases am Festival und um Anschlussgigs in Miami und New York. Allein das amerikanische Visum zu kriegen ist aber schon ein irrwitziger organisatorischer Aufwand.
War das Popfest mehr als ein normaler Gig für euch?
Anna: Ja. Die Herzlichkeit der Leute hat das schon zu etwas ganz Besonderem gemacht.
Paul: Die ganze Stimmung dort war schon so, dass du gemerkt hast: Die Leute sind stolz auf die österreichische Szene, wie die mittlerweile da steht, auch im internationalen Vergleich, wie Österreich da repräsentiert wird als Kulturnation. Da gibt’s ja eine ganze Bandbreite in wirklich höchster Qualität, von Dorian Concept bis Soap & Skin oder Bilderbuch.
Auf einem Dach vor dem Berliner Fernsehturm, Melt, Fusion, an der kroatischen Küste, ihr seid in zwei Jahren ordentlich rumgekommen. Gab es schon mal Tourkoller, verlorene Bandmitglieder oder geht ihr nach dem Gig immer brav ins Bett?
Anna: Nein, mit Tour-Anekdoten können wir nicht dienen. Auf Tour sein ist das, wovon wir geträumt haben, und es ist wunderbar. Aber es ist auch viel Stress, wenig Schlaf, und wenn du da nicht aufpasst, geht das richtig an die körperliche Substanz. Ich trink nichts mehr, habe mit dem Rauchen aufgehört und picke mir beim Feiern mittlerweile wirklich die Rosinen raus.
Paul: Es lässt sich für uns ganz pragmatisch auf eine Frage der verfügbaren Energien reduzieren. Wir haben gemerkt, wir machen unseren Job einfach besser, wenn wir fit sind. Klingt jetzt vielleicht fad, aber für uns hat Qualität auch mit Disziplin und Professionalität zu tun …
Hat es ein Grund, dass euer Album nicht auf Spotify oder Deezer steht? Thom Yorke-Style oder eine Label-Entscheidung?
Paul: Beides. „Stil vor Talent“ ist konsequenter Spotify-Gegner, und wir sind’s auch.
Anna: Das Thema hat natürlich viele Aspekte, aber lässt sich im Kern auf eine Frage der Hygiene reduzieren, genauso wie man kein Nestlé-Wasser kauft und nix bei Amazon bestellt oder im Supermarkt keine Billig-Eier nimmt. Das Geschäftsmodell von Spotify beruht auf einer Unfairness gegenüber gerade kleineren Künstlern. Paul und ich wollen mit sowas nichts zu tun haben, HVOB steht da als Projekt nicht zur Verfügung. Das Argument, dass wir mit unserer Haltung nichts verändern, ärgert mich sogar. Das ist nämlich genau das Scheiß-Argument, das dazu führt, dass die Verbrecher weiter in Ruhe schalten und walten können, egal ob in der Politik oder der Wirtschaft oder der Gesellschaft.
Anna, du meintest in einem Interview mit uns, dass du aus dem Indie kommend erst noch in elektronische Musik hineinwachsen wirst, wie ist das ein Jahr später? Wie heimisch fühlt ihr euch oder seid ihr als elektronischer Live-Acts eher halb drin, halb draussen?
Anna: Das ist weniger eine persönliche Frage als eine der Idee des Projekts. Halb drin, halb draußen ist genau die Position, in der wir uns wohl fühlen. Wir spielen um zwei Uhr früh in Clubs, genauso wie auf Festivals, wo es keinen elektronischen Schwerpunkt gibt. HVOB ist da wie dort stimmig und plausibel, aber eben auch exotisch genug, um eigenständig zu bleiben.
Reviews zu früherer HVOB Releases hier und hier. HVOB veröffentlicht die "Lion EP" auf dem Label Stil vor Talent am 06. Dezember. http://www.hvob-music.com/