Zwischen seinem Spontankonzert für Flüchtlinge am Wiener Hauptbahnhof und dem abendlichen Auftritt im Konzerthaus trafen wir Glen Hansard zum Interview.
Das klingt danach, als wäre es angenehmer gewesen, außerhalb von New York zu arbeiten.
Nicht angenehmer, für mich war es einfach bequemer in Frankreich zu arbeiten, da es näher ist. Ich bin oft für die Aufnahmen von Dublin nach New York geflogen, da ich nicht gerne zu Hause aufnehme. Ich mache es zwar manchmal, aber ich versuche, mein Haus nur für meine Hobbys zu verwenden. Ich mache zwar Musik daheim, aber ich nehme dort nicht auf, weil das technische Equipment die Kreativität vertreibt. Die Songs sollen in einer natürlichen Umgebung entstehen, und danach kann man sie an einen anderen Ort zu tragen, um sie aufzunehmen. Daher bin ich für einen Teil der Aufnahmen nach Frankreich gegangen. Ein guter Freund von mir besitzt dort ein Studio am Land. Es ist ein wundervoller Ort in der Natur, es gibt da nichts zu tun, nicht mal eine örtliche Bar. Dort haben wir sehr viele Aufnahmen gemacht, es war sozusagen der Gegenpol zu New York, wo man den ganzen Tag abgelenkt werden kann.
Vielleicht hört man das auch in den Songs, viele davon sind sehr sanft und leise, manche wiederum energetischer.
Das Ironische daran ist, dass die leisen Songs in New York und die lauteren in Frankreich aufgenommen wurden.
Weil du gerade von Hobbys gesprochen hast, denen du in deinem Haus nachgehst, was für Hobbys sind das?
Oh, sehr simple Dinge, ich arbeite gerne mit Holz. Nicht auf sehr künstlerische Art, ich mache gerne Möbel, speziell Küchentische. Tische deswegen, weil sie eine sehr alte und simple Struktur haben, eine ebene Fläche. Den Küchentisch mag ich deswegen besonders, weil er in meiner Kindheit der Platz war, an dem ich alles gelernt habe, mehr als ich je in der Schule gelernt habe. Es war ein Platz, an dem sich alle versammelt haben, ein Ort der Kommunikation, der Diskussionen. Viele Erinnerungen sind damit verbunden, etwa Musik hören, das erste Mal mit Freunden einen Joint rauchen, der Tisch hat alles miterlebt und kennt alle Geheimnisse. Ich selbst mache gerne große Tische, wo etwa 10 Personen Platz haben. Als Kind mochte ich, dass der Tisch eine eigene Geografie hatte. Wenn man von oben ein Foto machen wollte, kein Künstler hätte Dinge perfekter arrangieren können, weil es das Leben dort platziert hat, hier die Blumenvase, dort die Bücher.
Kommen wir nochmal zum neuen Album, gibt es einen Song, der besonders wichtig für dich ist?
Der Song, der mir am meisten am Herzen liegt, ist “Paying My Way“, ein Song für meinen Vater, der stolz darauf war, immer seine Rechnung bezahlt zu haben. Für meine Familie war das eine große Sache. Für ihn hat es bedeutet, dass er frei sein konnte, er konnte trinken und tun, was er wollte, eben weil er alle Rechnungen bezahlt hat, da kann man wohl nicht viel dagegen sagen. Daher bedeutet mir der Song viel, da ich darin über meine Familie spreche. Auch Songs wie “My Little Ruin“ oder “Lowly Deserter“, wenn ich darüber nachdenke, sind eigentlich alle Songs über meine Familie (lacht). Auch wenn es in “Lowly Deserter“ um Revolutionäre geht, geht es irgendwie auch um meinen Vater, weil er nicht für uns da war, da er seine eigenen Probleme hatte.
Es gibt auch einen Song namens ”Didn’t He Ramble”, den ich nicht aufs Album gegeben habe, da ich ihn nie richtig fertig gestellt habe. Er sollte ein Tribut an meinen Vater sein, so als würde man das Glas auf seiner Beerdigung erheben und sagen: „Didn’t he ramble, and didn’t he roam, and didn’t he wander so far from home“. Ohne Verurteilung, nur als Statement, dass dieser Mann existiert hat und sein eigenes Ding durchgezogen hat. Der Lieblingssong meines Vaters war Frank Sinatras “My Way“, und das hat er auch wirklich getan.
Der Albumtitel bezieht sich also auf deinen Vater.
Ja, die Lieblingsbar meines Vaters hieß “The Ramble Inn“, daher kommt es eigentlich.
Wenn man deine Songs hört, hat man das Gefühl, dass sie sehr ehrlich und authentisch sind. Ist das für dich als Songschreiber wichtig?
Das ist so ein zweideutiges Wort, was ist schon authentisch und warum sollte etwas gelobt werden, weil es authentisch ist? Ich denke, alle Künstler sollten authentisch sein, selbst wenn deren Musik nicht ansprechend ist. Bekannt dafür zu sein, dass man authentisch ist, ist nicht genug, bekannt dafür zu sein, weil man gut ist, ist okay.
Es gibt einen Unterschied zwischen dem Kunsthandwerker und dem Künstler, und ich fühle mich wohler in der Rolle des Kunsthandwerkers, der ein Handwerk ausübt und dabei ein Level erreicht, das dem eines Künstlers nahekommt. Ich denke, man muss nicht leiden, um ein Künstler zu sein, sondern man muss sich seiner Arbeit wirklich widmen und verpflichten, und ich denke, das habe ich getan.
Im Musikvideo zu ”Lowly Deserter” sieht man in der Anfangssequenz, wie Kinder ein Bild von David Bowie anbeten. Gibt es einen Künstler, den du bewunderst?
Nun, Bowie ist sehr wichtig für mich, es war übrigens meine Idee für das Video, dass katholische Kinder zu ihm beten. Er ist kulturell gesehen, ein sehr interessanter Mann, er ist der Dylan der Popmusik. Und er ist eine ikonische Person, die Courage seines Looks, seines Auftretens. Er hat sich der Welt präsentiert, indem er für sich eine bestimmte Identität geschaffen hat. Ich habe ihn selbst nie persönlich getroffen, aber ich stelle mir vor, dass er privat ein bescheidener, solider Mensch ist. Aber er hat die Kraft des Images, der eigenen Position und Haltung verstanden, und er hatte außerdem die Songs, um das zu untermauern. Für mich ist er ein sehr inspirierender Künstler, und mir würde kein anderer Popstar einfallen, der eine so ikonische Figur ist wie Bowie. Er war und ist ein Idol für viele, daher die Idee, dass die Kinder ihn anbeten. Er kommt übrigens auch im nächsten Video vor (lacht).
Glen Hansard war für ein Konzert im Wiener Konzerthaus in der Stadt. Davor war er spontan am Hauptbahnhof, um ein paar Songs am #trainofhope zu spielen. Fotos davon gibt es hier.