Radfahren ist schick, Parkraum wird bewirtschaftet und Carsharing-Projekte beginnen nichturbane Landstriche zu erschließen. Werden Smartphones und Fahrräder zum Preis eines Mittelklassewagens das Automobil als Prestigeobjekt bald ganz ablösen?
Umweltschutz erlebt dramatischen Werteverfall
Vielleicht sollte man die Frage anders stellen beziehungsweise fragen, was unter Status zu verstehen ist, den man symbolisieren will? Stärke, Reichtum? Treten Ökologie und Funktionalität in den Vordergrund? Indikatoren dafür wären: andere Typen von Autos. Doch eine Studie des ÖAMTC wies vor ca. drei Jahren eine erhöhte Anzahl von SUVs gerade in Wien aus. Die Verkaufszahlen von PKW sprechen eine eindeutige Sprache: Es gab 2011 einen wahren Boom. Nach der neuesten ARAL-Studie 2011 sehen Kriterien für den Autokauf so aus: Die Finanzkrise scheint vor dem geistigen Auge der Autokäufer überwunden, wobei Frauen sich preisbewusster zeigen (66 % machen den Autokauf von einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis abhängig – Männern zu 58 %). Auf den Preisfaktor folgen drei Kriterien mit einem Anteil von jeweils 46 Prozent auf gleichem Niveau: Design, Komfort sowie Verbrauch / Wirtschaftlichkeit. Die ersten beiden haben einen deutlichen Anstieg in ihrer Bedeutsamkeit seit 2003 erlebt, Wirtschaftlichkeit hingegen ist nicht mehr so relevant (Rückgang von 60 auf 46 Prozent!). Der Umweltschutz erlebt einen dramatischen Werteverfall: 2003 interessierten sich noch 49 Prozent der Befragten dafür – aktuell sind es nur noch 19 Prozent, unabhängig von Alter und Geschlecht! Männer achten insgesamt vergleichsweise stark auf Komfort und ein großes Platzangebot, während sich Frauen eher von einem auffälligen Design zum Kauf verleiten lassen. Offensichtlich sind die Ökologiewünsche noch nicht stark genug und die Autowirtschaft tut alles, damit das Auto nicht an Wirkung verliert. Und die Politik? Sie bläst ins selbe Horn, anstelle die Ökologiewertigkeit zu forcieren: in Zeiten, wo alles versucht werden sollte, um das Kyoto-Protokoll umzusetzen, gab es „Verschrottungsprämien“. Eine leichte Zunahme von Elektroautos in Österreich zeigt aber, dass ein erhöhter Wunsch nach Unabhängigkeit von der Ölpolitik zu existieren scheint. Was man nicht so sehr sieht: Umdenken vom Autobesitz hin zur –verwendung, Lancieren von Carsharing oder Mitfahrzentralen (bei Jugendlichen in Österreich durchaus ein Thema). Mit Annahmen, dass das Auto als Statussymbol aus gedient hat (und mitgedacht: dass der Autobesitz zurückgeht, oder dessen Verwendung) sollte man jedenfalls vorsichtig sein und die Antwort auf die Titel-Frage wäre wohl: eher nicht. Was zu erwarten ist, ist auf jeden Fall, dass wichtige Akteure alles daran setzen werden, die Bedeutung des Autos hochzuhalten – und sei es eben als Elektromobil. Christine Chaloupka-Risser, 55, ist Verkehrspsychologin und Geschäftsführerin des Wiener Forschungsinstituts FACTUM Chaloupka & Risser.
»Auto hat Kratzer abbekommen«
Ein Statussymbol soll die soziale Stellung des Symbolträgers demonstrieren. Je wertvoller das Symbol, desto höher wird das Einkommen des Besitzers geschätzt. Und Geld bedeutet Macht, Einfluss und Erfolg. War es im Mittelalter und früher Neuzeit die Ritterrüstung – je teurer, desto statusträchtiger – ist es jetzt die mobile Blechschüssel, die das Selbstwertgefühl im alltäglichen Straßenkampf bestimmt. Also VW Polo verliert gegen Porsche Cayenne. Oder Opel Corsa gegen Audi Q3. Aber stimmt das so noch? Sind im Stau nicht alle gleich? Oder bei der verzweifelten Parkplatzsuche? Statussymbole halten sich oft zäh, doch das Mobilitätsverhalten ist im Wandel und damit auch die Einstellung zum Auto. Wien wächst. Jedes Jahr kommen rund 20.000 neue Wienerinnen und Wiener dazu. Dadurch steigt die absolute Zahl an Autos in der Stadt. Der Autobesitz pro Kopf nimmt jedoch weiter ab und ist mittlerweile mit 394 Autos pro 1.000 Einwohner der niedrigste in ganz Österreich. Und: Auf Wiens Straßen – ausgenommen der Autobahnen – sinkt seit 2005 das Verkehrsaufkommen. Trotz steigender Zulassungszahlen sind weniger Autos unterwegs. Das heißt nichts anderes als: Immer mehr Autos stehen immer öfter herum. Das Autofahren verliert an Reiz und wird einfach zu teuer. Das Statussymbol Automobil hat einige Kratzer abbekommen. Mobil sein ist aber mehr denn je Statussymbol und ist viel weiter gefasst. Dafür genügt das Auto schon lange nicht mehr. Die Statussymbole von heute sind smart, klein und flexibel. Maria Vassilakou, 43, ist Vizebürgermeisterin in Wien und als Stadträtin u.a. für Stadtentwicklung, Verkehr und Klimaschutz zuständig.
Präsident des Österreichischen Werberats
Das Auto zeigt seit seiner Erfindung auf seinen Besitzer und auf dessen Umfeld eine besondere Wirkung. Nicht nur die Distanzüberwindung selbst, sondern auch die »Fortbewegung« an sich hat ein Eigen- und ein Fremderlebnis, das eher mehr als weniger ausgelebt sein will. Vereinzelt auftretende, scheinbare Statussymbol-Verweigerer, die das Auto auf reine Nutzengenerierung reduzieren wollen, schaffen damit primär Argumente, einer Inszenierung des Autos noch mehr Kraft zu geben. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir mit Hybrid oder reiner elektrischer Energie fahren werden, höchstens dass die Innovation besonderen Reiz stimuliert und sich die Begehrlichkeit beim Nutzer und beim Betrachter weiter steigert. Marketing und Werbung übernehmen dazu hilfreich ihren Beitrag und legen für eine der Schlüsselindustrien des Wirtschaftsmotors immer noch einen Gang zu. Michael Straberger, 47, ist Geschäftsführer von Straberger Conversations, einer Agentur für Vertriebs- und Beziehungsmarketing in Wien sowie Präsident des Österreichischen Werberats. Darüber hinaus hat er eine Vorliebe für schwere, geländegängige Fahrzeuge.
»Brauchen keinen Autofetischismus«
Das Auto sollte kein Statussymbol, sondern als eine Möglichkeit gesehen werden, um den Mobilitätsbedarf des Einzelnen zu befriedigen. In Wien brauchen wir daher weder einen Autofetischismus noch einen Autohass in der Verkehrspolitik. Das Auto muss durchaus in einem urbanen Raum wie Wien seinen wesentlichen Platz haben. Auch Autofahren ist für viele Menschen ein Teil der Lebensqualität, vor allem für jene, die beruflich auf das Auto gar nicht verzichten können. Wir setzen daher auf Wahlfreiheit bei der Verkehrsmittelbenützung. Wer auf das Auto verzichten will, dem sollen auch die entsprechenden öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen. Ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel ist daher eine wichtige Forderung an die Stadtregierung. Vor allem ein rascher Ausbau der U-Bahn ins Wiener Umland wäre wichtig. Das wäre die Voraussetzung dafür, möglichst viele autofahrende Pendler von den Autos in die öffentlichen Verkehrsmittel zu bekommen, um damit die alltäglichen morgendlichen Staus zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist auch die Errichtung von P&R-Anlagen, in denen die Einpendler ihre Autos gleich am Stadtrand parken können, eine wichtige Forderung. Überhaupt muss das Parkplatzproblem rasch gelöst werden, um den Verkehr in Wien stadtverträglicher gestalten zu können. Keinesfalls wollen wir aber in dieser Stadt, dass die einzelnen Verkehrsteilnehmergruppen gegeneinander ausgespielt werden – alle haben ihre Berechtigung und sollen auch neben- und miteinander existieren können. Roman Stiftner wurde 1969 in Wien geboren und studierte an der TU Wien Elektrotechnik und Wirtschaftstechnik. Er ist Verkehrssprecher der ÖVP Wien und seit 2005 Wiener Gemeinderat und Landtagsabgeordneter. Seit 2008 leitet er als Geschäftsführer die Fachverbände Bergbau-Stahl und Nichteisenmetall-Industrie (NE-Metall) in der Wirtschaftskammer Österreich.
»Was mein Auto angeht«, rappt MoTrip aus Aachen, »bin ich zufrieden, wenn mein Auto angeht«. Das ist geradezu unerhörtes Understatement für ein Genre, das sonst seinen Fuhrpark-Fetisch zelebriert. Der Showdown des Videos zum gleichnamigen Track findet im Autohaus statt: Der Rapper retourniert den Wagen an einen verdatterten Verkäufer, der erkennen muss, dass die Probefahrt bloß genützt wurde, um günstig einen Videoclip zu drehen. So geht’s: Borgen statt stehlen – und nach der Spritztour einfach wieder zurückgeben. HipHop-Lifestyle in Vollkasko, ganz ohne gepanzerte Limousinen.
Das ist ziemlich zeitgemäß, denn was Jeremy Rifkin bereits im Jahr 2000 prophezeit hatte – »The Age of Access. The New Culture of Hypercapitalism« – verändert nun die Automobilität als solche. Immer mehr Menschen ist es nicht mehr wichtig, selbst ein Auto zu besitzen – sondern eines nutzen zu können, wenn sie es brauchen. Seit längerem setzt Carsharing.at (Denzel) auf dieses Prinzip. Seit Dezember 2011 bringt Car2Go (Daimler) Bewegung in den Spontanverleihmarkt. In Salzburg startete Rewe gemeinsam mit der Salzburg AG Anfang März ein Verleihservice. Demnächst gehen Angebote in Leibnitz und in der Buckligen Welt in den Testbetrieb.
Dabei ist dieser eher leidenschaftslose Zugang zum Thema Auto in etwa das Gegenteil der Formel, mit welcher der damalige ÖVP-Newcomer Sebastian Kurz bei der letzten Wien-Wahl punkten wollte: Sein »Geilomobil«, ein schwarzer Hummer-Geländewagen als Wahlkampfturbo, stand für nichts anderes als für Auto = geil. Der Erfolg war mäßig. Wobei die eigene Automobilität aber gerade ganz Jungen immer wichtiger erscheint. Dafür darf die Anzahl der Führerscheinneulinge als Indikator gelten: 2010 wurden um 1,5 Prozent mehr neue Führerscheine ausgestellt als 2009 (Statistik Austria). Konkret waren das 91.500 neue Lenkerberechtigungen allein 2010. Demgegenüber stehen 11.000 registrierte Carsharing-Kunden und jene 100.000 Kunden, die das Unternehmen gegenüber den Salzburger Nachrichten als Potenzial nannte.
»Menschen, insbesondere jüngere, sind heute pragmatischer unterwegs. Das Auto dient da nicht mehr so sehr dem Angeben, seinen Status in der Gesellschaft muss man nicht mehr mit der Zahl der Zylinder darstellen. Das wird heute durch andere Insignien dargelegt, durch Smartphones, wie man sich kleidet, welche Musik man hört«, sagt Wolfgang Grob von Opel. Nachsatz des Marketingmanns: »Opel baut aber ohnehin keine Statussymbole, sondern Autos die Spaß machen, umweltfreundlich und am letzten Stand der Technik sind.«
Ganz ausgeträumt hat ihn scheinbar aber auch MoTrip aus Aachen nicht, den Traum vom symbolträchtigen Schlitten. Anders lässt sich die Drohgebärde gegenüber seinem Gegenspieler kaum erklären: »Ich geh zu Fuß los und komm mit deinem Porsche nach Haus.«