Der junge Filmclub »Kino & Krawall« zeigt heute die Doku »Shadow Game«. Der Film macht die Fluchterfahrungen junger Menschen nachvollziehbar. Das »Kino & Krawall«-Team im Kurzinterview.
Ihr habt euch dieses Mal für die experimentelle Doku »Shadow Game« von Eefje Blankevoort und Els Van Driel entschieden. Was zeichnet diesen Film für euch aus?
»Shadow Game« ist in vielerlei Hinsicht ein Experiment. Einerseits ist es eine Dokumentation, die wortwörtlich an die Grenze geht. Da spielen sich Szenen ab, die man sonst so komprimiert nicht zu Gesicht bekommt – und das hat ja auch einen Grund! Die Politik an den europäischen Außengrenzen ist, gelinde gesagt, umstritten. In »Shadow Game« nehmen Flüchtende selbst die (Handy-)Kamera in die Hand und dokumentieren ihre Sicht. Solche Einblicke wirken zwingend und notwendig. Andererseits ist die Gamification der Fluchterfahrung, die der Titel nahelegt, interessant. Vorgefertigte Meinungen, »wie es da so zugehen muss«, werden durch die Leichtigkeit, die dem Spiel anhaftet, angegriffen. Das erbost die exotisierenden Haltungen, die sich zu häufig im Speckmantel des Westens einnisten. Ein Thema, über das man nicht zu flapsig sprechen sollte? Sicher! Aber wenn erlebte Erfahrung von abstrakten Ferndiagnosen abgeschnitten wird, ist das ein diskursiver Pushback, der untrennbar mit der tatsächlichen Praxis an den Grenzzäunen verbunden ist. Das alles kann in »Shadow Game« funktionieren. Ob es tatsächlich klappt, wollen wir heute im Stadtkino herausfinden.
Was kann Film, was kann Kino eurer Meinung nach zu einer gerechteren Welt beitragen?
Besonders in der Dokumentation liegt ja immer das Bestreben, einer Realität möglichst nahezukommen. Überall und nirgendwo verschwimmen aber momentan die Grenzen zwischen artifice und Authentizität. Kino stand dabei schon immer ganz unverblümt für konstruierte Realitäten. Wenn dieser Modus nun für bewusst politische Inszenierungen in Anschlag gebracht wird, dann ist das ein proaktives Eingreifen in den tagtäglichen Kampf um – immer zusammengesetzte – Wahrnehmungen und damit in letzter Konsequenz auch darum, wie Menschen in der Welt agieren.
Im Anschluss an die Vorführung erwartet das Publikum wieder ein Filmgespräch. Wer ist dieses Mal zu Gast?
Besonders bei politischen Filmen ist es uns wichtig, das Thema von der Leinwand ins Publikum zu bringen. Gemeinsam mit zwei Vertreter*innen der NGO No Name Kitchen vertiefen wir den Blick auf die Missstände an den europäischen Außengrenzen. Unsere bisherige Erfahrung mit Filmabenden zu herausfordernden Themen hat gezeigt: Der Austausch mit Aktivist*innen hilft dabei, zu mobilisieren und gemeinsam gegen ein Gefühl der Ohnmacht anzukämpfen. In diesem Zusammenhang beschäftigt uns Filminteressierte auch die Frage: Wie lassen sich komplexe politische Themen auf der großen Leinwand verhandeln? Mit »Shadow Games«-Regisseurin Els van Driel als weiterer Gesprächspartnerin können wir auch dieser Frage auf den Grund gehen.
Wofür setzt sich die NGO No Name Kitchen in ihrer täglichen Arbeit ein?
No Name Kitchen ist eine Non-Profit Organisation, die teils vor Ort auf der Balkanroute und auf mediterranen Routen agiert. Sie stellt medizinische Hilfe, Kleidung, Essen und legale Beratung zur Verfügung. No Name Kitchen dokumentiert Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, die von sogenannten »Grenzschützer:innen« ausgehen, und macht auf diese aufmerksam. Sie hat auch das Border Violence Monitoring Network mitbegründet, das für alle unabhängigen Medien, Politiker:innen, Forscher:innen etc. eine wichtige Quelle ist. Da die NGO auch an der Produktion des Films »Shadow Game« beteiligt war und ihn gerne in Wien zeigen wollte, stellen wir ihr und dem Film mit »Kino & Krawall« eine Plattform und Bühne zur Verfügung. Der ganze Abend wurde von No Name Kitchen und uns gemeinsam organisiert.
Zum Schluss noch: Welche Pläne habt ihr für die nächsten Ausgaben von »Kino & Krawall«?
Bis Jahresende folgen noch zwei Termine. Am 19. November wollen wir wieder im Kino frühstücken. Wir haben uns für einen Klassiker des deutschen Kinos der 70er-Jahre entschieden: »Angst essen Seele auf« von Rainer Werner Fassbinder. Und auf den 12. Dezember freuen wir uns ganz besonders, weil wir da unser diesjähriges Highlight der Berlinale zeigen und besprechen werden: »Kokomo City« von D. Smith.
»Shadow Game« von Eefje Blankevoort und Els Van Driel ist heute, also am 18. Oktober 2023, um 20 Uhr im Rahmen von »Kino & Krawall #16« im Stadtkino im Künstlerhaus in Wien zu sehen.