Jenseits von Afrika

Afrika ist in wieder im Indierock angekommen. Man spielt sich mit afrikanischen Formen, versucht dabei ein bisschen weniger auszubeuten und den Untiefen von World Music auszuweichen.

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So klang Afropop im Jahr 1961: Die Tokens jodelten „The Lion Sleeps Tonight“. Ihr Afropop hatte damals ähnliche Legitimationsprobleme wie einige Indie-Bands heute. Fool’s Gold, The Very Best, Foals oder Vampire Weekend machen aber auch vieles richtiger als vor 50 Jahren. Afrika ist da. Aber lass uns noch nicht von Geld reden.

Das Geld kommt in dem interkontinentalen Dialog meistens zu kurz. Das erwähnte „The Lion Sleeps Tonight“ zeigt wie es nicht geht. Der Song wurde 1939 vom Südafrikaner Solomon Linda geschrieben. Für die Coverversion der Tokens und für die Verwendung im Disney-Epos „The Lion King“ (1994) hat seine Familie erst nach zähen Anstrengungen einen kleineren Teil seiner rechtmäßigen Tantiemen bekommen. Der Fall ist vor dem Richter eindeutig, die Melodie klar wiedererkennbar. Nicht so einfach ist das in Stilfragen. Auf Synkopen, Stakkato-Gitarren und eine Kammer voll mit Percussions-Klingklang gibt es kein Copyright. Selbst wenn sie wollten, all die Indie-Bands, die derzeit mit afrikanischer Musik hantieren, experimentieren, berühmt werden, könnten gar keine konkreten Personen an den Früchten ihrer Ideen beteiligen. Und genau darum geht es ja in der (post-kolonialen) Ausbeutungsdebatte, nämlich etwas zurück zu geben. Nun, das funktioniert hier nicht. Und dann gehört es in der Musik außerdem ganz selbstverständlich dazu, sich Ideen zu leihen, sie neu zu kombinieren, zu adaptieren und aus kulturellen Missverständnissen große Kunst zu machen. Von Chicago nach Johannesburg, von Lagos nach Oxford, von Düsseldorf nach Detroit. Das funktioniert in alle Richtungen. Nur scheinen Menschen mit weißer Hautfarbe eine besondere Schwäche dafür zu haben, das Ergebnis dann in große Geldhaufen zu verwandeln.

Strahlkraft

Afrika ist jedenfalls seit cirka zwei Jahren wieder deutlich sichtbar. Im Mainstream, im Underground. Im Hip Hop, im Indierock. Mit Samplern, WM-Compilations, aber auch einer Reihe von afrikanischen Artists, die auch außerhalb des Weltladens funktionieren. Über die Gründe kann man nur spekulieren, sie haben aber nicht nur mit der allerersten Fußball-WM auf afrikanischem Rasen zu tun. Der Präsident der USA ist erstmals schwarz und das hat Strahlkraft. Genauso wie hervorragende Musik. Bands wie Yeasayer, Surfer Blood oder El Guincho klopfen mittlerweile immer häufiger auf Congas, Agogôs und allerlei Trommelhölzer. Das hilft, wenn man einerseits von den Gitarrenposen der letzten Jahre Rock genug hat, aber auch, wenn man schuften, wenn man etwas zum Knüppeln haben will und lieber Musik mit der Hand als dem Trackpad eines Laptops macht. Afrika mag außerdem eine Projektionsfläche sein, das für Natürlichkeit steht, eine Welt abseits surrender Maschinen und Netzwerke, etwas Authentisches, etwas, das Folk eigentlich auch sein könnte, wenn der in letzter Zeit durch seine schiere Überfülle nicht so verdammt profillos geworden wäre.

Rezepte gegen die Echtheit

Afro-Indie will zwar roh sein, aber zumindest nicht authentisch afrikanisch. Die kalifornischen Fool’s Gold machen sich mit Selbstironie weniger angreifbar. Die Ruby Suns lassen ihre afrikanischen Zutaten in einem Bottich voll mit globalisierten Klangschattierungen schmelzen. Foals haben auf ihrem neuen Album „Total Life Forever“ ihre polyrhythmische Fingergymnastik deutlich reduziert. Und die südafrikanischen Blk Jks veröffentlichen rechtzeitig zu ihrem Eröffnungskonzert der WM am 10. Juni (mit John Legend, Tinariwen, Alicia Keys, Black Eyed Peas oder Shakira) eine EP mit sehr hybriden Tönen auf dem US-Traditions-Label Secretly Canadian. Die Wege dorthin sind sehr unterschiedlich. Aber alle entgehen den üblichen Afrika-Klischees von Sonne, Sex und Savanne oder andrerseits Afrika als dereguliertes, chaotisches Ödland, ja mehr noch. Sie tragen echten Respekt für den ärmsten aller Kontinente in sich. Afro-Indie sorgt bei allem mörderischen Macht- und Geldgefälle ein Stück weit für Integration, dafür, dass die elfenbeinerne Sonne auf auch auf deinem MP3-Player aufgeht. Heuer in noch prächtigeren Farben und Tönen.

Alben mit Afro-Indie drauf: Vampire Weekend „Vampire Weekend“, Fool’s Gold „Fool’s Gold“, Foals „Antidotes“, Local Natives „Gorilla Manor“, El Guincho „Alegranza“, Ebony Bones „Bone of my Bones“, Discovery „LP“, Blk Jks „Zol!“, Yeasayer „Odd Blood“, Surfer Blood „Astro Coast“, Ozomatli "Fire Away", Annuals "Sweet Sister".

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