Während dem Festivalsommer seine heiße Phase noch bervorsteht, hat Mayrhofen den alljährlichen Ausnahmezustand längst hinter sich: Zum Ausklang der Wintersaison trafen sich heuer bereits zum siebten Mal 5.000 größtenteils englische Musik- und Schneebegeisterte zum kollektiven Freak-out namens Snowbombing. Festivalorganisator Gareth Cooper im Interview.
Den meisten heimischen Festivalbesuchern dürfte Snowbombing eher unbekannt sein – nicht zuletzt wegen seiner Ausrichtung auf den englischen Markt. Wie ist das Festival eigentlich entstanden?
Es gibt jede Menge Festivals, aber keines, das auf Schnee stattfindet. Immer wenn wir auf Skiurlaub waren, gab es nichts, was man abends hätte tun können. Die Musik, die es da zu hören gab, war wirklich schlecht. Also hab ich mir gedacht: Warum nicht ein paar Freunde zusammenholen, gemeinsam auf Skiurlaub fahren und jede Nacht ein paar DJs auflegen lassen? So hat es vor elf Jahren begonnen.
Welche Größenordung hat das im ersten Jahr gehabt?
250 Leute sind damals dabei gewesen, also nur ein enger Kreis von Freunden und Kollegen. Nach zwei Jahren in Risoul, in Frankreich, sind wir in die Schweiz gegangen. Danach noch mal ein Jahr nach Frankreich und jetzt sind wir mittlerweile das sechste Jahr in Mayrhofen – das bei weitem der beste Platz ist, an dem wir bislang gewesen sind. Österreichische Skigebiete haben meiner Meinung nach den Vorteil gegenüber französischen, dass ihre Infrastruktur eine andere ist. Sie sind nicht extra aus dem Boden gestampft worden. Das heißt, man hat eine größere Auswahl an unterschiedlichen Hotels und Apartmenthäusern und eben nette kleine Städte wie Mayrhofen. Wir erhalten hier sehr viel Unterstützung von der Gemeinde und vom Tourismusbüro.
Es ist wohl nicht gerade leicht, einen Ort für ein Festival dieser Art zu finden?
Absolut. Das beginnt schon bei der Infratruktur, etwa was die verschiedenen Arten von Unterkünften betrifft oder auch die Venues. Wir haben hier in Mayrhofen Venues für bis zu 2.500 Leute, das gibt’s nicht oft – und außergewöhnliche Möglichkeiten wie Iglus oder die Forrest Party, für die The Prodigy gebucht wurden.
Wie sieht es denn mit der Kapazität des Festivals aus?
Mehr als 5.000 Leute kommen zum Snowbombing nach Mayrhofen.
Und die meisten davon aus England?
Zur Zeit, ja. Unser Sponsor Volvo möchte Snowbombing verstärkt zu einem europäischen Event machen, und im Verlauf der Zeit könnte es sich tatsächlich dazu entwickeln. Wir haben uns im Rest Europas bislang aber bewusst zurückgehalten, weil wir das Festival allein mit englischen Besuchern locker ausverkaufen. Doch mehr und mehr Leute aus den verschiedensten Teilen der Welt kennen die Veranstaltung mittlerweile.
Nicht nur viele Snowbombing-Besucher, sondern auch viele Mitarbeiter sind Engländer.
Unsere Produktionscrew und unsere technische Crew kommen aus England, aber wir binden auch die ortsansässige Bevölkerung stark ein. Und klarerweise arbeiten wir eng mit lokalen Unternehmen zusammen. Alle Skiverleihe sind ausgebucht, alle Restaurants, alle Bars – wir bringen viel Geschäft in die Stadt.
Gibt es auch negatives Feedback seitens der Einheimischen?
Vielleicht ein oder zwei Prozent der Rückmeldungen sind negativ. Die überwiegende Mehrheit sagt aber, dass das großartig ist, dass die Leute, die wegen des Festivals in die Stadt kommen, auch wenn sie betrunken und überdreht sind, nett und freundlich bleiben. Ich habe erst kürzlich eine Mail vom Tourismusbüro erhalten, in dem man sich dafür bedankt, dass wir hier in Mayrhofen sind. Jeder Hotelbetreiber, mit dem wir sprechen, findet nur gute Worte für die Snowbombing-Gäste.
Seit letztem Jahr arbeitet ihr mit Volvo als Festivalsponsor. Was dabei auffällt ist, dass die Einbindung des Sponsors gut umgesetzt ist und immer einen Mehrwert für die Besucher bietet.
Wir haben eine wirklich gute Partnerschaft mit Volvo, entscheiden gemeinsam, wie wir sie als Sponsor integrieren. Der Großteil davon findet bereits vorab statt. Beim Event selbst gibt es dann spezielle Volvo-Venues – etwa den Caraoke Club. Volvo trägt seinen Teil dazu bei und ermöglicht es uns so, Acts wie The Prodigy zu buchen. Das Produktionslevel beim Snowbombing ist wirklich hoch, deshalb ist es auch für alle, die hier sind, ein gute Veranstaltung. Für die Besucher, aber auch für die Bands und die DJs. Die Acts bleiben auch gerne länger hier und reisen nicht gleich nach ihrem Auftritt wieder ab. Uns geht es darum, Snowbombing so familiär wie möglich zu gestalten, als ein Festival, bei dem die Leute mit ihren Idolen abhängen können. Fatboy Slim sagt zum Beispiel, dass Snowbombing sein absolutes Lieblingsfestival ist – wegen der Athmosphäre. Beim Publikum wird die Stimmung mit jedem Tag noch besser, weil sich die Leute gegenseitig schon ein wenig kennen. Das spüren auch die Acts.
Könnt ihr in England auf ein großes Netzwerk zurückgreifen? Ihr habt ja einige namhafte Acts im Line-up.
Wir haben ein recht gutes Netzwerk, kennen viele Bands und Booker. Es geht vor allem darum, ein Event zu kreieren, bei dem die Leute dabei sein wollen. Prodigy wollten hier auftreten – das war ihnen wichtiger als ein hohe Gage. Die Idee im Wald zu spielen hat ihnen gefallen. Ganz ähnlich verhält es sich bei den meisten Acts.
Veranstaltet ihr noch andere Festivals?
Ich bin bei ein paar anderen Festivals involviert, etwa bei einem mit einer Kapazität von 20.000 Besuchern namens Beach Break Live. Dann haben wir noch ein neues Festival, ein Kinderfestival namens LolliBop. Es findet im Regent’s Park statt und ist vor allem für Familien und Kinder gedacht. Es geht darum, die Idole der Kinder auf die Bühne zu bringen – Charaktere aus dem Kinderfernsehen, die man in Österreich wohl gar nicht kennt, etwa Charlie und Lola oder die ZingZillas.
Verrätst du uns, wie groß euer Budget fürs Snowbombing ist?
(zögert) Das ist doch nicht nötig … Es gibt Budgets für die unterschiedlichsten Bereiche wie Produktion, Künstler, Transport, Mitarbeiter, Marketing etc. Da geht’s um einige Millionen Pfund, aber wir geben dieses Geld vernünftig aus. Einiges von unserem Budget ist heuer eingesetzt worden, um Journalisten einzuladen. Es ist ein Anliegen unseres Sponsors Volvo, dass über das Festival europaweit berichtet wird. Deshalb werden etwa auch zwei 45-minütge TV-Shows produziert.
Welche Politik verfolgt ihr beim Booking?
Wir bieten einen breiten Querschnitt von The Prodigy bis hin zu coolen Underground-Club-DJs. Die Haupt-Acts sollen nach vorne gehen – deshalb haben wir heuer auch Acts wie Chase And Status, Pendulum und The Prodigy gebucht. Und auf der anderen Seite Acts wie James Zabiela, Ewan Pearson oder Ramadanman.
Mit Themenpartys versucht ihr die Besucher dazu zu motivieren, sich speziell zu verkleiden, eine spezielle Atmosphäre zu erzeugen.
Das Festival soll so viel Spaß wie möglich machen. Keiner ist hier er selbst, jeder ist überdreht, feiert wie wild und macht sich nicht unnötig Gedanken. Die Leute sind hier, um Spaß zu haben, und das tun sie auch.
Ist das typisch für ein englisches Publikum?
Diese Leute machen sich einfach keine allzu großen Gedanken. Es geht dabei um eine Art Regression. In London sind diese Leute cool, aber hier ist es ihnen egal. Sie kommen her und wollen vergessen, was zuhause passiert, wollen einfach nur eine gute Zeit haben.
Mit 5.000 österreichischen Festivalbesuchern würde das vielleicht nicht so funktionieren.
Wahrscheinlich nicht. Das ist auch das Problem: Wir haben zum Beispiel viele Russen, die gerne kommen würden. Wir müssen aber darauf achten, ob sich die auch gut einfügen würden oder ob sie die Veranstaltung aus dem Gleichgewicht brächten. Es hat die ganze Woche über keine einzige Verhaftung gegeben, keine Probleme. Weil jeder in einer großartigen Stimmung ist. Wenn man jetzt andere Nationalitäten hereinbringt, dann verstehen die vielleicht nicht, wie durchgedreht diese Leute während des Festivals sein können.