Wird der Song »Why Not« der nächste große Hit werden? Der Filmemacher Tobias Pichler begleitet Filous und Florence Arman zu einem Songwriting-Camp in der Toskana und beobachtet die befreundeten Musiker*innen beim Schaffensprozess. Der Kurzdokumentarfilm ist neu in der Cinema Next Series kostenlos zu streamen. Wir wollten vom Filmemacher wissen, was er sich vom Camp erwartet und welchen Vibe er dort gespürt hat.
»Why Not« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert. Der Film ist bis inklusive 15. Mai 2021 online verfügbar.
Cinema Next: In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Why Not«?
Tobias Pichler: Es geht um die Entstehung eines Popsongs auf einem Songwriting-Camp in der Toskana, vor dessen Hintergrund die künstlerische Beziehung zwischen den beiden Musiker*innen Filous und Florence Arman beobachtet wird.
Mit den beiden scheinst du freundschaftlich verbunden zu sein, sonst wäre so ein persönlicher Film nicht möglich. Woher kennt ihr euch?
Zum ersten Mal bin ich Florence vor etwa acht Jahren im Zuge einer sehr lustigen Livevertonungsveranstaltung im Innsbrucker Cinematograph begegnet. Dort hat sie neben anderen lokalen Musiker*innen gemeinsam mit ihrem Bruder Sebastian eine Sequenz aus einem schnulzigen Film musikalisch neuinterpretiert. Seitdem sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen. In Wien habe ich sie dann zufällig bei einem Konzert getroffen, das sie gemeinsam mit Matthias (Filous) besucht hat. An dem besagten Abend haben wir pseudointellektuelle Unterhaltungen über Werner Herzog und seine Filme geführt. Seitdem sind wir befreundet. Im Zuge einiger Musikvideos, die ich danach für Matthias gemacht habe, hat mich interessiert, wie seine Songs (an denen Florence auch oft mitgeschrieben hat) eigentlich entstehen, und habe so von den Writing-Camps erfahren.
Im Film spürt man die Energie und Positivität, die in so einem Songwriting-Camp herrschen. Vermutlich gibt es auch Musiker*innen, die nicht so gut miteinander können oder mit ihren Songs nicht weiterkommen. Bist du auch auf solche Momente gestoßen und wie bist du, als Filmemacher, damit umgegangen?
Ich bin immer davon ausgegangen, dass künstlerisches Arbeiten eine Auseinandersetzung mit sich selbst und damit ein äußerst intimer Prozess per se ist. Dass Musiker*innen mit den unterschiedlichsten künstlerischen und persönlichen Hintergründen unter einem Dach zusammenkommen und eine Woche lang jeden Tag ganz entspannt einen Song nach dem anderen schreiben, ohne aneinanderzugeraten, konnte ich mir nicht vorstellen. Im Camp Kimono habe ich dann erfahren, dass diese Form des kollaborativen Zusammenarbeitens nur deshalb funktioniert, weil dem ein unausgesprochenes Gesetz zugrunde liegt. Dieses besagt, dass keine negativen Energien im Schreibprozess bzw. im Camp Platz haben. Wenn also jemandem etwas nicht gefällt, würde man einfach direkt versuchen, einen besseren Vorschlag zu liefern, ohne die Kritik auszusprechen. Im Film wird dieses »Gesetz« gebrochen, weil Matthias und Florence in einem intimeren Verhältnis zueinander stehen und bereit waren, mich an ihrem offenen künstlerischen Austausch teilhaben zu lassen.
Enstehen in so einem Umfeld, das sich auch ein bisschen wie Urlaub anfühlt, manchmal wirklich die großen Hits, die wir dann täglich im Radio hören werden?
Einige Songs aus Ed Sheerans »Divide«-Album sind zum Beispiel in einem ähnlichen Rahmen entstanden. Den meisten Teilnehmenden im Camp Kimono war es grundsätzlich wichtig, dass sich die positive Grundeinstellung in der Umgebung widerspiegelt. Matthias hat zum Beispiel viel Zeit damit verbracht, sein Studio möglichst liebevoll und gemütlich mit persönlichen Details zu gestalten. Die richtige Atmosphäre hat für ihn einen sehr hohen Stellenwert im Schreibprozess. Nichtsdestotrotz gibt es bestimmt genügend andere Künstler*innen, die darauf wenig Wert legen.
Du hast vermutlich zum ersten Mal ein Songwriting-Camp begleitet. Mit was hättest du überhaupt nicht gerechnet?
Ich habe im Vorhinein mit Florence und Matthias darüber gesprochen, wie so etwas abläuft und war relativ gut vorbereitet, habe aber insgeheim auf eine gewisse »Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll«-Attitüde der Teilnehmenden gehofft. Dass ich dort auf Menschen treffe, die früh schlafen gehen und noch früher aufstehen, um ihren Fitnessplan durchzuziehen bzw. teilweise keinen Alkohol trinken, war wirklich enttäuschend. Selbstoptimierung macht offensichtlich wirklich vor niemandem halt. 🙂
Mit »Why Not« nimmst du dir einiges vor: dem Schaffensprozess von Musiker*innen zuzuschauen, deren Inhalte und Persona oft von Agenturen und Labels betreut und auch geschützt werden. War das ein Problem bei der Fertigstellung des Films?
Völlig egal, welche Art von Kunst: Als Konsument*innen kommen die meisten von uns immer nur mit dem fertigen Ergebnis in Berührung. Die unzähligen Versionen und Entwürfe, die notwendig waren, bis Künstler*innen zur finalen Version ihres Werks gefunden haben, finden natürlich nie ihren Weg an die Öffentlichkeit. Genauso wenig wie die Werke, die letztlich gar nie veröffentlicht wurden. Mit diesem Film zeige ich, wie und warum ein etablierter und international erfolgreicher Produzent an seinem vermeintlich großartigen Song zu zweifeln beginnt. Ob so ein Einblick für die Außenwahrnehmung von Musiker*innen förderlich ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Ich finde dieses Thema jedenfalls sehr interessant und bin froh, diesen Einblick bekommen zu haben. Auch die Fertigstellung wurde letztlich von keiner Seite verhindert. Klar ist aber auch, dass ein Film über die Entstehung eines großen Hits ganz anders von der Musikindustrie wahrgenommen werden würde.
Welche ist deine Lieblingsszene in »Why Not« und warum?
Ich liebe die Szene, wenn Matthias Florence zum ersten Mal seinen kurz vorher geschriebenen Song vorspielt. Diesen Moment kenne ich aus meinem Filmschaffen nur zu gut. Wenn der Mensch, dessen Meinung man am meisten schätzt, zum ersten Mal ein Urteil über die eigene Arbeit abgeben soll und man dann nicht das Feedback bekommt, das man sich gewünscht hat. In diesem Moment habe ich mit Matthias gezittert und war froh, dass ich mich hinter meiner Kamera verstecken konnte.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.