Mit »Mere Illusions« liefert die Wiener Band Ernst ein Album voller Brüche, Widerstand und zarter Wut.

Zwischen Virginia Woolf und queer-feministischem Rage öffnen Ernst liebevoll ihr Märchenbuch und erzählen von ihrem Misfit-Lifestyle in Dunkelrot. Das neue Album »Mere Illusions« packt dabei Wut, Grunge und eine Prise Melancholie in zehn Tracks und lässt uns mit jeder Zeile tiefer in ihre Welt eintauchen. Ernst, das sind Nicole Salomon, Daniel Courtney, Ralf Grabuschnig, Elias Marte und Philipp Demuth. Zusammen greifen sie tief in ihren Ideenfundus und pressen ihre Message in kantige Dreiminüter, deren Geschichten weit über die fünfköpfige Band hinausgehen.
Kein Platz für Phrasen
Ernst machen dabei Spaß, ohne flach zu sein und sind ernst, ohne pathetisch zu werden. Die punkige Attitüde kickt schon in »The Maze« los und verliert bis zum Schlusstrack »The Museum« nicht an Drive. Ob Labyrinth oder Museum, Ernst zeigen, dass kein Ton »Umsonst« ist und enden trotz bilingualer Fahrbahn nicht im Gestrüpp aufgeblasener Worthülsen. Nein, wenn Nicole Salomon Worte ins Mikrofon schmettert, dann glaubt man ihr. Statt selbstgefälliger Phrasen gibt es präzise gesetzte Brüche, die den Songs Widerständigkeit und Nachhall verleihen. Und hätte Virginia Woolf hundert Jahre später gelebt, dann hätte auch sie wahrscheinlich Ernst gehört.
Eine andere Realität
»Mere Illusions« klingt zunächst nach Täuschung, nach etwas, das sich in Luft auflöst. Doch was die Band hier entwirft, sind keine Illusionen, sondern Visionen einer Utopie, die eigentlich vor unserer Nase liegen sollte: radikal ehrlich, voller queerer Fürsorge und der Möglichkeit, sich eine eigene Sprache jenseits normativer Entwürfe zu schaffen. So entsteht ein Sound zwischen Tagebucheintrag und Revolutionsaufruf, roh, poetisch und unbequem. »Mere Illusions« ist kein Eskapismus, sondern Konfrontation – mit sich selbst, mit der Welt, mit dem, was uns geformt hat. Und gerade darin liegt die Schönheit dieses Albums: in seinem Mut, weich zu sein, ohne je leise zu werden.

Das Album »Mere Illusions« von Ernst erscheint am 25. April 2025 bei Raspberry Soda Records.
Live: 29. April, Wien, Flucc