Österreichische Indie-Labels werden mittlerweile richtig alt. Wie lässt es sich als kleine Plattenfirma hierzulande überleben?
2001 war die musikalische Welt eine einfachere. Mit Tonträgern konnte man noch richtig Geld machen, die Nummer-1-Singles der damals noch im Fernsehen ausgestrahlten Ö3-Top 40 – Gigi D’Agostino, Eminem, No Angels, Crazy Town, Wheatus oder Atomic Kitten – taten das auch zur Genüge. Technologisch erlebte die Musikbranche gerade einen wichtigen Turning Point: Im Oktober 2001 erschien der erste iPod und änderte die Hörgewohnheiten einer gesamten Generation.
»Die österreichische Musikszene war eine Wüste. Und wir haben wider jede Erfolgsaussicht ein Wasserkraftwerk gebaut, das heute tatsächlich ein bisschen Strom liefert.« Hannes Tschürtz ist sichtlich stolz auf das Erreichte, sein Label Ink – verantwortlich für Meilensteine der heimischen Indie-Geschichte wie »Ja, Panik«, »The Angst And The Money« oder »Die Pest im Piemont« – ist längt nicht mehr nur eine Plattenfirma. Ink ist eine Full-Service-Agentur, macht Konzerte, Promotion, Festivals und vieles weitere – nicht alles davon muss gleich ein finanzielles Geschäft sein. »Wir wollen Qualität vor Quantität stellen, heute ein wahnsinnig schwer zu erfüllender Anspruch. Ich behaupte, es bedeutet mehr Wertschätzung und mehr Langfristigkeit für die Künstler, aber auch genaueres Hinschauen beim Kalkulieren und Durchführen von Events für uns«, erklärt Tschürtz den Ink-Anspruch.
»Gründungsförderungen? Nicht die Bohne!«
In diese Wüste der österreichischen Musikszene von 2001 ein Indie-Label aufzubauen, war vor allem der boomenden burgenländischen Oase geschuldet: »Es bestand die Notwendigkeit, das auch in eine Form zu gießen. Die Major-Labels sind rund um die beginnende Tonträgerkrise in Schockstarre verfallen, Indies gab es kaum bis gar nicht, also musste man selbst ein Label gründen, um Platten zu veröffentlichen«, schwelgt Tschürtz in Erinnerungen. Aufgehalten hat ihn zwar niemand, aber eine »gewisse Ahnungslosigkeit, was das eigentlich alles bedeutet«, gab es schon. Den Begriff Kreativwirtschaft und deren Förderung dagegen so gut wie gar nicht, Musikförderung noch weniger als heute – für die ersten Releases musste damals – wie heute – oft das eigene Ersparte herhalten.
Es hat aber auch seine Vorteile, ein Label in einer denkbar unwirtlichen Umgebung aufzubauen: Rückschläge sind gewohnt, die große Krise der Tonträger – vor allem zwischen 2004 und 2007 – stecken kleine Indies leichter weg als der ewige Klassenfeind: »Während die Majors erst lernen mussten, mit weniger Geld auszukommen, haben die kleinen Labels mit praktisch keinem Geld die digitalen Möglichkeiten rasch für sich selbst entdeckt und genutzt«, sagt der Ink-Chef und verweist dabei auch auf die anderen heimischen Indie-Stars wie Siluh, Monkey oder Problembär: »Die haben Inhalte weit über die Wirtschaftlichkeit gestellt und die Releases gemacht, auf die sie Bock hatten. Die Majors haben praktisch kein einziges nachhaltiges Thema in dieser Zeit entwickelt – die unabhängige Szene des Landes hat sich in dieser Zeit von Parov Stelar bis Bilderbuch und von Soap & Skin bis Ja, Panik alles Mögliche »erarbeitet«. Auch international konnten die Indie-Labels in den Zeiten der Krise wieder verstärkt Nischen besetzen, 2009 gingen sogar erstmals mehr Grammys an Indie-Labels als an die Großen. In den letzten Jahren sind internationale Indies dennoch stark »trend«-abhängig, wie etwa Young Turks, True Panther oder Tri-Angle. 2012 und 2013 waren die bislang für Ink härtesten Jahre, auch aufgrund des Wachstums mit einer Berlin-Dependance und eines Tocherunternehmens, die den finanziellen Druck und die Erwartungshaltung deutlich erhöhten: »Wenn trotz hoher Investitionen – etwa für Releases im Ausland – die Ergebnisse nicht entsprechend sind, wird es schnell ungemütlich.«
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