Umgeben von Natur, Wohnsiedlungen, Deutsch-Rap und zu wenigen Mädchen begibt sich der zwölfjährige Elias auf die Suche nach Zugehörigkeit und sich selbst. Die beiden Kunstuni-Linz-Studenten Dominik Galleya und Clemens Niel erzählen den Kurzfilm »Tauchen« authentisch, mit Feingespür und mitreißend-charmant ereignislos. Der Film ist neu in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Wir haben die Filmemacher zum Interview gebeten.
»Tauchen« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
Cinema Next: In euren eigenen Worten: Worum geht es in »Tauchen«?
Dominik Galleya & Clemens Niel: Im Film begleiten wir den zwölfjährigen Elias, wie er im Spätsommer auf der Suche nach Zugehörigkeit eine Gruppe älterer Jugendlicher trifft und versucht, sich mit ihnen anzufreunden. Für die Konzeption des Films haben wir vor allem unsere eigenen Kindheiten reflektiert. Dabei haben uns die verschiedenen möglichen Realitäten fasziniert, in denen Kinder aufwachsen können, welche Ereignisse prägend waren, ab wann sich Kinder ihrer eigenen sozioökonomische Klasse bewusst werden und wie sie damit umgehen.
Viele Kinder und Jugendliche können sich besonders mit dem im Deutsch-Rap vorherrschenden Narrativ identifizieren, welches glorifiziert, wie man alleine durch harte Arbeit und Treue zum Freundeskreis aus schwierigen Umständen ausbrechen kann. In diesem Spannungsfeld spielt unsere Geschichte.
Bereits in eurem vorherigen Kurzfilm »Oben bleiben« erzählt ihr von einem jungen Mann, dem das Leben etwas davonläuft. In »Tauchen« schauen wir einem noch jüngeren Burschen beim Erwachsenwerden zu. Was interessiert euch an Männergeschichten, jetzt speziell bei euren Filmen?
Ein Grund dafür ist sicher, dass wir aufgrund unseres Umfelds diese Geschichten halbwegs authentisch erzählen können und sie uns auch selbst betreffen. Außerdem hilft die Reflexion darüber, sich mit unserer eigenen toxischen Männlichkeit sowie gesellschaftlich dominierenden patriarchalen Systemen auseinanderzusetzen und diese zu kritisieren.
Ihr kennt vermutlich den hierzulande sehr erfolgreichen Kurzfilm »Erdbeerland« aus dem Jahr 2012 von Florian Pochlatko (der Film ist ebenfalls in der Cinema Next Series abrufbar; Anm. d. Red.), der auch die Sommergeschichte eines jungen Teenagers erzählt. »Erdbeerland« endet mit einem Motorradunfall und Schlagersänger Waterloo kommt dem Burschen zu Hilfe. In »Tauchen« wird der Junge nach seinem Fahrradunfall von einem Männerchor besungen. Hinkt ein Vergleich mit »Erdbeerland« oder war der Film für euch wirklich eine Inspiration?
Wir outen uns hiermit beide als große Fans von »Erdbeerland« und waren inspiriert von der authentischen Darstellung der Jugendlichen. Surreale Aspekte gab es in unserem Drehbuch von Anfang an. Wir hatten zum Beispiel überlegt, dass Elias mit den Postern seiner Vorbilder in seinem Kinderzimmer redet. Im Laufe der Drehbuchentwicklung fanden wir dann das wiederkehrende Motiv des Stagedivings passend und haben daraus die Szene mit dem Radunfall entwickelt. Weitere Filme, die uns massiv beim Schreiben beeinflusst haben, sind »Home« von Fien Troch sowie »Olla« von Ariane Labed.
Wie kam es eigentlich zu der oben erwähnten Szene, in der eine Männergang einen unerwarteten Choralgesang anstimmt?
Wir haben von Anfang an mit dem Gedanken gespielt, den Film mit gregorianischen Choralinterpretationen von Rap-Texten zu vertonen. Einerseits als Verweis darauf, dass die patriarchalen Strukturen, die im Deutsch-Rap stark ausgeprägt sind, nichts Neues sind. Andererseits sind natürlich Aneignung und Sampling auch bekannte Werkzeuge in diesem Genre.
Kurz vor Drehbeginn haben wir uns entschlossen, den Männerchor nicht nur auf der Tonebene, sondern auch im Bild einzubauen. Eine Überlegung dabei war, ein mögliches – vielleicht etwas überspitztes – Zukunftsszenario von Elias vorzuzeichnen.
Was ist eure Lieblingsszene in »Tauchen«, und warum?
Die Szene am Feuer liegt uns sehr am Herzen, weil fast der gesamte Dialog aus den Improvisationen bei den Proben mit den Jungs entstanden ist. Dabei haben wir gemerkt, dass die vier sich miteinander wohlfühlen und sich auch abseits des Drehs ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hat.
Ihr studiert Zeitbasierte Medien an der Kunstuniversität Linz, von der man eher experimentellere Arbeiten erwarten würde. Eure Filme sind aber, abgesehen von euren Musikvideos, sehr straighte narrative Filme. Was inspiriert euch als Filmemacher und Künstler und wohin wollt ihr mit eurer Filmarbeit?
Wir fühlen uns inspiriert von der Offenheit unseres Studiums und schätzen die nicht-kompetitive Atmosphäre. Für unsere letzten Ideen passte ein klassisch-narrativer Zugang, in Zukunft schließen wir aber auch nicht aus, wieder experimenteller zu arbeiten.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.