In »Frauenfragmente: Galila« und »Frauenfragmente: Gini und Resi« beobachtet Sophie Gmeiner ihr nahestehende Frauen mit »unkonventionellem Charakter, der immer wieder überrascht«. Die sehenswerten Filme – »Gini und Resi« wurde als bester Kurzdokumentarfilm bei der Diagonale’21 in Graz ausgezeichnet – sind neu in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Wir haben die Filmemacherin zum Interview gebeten.
»Frauenfragmente: Galila« (2019, 9 Min., dt. OV mit engl. UT) und »Frauenfragmente: Gini und Resi« (2020, 44 Min., dt. OV mit engl. UT) sind die nächsten Veröffentlichungen in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
Cinema Next: In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Galila« und »Gini und Resi«?
Sophie Gmeiner: »Galila« erzählt von einer Berliner Freundin und ihrer prekären Mietsituation, aber auch von anderen Wünschen und Ängsten, die sie als junge Frau umtreiben und die oft in Widerspruch zueinander stehen. »Gini und Resi«ist für mich in erster Linie eine Geschichte von zwei Schwestern, deren besonderer Dynamik und deren von Liebe und Vertrauen geprägter Beziehung. Und von zwei Frauen, die es irgendwie geschafft haben, trotz Schicksalsschlägen, Traumata und herben Enttäuschungen keine Bitterkeit in sich zu tragen, sondern erstaunlich viel Leichtigkeit und Humor.
Dem Leben der jungen Frau Galila widmen wir uns wirklich nur fragmenthaft in neun Minuten. Man könnte ihr aber noch länger zuhören und zuschauen. Mit Gini und Resi und ihrem liebevollen Schwesternverhältnis verbringen wir 44 Minuten. Du hast also für deine Filmfragmente unterschiedliche zeitliche, aber auch formale Zugänge gewählt – und hattest womöglich auch andere Bedürfnisse, von ihren Leben zu erzählen.
Mit der Reihe »Frauenfragmente« geht es mir darum, in meinen Augen faszinierende Frauen in meinem näheren Umfeld momenthaft einzufangen und ein ganz individuelles Fragment der Person zu erstellen. Deshalb muss auch der ästhetische Rahmen jedes Mal neu verhandelt werden: So unterschiedlich die Protagonistinnen sind, so unterschiedlich sollen auch die Formen, Methoden, Bildsprachen und Materialitäten sein. Auch die Länge variiert natürlich.
Bei »Galila« war z. B. sehr schnell klar, dass für mich das schwarz-weiße Super-8-Bild am besten mit ihrer besonderen Wohnung, diesem organischen, lebendigen Reich, das sie sich dort geschaffen hat, korrespondiert. Bei den Gesprächen, die wir führten, haben wir uns ziemlich treiben lassen. Ich habe sie nur sanft gelenkt und mich einfach auf Galila als Person und ihre Art des Erzählens eingelassen. Das war auch bei »Gini und Resi« so, aber natürlich ein insgesamt intensiverer Prozess, weil es die eigene Mutter und Tante sind, um die es hier geht. Hier hatte ich als ersten ästhetischen Ausgangspunkt meine Handyvideos der beiden aus 2018, die intuitiv entstanden waren. Mit diesen Aufnahmen musste ich also umgehen, sie konzeptuell im weiteren künstlerischen Prozess mitdenken. Ich wollte vor allem einen Weg finden, aus dem Homemovie-Stil rauszukommen, und ein visuelles Mittel finden, das über den privaten Mikrokosmos hinausweist. Das ist uns mit den 16-mm-Aufnahmen, die den Heimatort der Schwestern zum dritten Protagonisten machen, gelungen, finde ich.
Obwohl »Gini und Resi« länger ist – auch einfach, weil der Film zwei Personen porträtiert –, ist er für mich immer noch ein Fragment und präsentiert kein vollständiges Bild und keinen abgeschlossenen Eindruck der beiden Schwestern. Vieles bleibt offen, rätselhaft oder widersprüchlich.
Auf der Diagonale in Graz hast du mit »Gini und Resi« den Preis für den besten Kurzdokumentarfilm erhalten. Die Jury begründete das u. a. damit: »Aus dem Raum der privaten Lebensgeschichte heraus macht die Regisseurin hochpolitische Themen wie Pflege, Missbrauch und Inklusion sichtbar, die über diesen hinausweisen.« Sind deine Frauenfragmente für dich auch immer und automatisch politische Filme?
»Gini und Resi« verhandelt ja neben den genannten Feldern auch das Thema der eigenen Verletzlichkeit und was es z. B. bedeutet, als junge Mutter mit psychisch krankem Partner finanziell überleben und Entscheidungen fällen zu müssen. Mit den eigenen Erwartungen, Wünschen und Enttäuschungen zu kämpfen und zu erkennen, was auf der Strecke bleibt und wer immer für einen da ist. Im Grunde Fragen, die wir alle so oder ähnlich kennen, mit denen wir uns aber oft alleine fühlen. Ich wollte anhand dieser zwei sehr ungeraden Lebensläufe auch ganz einfach sichtbar machen: So haben es diese beiden Frauen gemacht – das ist ihre Geschichte. Bei Galila ist das ganz ähnlich: So lebt diese Frau, diese Ansichten hat sie, diese Probleme bewegen sie, das sind ihre Sehnsüchte, so boxt sie sich irgendwie durch. Alle drei sind Frauen, die auf die ein oder andere Art aus dem Rahmen fallen, anecken, nicht in klare Kategorien passen. Und das zu zeigen, also Personen sichtbar zu machen, die eine Abweichung von der gesellschaftlichen Norm darstellen in der Weise, wie sie sind, wie sie leben und denken – das ist für mich automatisch und inhärent politisch, ja.
Beide Filme sind sehr schöne Beobachtungen von charakterlich spannenden Menschen. Was interessiert dich in der Beobachtung von diesen Menschen und im Speziellen von Frauen? Wonach suchst du?
So unterschiedlich die drei Protagonistinnen meiner Fragmente bisher vielleicht sind, so sehr eint sie ihr unkonventioneller Charakter, der immer wieder überrascht. Es sind Frauen, die regelmäßig mit Erwartungshaltungen brechen und Widersprüche und Ambivalenzen in sich vereinen. Das finde ich spannend. Und dann versuche ich in erster Linie, mit dem Eindruck, den ich durch meine Filme von den Protagonistinnen vermittle, diesen auch gerecht zu werden. Mit Behutsamkeit und Respekt vorzugehen, nah an die Person ranzurücken, aber auch den Raum für Rätsel und offene Fragen zu lassen, die die Zusehenden dann bestenfalls noch länger beschäftigen sollen.
Du gibst beiden Filmen den seriellen Übertitel »Frauenfragmente«. Sind noch weitere geplant? Mit wem?
Es gibt bereits Überlegungen und eine Person, die mich sehr interessiert, an die ich aber noch nicht näher herangetreten bin. Ansonsten möchte ich eines meiner nächsten Fragmente am Grat zwischen Doku und Fiktion ansiedeln und hybrider arbeiten. Letztlich geht es mir ja nicht um den Dokumentarfilm als Form, sondern vor allem darum, Geschichten von und mit Frauen zu erzählen, da diese nach wie vor künstlerisch unterrepräsentiert sind.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.