Jesus am Windkraftkonverter – das Debüt von Chryst nagelt den einen Heilsbringer an den anderen Heilsbringer. Ein voreingenommener Vorbericht.
Nepotismus. Genau. Chryst ist mein Bruder. Also auch auf dem Papier. 16 Jahre Tür an Tür groß geworden. Chryst ist auch der Sound meiner Jugendjahre und allein deshalb kann ich das nur großartig finden. Nepotismus also, na und? Heißt ja nicht, dass ich nicht auch so drüber schreiben könnte. Würde aber normalerweise heißen, dass ich nicht drüber schreiben würde. Tu ich aber. Über Chryst.
Chryst ist die Wiedergeburt von Korovakill. Diese Tiroler Metalband hatte damals schon ihrem ehemaligen Namen „Korova“ ein „Kill“ hintangestellt, weil man sich selbst im Avantgarde Metal nicht einfach weiterentwickelt, sondern die alte Haut schmerzhaft abziehen und ein Rest – das „Kill“ – für alle sichtbar wie eine ehrlich verdiente Narbe tragen muss. Aus Korova wurde Korovakill und aus Korovakill wird nun also nach langjähriger Pause Chryst; und Chryst dreht die übliche Ästhetisierung von Tod und blutigen Grenzüberschreitungen nun komplett um und stellt statt radikalisierten Individuen und ihre Phantasmagorien etwas ganz anderes auf das Cover: ein Heilsversprechen, einen Erlösungsmythos. Es ist nicht nur ein sehr lustiges, nein, sondern eigentlich ein fantastisches Cover – finde übrigens nicht nur ich, sondern eine Reihe von Leuten, die meinem Bruder wiederum selbst sehr nahe stehen.
Eine Trinität aus wahngütigem Chryst, Christ am Windrad und einem heiligen Goldfisch ist da abgebildet. Der Kreuzigungsberg Golgotha wird zu einem ausgetrockneter Wüstenplanet, der Heiland ist ans Symbol der nachhaltigen Erlösung, an ein Windrad, gekreuzigt. Dahin ist die Zeit, in der Metal, genauer: Avantgarde Metal, seine barocke Verfeinerung, seine Überlegenheit durch aufwendiges Grafik Design mit haarklein ausgemessenem Artwork und Logo demonstrieren musste. Hier findet quasi eine Revolution der Nachhaltigkeit und der Effizienz statt. Und eine Demokratisierung der Mittel, ein absichtliches und bewusstes Statement, das den einfachsten Photoshop-Filtern und Power Point-Werkzeugen den Vorzug vor Tusch-Illustrationen und Hi Tech-Dürer gibt.
Das Album „Phantasma Chronica“ wirft Dogmen harter, metallischer Musik über Bord und bringt frischen Wind und viele lustige Wolken in das sonst so innovationsfeindliche Metal-Kuriositäten-Kabinett. Ein „Dekonstruktion des Abendlandes“ soll es werden, heißt es da im Pressetext – den ich übrigens erstaunlicherweise nicht geschrieben habe. Ja, das hätte dieses Abendland auch dringend nötig, wenn man auch nur kurz den Krach an allen Enden der Europäischen Union und in den USA denkt. Ach, super wird das, Chryst Erlöser; sagt zumindest mal dein Bruder.
"Phantasma Chronica" sollte ursprünglich am 2. September erscheinen, tut es vielleicht auch immer noch, vielleicht aber auch erst eine bisschen später im September. Definitiv aber September. Das Label dazu heißt Omniversal Records.