Kritische Lines und politischer Rap, das sind wir von Kerosin95 gewohnt. »Volume 1« taucht stattdessen in Kerosins Gefühlswelt ein – irgendwo zwischen Selbstvertrauen und Unsicherheit.
»Wärst du auch mal gern so zart? / Und wärst du auch gern so knallhart?«, rappt Kerosin95 im Song »Futter« und fasst damit die Dualität von »Volume 1« in einem Satz zusammen. Üblicherweise beschäftigt sich Kerosins Musik mit dem Unbequemen und kritisiert dabei Gesellschaft, Sexismus und System. All das rückt bei »Volume 1« in den Hintergrund, denn Kerosin nutzt das Album, um – anstatt mit dem Patriarchat – vor allem mit sich selbst abzurechnen.
Gegensätze ziehen sich an
Ein Album zwischen Selbstbewusstsein und Selbstzweifel, in einem bipolaren Spiel zwischen Manie und Depression. Kerosin95 zeigt, dass diese Gegensätze nicht unvereinbar sind, und lässt sie auf dem Album nebeneinander existieren. Zeilen wie »In meinem Kopf bleibt es immer Nacht / Es ist so laut, ich wünsche mir nur etwas Stille unter meiner Haut« und »Ja, ich hab keine Zeit, ich bin busy am Relaxen / Mit meinen Achselhaaren im Wind ein bisschen flexen« schließen einander nicht aus.
Die Singleauskopplung »Heeey« spiegelt die Gesamtstimmung des Albums gut wider. Auf anfängliche Gefühle des Selbstvertrauens und der Sorglosigkeit folgen Ängste und Hilflosigkeit. Diese Balance der Gegensätze zeigt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch. Minimalistische Upturn-Beats, die teilweise an Tech House angelehnt sind – wie etwa bei »Futter« – wechseln sich mit soften Melodien und tiefen Bässen ab.
Knallhart und zart
Härtere Songs wie »Meine Welt« sind ein musikalischer Egoboost. In Tracks wie »Nie wieder fühlen«, »Nacht« oder »Beton« fällt der Schutzmantel aus Selbstbewusstsein und weicht stattdessen Unsicherheit und Bewegungsunfähigkeit. Auf gefühlvollen Klavier- und Gitarrenbeats rappt Kerosin über das Sich-selbst-Verlieren und Vermissen. »Volume 1« ist eine musikalische Einladung in Kerosins Kopf. Eine Einladung, die man annehmen sollte.
»Volume 1« von Kerosin95 erscheint am 19. März 2021 bei Ink Music. Voraussichtliche Konzerttermine: 4. Juni, Wien, Kulturhaus Sargfabrik — 5. Juni, Durchholzen, Stoabeatz Festival.