Kauziger Dubstep aus Wien

Waelder – das ist die kauzige Variante der von Dubstep und Hypnagogic Pop beeinflussten elektronischen Musik aus regionaler Zunft. Am Donnerstag feiert das Duo live seine erste EP im Spice.

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Jan Preißler und Moritz Nahold aus Wien haben sich erst im Frühjahr diesen Jahres als „Waelder“ zusammen getan, aber ihr musikalischer Output lässt schon auf Größeres hoffen: Nach einer Tour durch Deutschland, Polen und Österreich geht es nach der Feier des Release ihrer ersten EP am Donnerstag im Spice auch gleich weiter auf Deutschland-Tour Nummer Zwei. Ein Konzert am 29. Dezember im Rhiz bildet vorerst das Schlusslicht. Eine kurze Winterpause verschafft etwas Zeit um am Album weiter zu feilen und eine Tour durch Europa schließt sich im Februar an. Das Duo mit musikalisch feinstem Handwerkszeug und einem Faible für Genre-Grenzgänge ist also auf dem besten Wege, in Österreich und Deutschland gleichermaßen bekannt zu werden. Ihre EP „Firn“ erscheint auf Vinyl. Vier Tracks entlockt die Nadel dem Material.

„Firn“

Eine fragil vibrierende Stimme leitet den gleichnamigen Titelsong ein: „I got to break my own worlds, going to fate.“ Fragilität in ihrer schönsten Form trifft auf einen tief vibrierenden Orgelklang – die Atmosphäre öffnet sich, der Hallraum voller Tiefe und flirrend hoher Stimmen erinnert an Hypnagogic und andere, dunklere Elektronik-Pop-Welten, wie sie etwa Forest Swords komponiert. Zu dem bereits hoch emotionalen Arrangement gesellt sich eine fein abgestimmte, rhythmische Geräuschkulisse, sodass man zugleich tanzen, feiern, lachen und weinen will. Verfrüht endet der Track, bevor es ein Song wurde; geht zurück in die Stille.

Genauso mit dem zweiten Stück, das sich Samples von tiefem und schleppendem Sprechgesang bedient. Das erfüllende Gefühl mit einem Track wirklich „zum Höhepunkt“ zu kommen, vergönnt erst die B-Seite der EP. „381“ beherrscht die Mischung zwischen Dubstep – der zugleich im Bauch wummert und zwischen den Ohren knackt – und atmosphärischem Chillwave perfekt. Der Bass ist ein trockenes Pulsieren, ein rein maschinelles, pumpendes Signal. Der letzte Track, „Tugend“, beweist es uns noch einmal, aber ganz anders. Hier pocht der Bass akustisch, freundlich im Off-Beat dahin. Glitzernde Becken legen sich zusammen mit Jans Stimme – die ein süßlich sanft-hohes „Oh“ entgleiten lässt – zur Club-Kuschel-Atmosphäre hin.

Avantgarde vs. Fame?

Was ist das nun – Dubstep, Pop oder Avantgarde? Kommt man live in den Genuss, sieht man, dass Waelder eher wie Handwerker, wie ernsthafte Sound-Engineers der avancierten musikalischen Schulen wirken. Sie schrauben, tasten und zupfen so konzentriert an ihren Instrumenten – eher wie Musik-“Denker“ denn als Songproduzenten. Man begreift schnell: hier geht es nicht nur um Selbstverwirklichung und Club-Fame, auch wenn ihre Musik dazu taugt. Es geht vielmehr um den „Sound itself“, die perfekte Mischung und die Entdeckung neuer Klänge und Strukturen.

Für das süße Alter von Anfang 20 ist ihre Musik beinah zu avanciert, aber kein Wunder: Seit frühester Kindheit haben beide mehrere klassische und elektrische Instrumente von der Pike auf gelernt und atmen quasi Musik statt Luft und Liebe – wie Techno-Helden oft angedichtet wurde. Bei so viel Erfahrung ist es auch nicht verwunderlich, dass sie das Neue, Unerschlossene und Exotische oft am meisten interessiert, also Genres wie Noise, Weird Folk oder Drone – die kanadische Band Nadja sei stilprägend gewesen. Auf „Firn“ – ihrer ersten EP – wurden solche Ausflüge und Instrumentalpassagen aber ganz bewusst ausgespart. Das können sie also auch noch: Tracks produzieren, die den Hörer mitnehmen.

Zwischen Sound-Art und echten „Hits“

Am Donnerstag dürften Drone-Träume und Noise-Bäder wieder erwachen – wie auch im neuen Video zum Song "Patrimonial" zu hören. Auf der EP liegen diese Einflüsse wie ein mysteriöses Unbekanntes im Unterholz des Sounds, der – so fühlt es sich an – nur allzu gern in den Vordergrund zurück kippen würde. Anfänge und Ausklänge der Tracks bleiben oft verliebt auf Geräuschen hängen, wie flatterndes Papier, Knistern und Knattern oder spielen mit Hallräumen und Samples. Waelders Geräuschkulisse ist tanzbar, aber nie platt und abgedroschen, verträumt und spannend zugleich, weil hier neu entdeckte Töne akustischer und elektronischer Herkunft verwoben werden. Sie sind weniger "engmaschig" und artifiziell als beispielsweise Kwes‘ Geräuschteppich, eher so experimentell und luftig arrangiert wie bei B. Fleischmann.

Und was soll man nun von dem fragmentarischen Charakter der ersten beiden Tracks halten? Man könnte darin das Unvermögen sehen, einen echten „Hit“ zu fabrizieren. Oder aber – und das passt viel eher zu Waelder – eine etwas kauzige Distanzierung von konventionellen Arrangements, die es längst auch im Dubstep schon gibt. Waelder sind eher Sound Artists als Dubstep-Produzenten. Sie sind immer auf der Suche nach dem "anderen" perfekten Klang.

Die EP „Firn“ erscheint am 28. November. „Firn“ Release mit Waelder und Aiko Aiko am 28. November im Spice in der Faßziehergasse 1, Wien 7. Eintritt: freiwillige Spende

Die EP Firn im Stream auf Bandcamp

Mehr Infos und Musik im Stream auf Facebook und unter:

www.waeldermusic.com und www.soundcloud.com/waelder

Bild(er) © Simon Steinberger, Paula Tschira, Michael Zahnschirm, Theresa Lipp, Simon Steinberger
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