Poétique Electronique machen nach eigenen Angaben "Neo Soul", der irgendwo zwischen Wien und Berlin angesiedelt ist. Wir haben uns mit Sänger Ben Auris über Weltschmerz, Kritik, Daft Punk und eigentlich eh Alles unterhalten.
Moritz Gaudlitz und Ben Auris, die Begründer von Poétique Életronique, geben ungern Dinge ab. Da wird selbst gemischt und gemastert; auch die Musikvideos werden von Ben selbst gemacht. Für Presse und Booking haben sie zwar Verstärkung, die EP "Imperfection of the Human Being" veröffentlichen sie am 30.5. aber in Eigenregie.
Ben ist gerade erst 24 geworden, hat aber eine Schlagseite für die “großen Themen”. Melancholie und Tiefgang, wird mit auf den Punkt gehauchtem Gesang, Harfen und Orgeln gefeiert. Den schlechtesten Zeitpunkt haben PÉ für Gefühle sicherlich nicht erwischt, zeichnet sich doch schon länger eine Hinwendung zum reduzierten Pathos im Pop ab. Auch wenn man gelegentlich das Gefühl nicht nicht los wird, das Ganze könnte ein bisschen kalkuliert sein, darf man gerne zu den Taschentüchern greifen; das Ergebnis überzeugt.
Es gibt zwei neue Mitglieder bei PÉ?
Ja, aber einer wird bald wieder austreten,weil er zurück nach Kanada geht. Wir haben aber einen Drummer in Wien, der nach Berlin zieht und seinen Part übernimmt. Und wir haben einen neuen, klassischen Pianisten. Sind dann also zu viert. Die EP ist aber in der ursprünglichen Zweierkonstellation entstanden.
Wie haben Moritz und du zusammengefunden?
Übers Studium sind wir Freunde geworden. Wir hatten beide viel mit Musik zu tun. Moritz hat elektronische Musik gemacht, aufgelegt, produziert und ich hab’ nur akustische, organische Sachen gemacht und mich von elektronischer Musik ferngehalten. Deswegen sind wir anfangs gar nicht auf die Idee gekommen, dass wir etwas zusammen machen könnten.
Eure Tracks auf Soundcloud, die vor der EP entstanden sind, laufen unter "Deep Pop", die Ep läuft unter "Electronic/ Neo Soul". Kannst du mir etwas über die Entwicklung des Sounds erzählen?
Wir machten irgendwo Pop-Musik, haben es vom Klang her sehr tief angelegt und haben es “Deep Pop” genannt. Es ist uns dann aufgefallen, dass das irgendwie bescheuert ist, als so junge Band. Wir haben das ja nicht so ernst gemeint, aber Leute haben uns dann schon gefragt, was wir uns da herausnehmen. Aber wir haben gesehen: Es gibt da feste Muster und Leute wollen eben bei ihren Mustern (Anm. Genremustern) bleiben also haben wir uns hingesetzt und uns überlegt, was es denn nun eigentlich ist. Der neue Sound ist viel souliger, elektronisch aber trotzdem noch. Mehr Bodenhaftung.
Wenn man dich zum Kategorisieren zwingen würde; wen würdest du von den bekannten Namen noch in den Neo Soul-Topf werfen?
Frank Ocean. Cody Chesnutt. Gut, die sind noch viel souliger. The Weeknd.
Ich hör gar kein The Weeknd, aber als ich es dann in der Produktion gehört habe, hab ich mir gedacht: Die haben eine ehrliche Art Songs zu schreiben. Chet Faker, der geht auch so in die Richtung. Den find’ ich sehr großartig.
Ich habe bei eurem Sound auch zuerst an Weeknd gedacht. Viele assoziieren euch mit The XX. Kannst du das nachvollziehen?
Bei unseren alten Songs versteh’ ich es schon, aber bei den neuen Sachen eigentlich nicht. Wir haben extra gegen diese Assoziation gearbeitet, weil wir es langweilig fanden, immer in einem Atemzug mit einer anderen Band genannt zu werden.
Assoziationen sind sehr positiv, wenn es kein Vorwurf wird. Das erste The XX-Album fand ich hervorragend. Das zweite – das war schon bitter, als ich das gehört hab’.
Das Sound- zu Text-Verhältnis bei euch für die Ep….
… Sound ist wichtiger. Die Texte sind ehrlich, aber nicht sonderlich poetisch. Ich mache ja auch Singer-Songwriter-Zeug, da tobe ich mich textlich ganz anders aus.
Dein Gesang ist sehr emotional angelegt…
Ist es auch pathetisch, ein bisschen?
Ja, ich finde schon. Ich würde sagen, es ist eine sexy Melancholie.
Wunderbar. Das ist doch das Schönste. Kann ich das nochmal sagen, und du zitierst mich?
Der Weltschmerzeinschlag ist schon stark vorhanden, das beginnt ja schon beim Cover der EP (Anm. siehe Foto). Euer Sound ist aktuell, nicht zeitlos. Das Gesamtbild wirkt streckenweise sehr kalkuliert.
Dass es zeitgemäß ist, find ich schön und vielleicht ist ja Pathos auch wieder ein bisschen zeitgemäß. Ich finde es so schade, dass man immer auf übermäßig cool machen muss, wenn man doch nicht verbergen kann, dass jeder Emotionen hat, auch beschämende… Weltschmerz und Romantik. Dadurch, dass wir die Songs nicht live also mit einer Band erarbeiten, sondern am Computer, wirkt das am Schluss vielleicht so kalkuliert…
…naja ihr habt offensichtlich Ahnung davon, wie Musik funktioniert. Bei der EP werden 14-jährige Mädchen weinen…
…wenn das passiert, dann bin ich happy.
Man kann an der EP ablesen, was mir im letzten Jahr passiert ist und ich bin da sehr Herz-auf-der-Haut-mäßig. Was mich kümmert, ist in einem Song. Ich hoffe also nicht, dass Leute es kalkuliert finden, denn dann wird eine wahre emotionale Reaktion auch nicht möglich sein. Wir machen keine Show, das ist ein Auszug aus unserem Leben. Über die Wirkung hat man dann keine Macht mehr. Das ist der Tod des Autors bei der Musik.