Ercan hat genug von den immergleichen Rollen, die ihm als migrantischer Schauspieler angeboten werden: Terrorist, Obsthändler, Imam. Jetzt will auch er mal einen Nazi spielen, doch niemand in der deutschen Filmlandschaft nimmt ihn ernst. Daniel Holzberg ist mit »Triumph des Schauspielers« eine Kurzfilmkomödie über Typecasting gelungen. Der Film ist neu in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Wir haben den Regisseur zum Interview gebeten.
»Triumph des Schauspielers« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Triumph des Schauspielers«?
Daniel Holzberg: Die Logline trifft’s eh ganz gut, finde ich: »Ercan hat Migrantenrollen satt. Um nicht wieder einen Terroristen, Drogendealer oder radikalen Obsthändler spielen zu müssen, infiltriert der deutsch-türkische Schauspieler ein Casting für die Rolle von Hitler.«
Darüber hinaus geht’s um die bisherigen Erfahrungen von Ercan, der im Film ja auch Ercan heißt und den Hitler spielt, und mir mit der Branche, mit ihrer Absurdität, ihren reizvollen Seiten, ihren behaupteten Einschränkungen und ihren eigentlich endlosen Möglichkeiten. Schließlich handelt der Film auch von jemandem, der für seine Vielseitigkeit gesehen werden will und nicht in einen vorgefertigten Rahmen gesteckt werden möchte. Die Figur kämpft um das Gleiche wie wir oder Film an sich: die Erweiterung von Fantasie.
Flossen also auch Ercan Karacaylis eigene Erfahrungen als Schauspieler in die Geschichte ein? Ihr habt das Drehbuch ja gemeinsam verfasst.
Die Stelle im Film, wo Ercan gebeten wird, den schlechten deutschen Akzent zu verstärken, gab’s wirklich, ein Regisseur hat das mal zu ihm gesagt. Auch die Attitüde des vermeintlich erfolgreichen Darstellers, der acht Drehtage für ein Projekt als wenig abtut, gibt es. Viele Schauspieler*innen sind froh, wenn sie das im Jahr haben. Ansonsten kommt in der Branche die Haltung »Quatsch, das geht doch nicht« beziehungsweise die Fantasielosigkeit schon öfter vor. Nach dem Motto »Das werden sie/die dich nicht machen lassen«. Tarantino hat mal zu Techt gesagt: Wer sind denn eigentlich »die«?
Du bist ja selbst auch Schauspieler: Bist du auch schon nach Klischee besetzt worden? Und passiert das noch viel zu oft?
Selber hatte ich da bisher Glück. Typecasting hat immer zwei Seiten. Viele Schauspieler*innen regen sich auf, dass sie immer nur das Gleiche zu spielen kriegen und ihr Potenzial nicht gesehen wird. Andererseits verstehe ich die Regie- und Castingabteilung auch – beim Sichten von Showreels sucht man nach irgendeinem Beweis, dass die Person die Rolle verkörpern kann. Sie wollen ja die beste Besetzung und haben gar nicht immer Zeit, bei allen die Vielseitigkeit zu erforschen. Dafür gibt’s einfach zu viel Auswahl.
Schauspieler*innen mit Migrationsvordergrund haben da, denke ich, die größeren Schwierigkeiten als ich. Auch wenn Klischeebesetzung inzwischen mehr Thema ist, schwingt’s dann manchmal in die andere Richtung und ich höre: »Ja, den Kriminellen dürfen wir nicht mit so jemandem besetzen, das wäre ja schwierig.« Quatsch! Es kommt immer darauf an, wie man das Klischee behandelt. Wahrscheinlich hilft es, es erst mal zu akzeptieren, um es dann mit Fantasie zu brechen.
Eine Komödie über Riefenstahl und Hitler – begibt man sich da als junger Filmemacher nicht auch aufs Glatteis?
Da war am Anfang schon eine Angst, und mir war klar, dass es nur geht, wenn man es ernst nimmt. Recherche hat mir da mehr Sicherheit gegeben – was aber dann dazu geführt hat, dass die geschriebene Szene im Film mit Riefenstahl und Hitler erst mal wie eine Geschichtsstunde wirkte. In einer Schreibsession mit Ercan haben wir wieder mehr versucht, den Humor in der Situation zu finden, ab dann hat’s eigentlich nur noch Spaß gemacht. Das war aber ein Weg. Beide Gestalten, also Riefenstahl und Hitler, sind letztendlich auch nur ein Mittel der Provokation, die generell auf das Thema aufmerksam machen soll, auf die Art, wie Menschen in Schubladen gesteckt werden. Das geht dann auch weiter als der Bereich des Schauspiels.
Ercan Karacayli ist als Adolf Hitler wirklich bemerkenswert — bei der Casting-Szene am Ende des Films erschrickt man darüber, wie wuchtig sein Hitler rüberkommt. Wie schwierig oder einfach ist es, Hitler zu spielen? Wie hat Ercan diese Rolle angelegt und angenommen?
Beim Schreiben der Rolle hatten wir irgendwann einen ziemlichen Spaß. Danach ist ihm aber klar geworden, dass er diese Rolle auch wirklich spielen muss – eine große Herausforderung! Er hat sich quer durch die Bank alle bisherigen Hitler-Darstellungen angesehen. Seine Lieblinge waren am Ende, glaube ich, Charlie Chaplin, Taika Waititi und ein sehr unbekannter Schauspieler. Dann ging es um das Studieren der Körperlichkeit und der Sprache. Für Letztere hat Ercan hauptsächlich die Hitler-Mannerheim-Aufnahme (die Tonaufnahme eines privaten Gesprächs zwischen Hitler und dem Oberbefehlshaber der finnischen Armee, Carl Gustaf Emil Mannerheim; Anm.) hergenommen – wo Hitler vermeintlich in seinem »normalen« Sprachduktus zu hören ist. Gegen Ende ging es allerdings darum, das Erlernte mit einer Spiellaune zu sprengen, quasi das Klischee irgendwo auch wieder zu bedienen. Diese Mischung und seine Tagesform bilden die Darstellung im Film.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.