Wo vor kurzem noch Drogen verkauft wurden, soll ab 2013 ein räumliches „Quasifresko” das Bewusstsein der Passanten erweitern. Der Tiroler Künstler Ernst Caramelle gestaltet die Kunstpassage Karlsplatz.
„Es ist eine große Sache, einen solch zentralen Ort in einer Stadt zu besetzen“, sagt Ernst Caramelle. Eine permanente Arbeit des Tiroler Künstlers soll ab März oder April 2013 eine Problemzone am Wiener Karlplatz in neues Licht rücken und für „Wohlfühlatmosphäre“ sorgen, so Günter Steinbauer, Generaldirektor der Wiener Linien.
Derzeit ist die künftige „Kunstpassage“ zwischen Opernrondell und den U-Bahnabgängen im Bereich Resselpark wegen Umbauarbeiten gesperrt. Werden diese rechtzeitig abgeschlossen, dann ist sie ab August wieder passierbar. Caramelles weitläufige „Wandmalerei“ wird allerdings erst ab Frühjahr 2013 zu sehen sein. Mehrere Wochen wird der Künstler in situ selbst Hand an sein räumliches Aquarell legen und den „eigentlich viel zu niedrigen Schlauch und Tunnel“ neu gestalten, wie er am 4. Juni in einer prominent besetzten Pressekonferenz im Project Space der Kunsthalle ankündigte.
Passagen – Ein Fresko zum Fließen
Asymmetrische Farbfelder sollen entlang der gesamten Passage den Raum aus verschiedenen Blickwinkeln verändern und beim Passieren neue symmetrische Flächen und Felder entstehen lassen – transparent und opak zugleich. Gegen Vandalismus geschützt wird das „Quasifresko“ durch eine Glaswand, welche in etwa an derselben Stelle verläuft, entlang derer bislang die Glasfronten der eingemieteten Geschäftslokale verliefen. „Das Gehen wird thematisiert. Ich möchte, dass man beim Durchgehen etwas erlebt – und dass man nicht stehen bleibt“, erklärt der Künstler.
Es wäre durchaus problematisch, würde die Arbeit zum kontemplativen Verweilen und Innehalten inspirieren. „Mit seinen 200.000 täglichen Passanten ist der Karlsplatz eigentlich der größte Bahnhof des Landes“, so Wiener Linien-Chef Steinbauer. Der permanente Fluss muss durch das Kunstwerk im öffentlichen Raum also nicht nur nicht gestört, sondern im Idealfall auch noch verbessert werden.
Geladene Künstler
Erschwerend für die künstlerische Neugestaltung des Ortes war auch, dass die Passage unter das Eisenbahnrecht fällt. „Es waren also nur Arbeiten aus Stahl, Stein, Glas und Email zulässig. Alle anderen Werkstoffe waren verboten“, erklärt Wettbewerbsleiterin Bettina Leidl. Die nunmehrige Chefin von departure hat die Ausschreibung für den Wettbewerb noch in ihrer Zeit als Geschäftsführerin von KÖR – Kunst im Öffentlichen Raum gemeinsam mit den Wiener Linien auf Schiene gebracht. Ursprünglich hatte man neun Künstler eingeladen, sich Gedanken zu machen – darunter Lee Bul (Südkorea), Barbara Kruger (USA), Sarah Morris (GB), Sam Taylor-Wood (GB) und neben Caramelle mit Gerwald Rockenschaub und Markus Schinwald zwei weitere Österreicher.
In die zweite Runde waren drei Künstler geladen: Sarah Morris, Markus Schinwald und Ernst Caramelle. Sarah Morris’ Arbeit hätte für die Passage „ein großformatiges Fliesenkonzept vorgesehen, ein Spiel mit Fuge und Form“, so Architekt und Jury-Vorsitzender Adolf Krischanitz. Markus Schinwald plante neben der Passage eine Parallelwelt, eine Art leeres Diorama hinter Glas. Bei Eröffnung von Caramelles „Wandmalerei“ werden alle eingereichten Projekte im Rahmen einer Ausstellung gezeigt. Zusätzlich ist ein Katalog zur erfolgreichen „Vermählung der Kunst mit den Wiener Linien“ (Adolf Krischanitz) geplant.
Bemerkenswert: Mit Stolz merkte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny an, dass „der öffentliche Raum an dieser stark frequentierten Stelle bewusst nicht kommerzialisiert“ wird. Dass das nicht immer so geplant war, deutet eine Video-Visualisierung der Karlsplatzpassage aus dem Jahr 2010 an. Darin sind in einem Teilabschnitt Infoscreens eingezeichnet.