Für »Le Grand Continental: alle tanzen« suchen Sylvain Émard und das Festspielhaus St. Pölten tanzbegeisterte Laien. Der kanadische Choreograf im E-Mail-Interview über die Hintergründe des partizipativen Tanzprojekts zwischen Line Dance und zeitgenössischem Tanz, die Energie, die dieses freisetzen kann, und regionale Unterschiede einer universellen Ausdrucksform.
Der Aufruf zum Casting für »Le Grand Continental« ist explizit für alle offen. Kann jeder Mensch tanzen?
Sylvain Émard: Alle über zehn Jahre, die gerne tanzen und zum Commitment zu diesem Projekt bereit sind, können teilnehmen – egal auf welchem Level ihre Tanz-Skills sind.
Ist das Projekt als niederschwellige Einstiegsmöglichkeit ins Thema Tanz gedacht? Was erwartet die TeilnehmerInnen?
Das Projekt ist eine sehr nette Möglichkeit, ins Thema Tanz einzusteigen. Allerdings könnte es für Neulinge etwas mehr Arbeit sein, die Schritte zu lernen. Wir haben ein Team von professionellen TänzerInnen vor Ort, die den TeilnehmerInnen dabei helfen, die Choreografie zu lernen, und die dafür sorgen, dass alle das Tanzen bei diesem speziellen und lustigen Event genießen können. Die TeilnehmerInnen haben die einmalige Gelegenheit zu erleben, wie es ist, im Einklang mit 149 anderen TänzerInnen zu tanzen und diese erhebende, durchdringende Energie zu spüren, die so etwas auslösen kann.
Wie bist du selbst zum Tanz gekommen?
Mit dem Tanztraining hab ich in meinen 20ern begonnen, aber erstmals in Kontakt gekommen mit dem Tanzen bin schon als Kind – beim Line Dance. Es gab da dieses Freizeitangebot im Keller unserer Kirche, bei dem es Klassen fürs Line Dance gab. Deswegen bin ich wohl auch über all die Jahre fasziniert davon geblieben – und hab schließlich dieses Projekt entwickelt.
»Le Grand Continental« ist ursprünglich 2009 für das Festival Trans Amériques konzipiert worden. Was nimmst du von den bisherigen Aufführungen an Erfahrungen und Erlebnissen mit?
Nach einigen Aufführungen ist mir klar geworden, dass ich komplexere Choreografien erarbeiten und die Besetzung auf ein höheres Level bringen kann. Ich habe Wege gefunden, diese herausfordernden Choreografien so zu vermitteln, dass die Leute das Gefühl haben, dass sie sie hinbekommen können. Und das tun sie auch. Nachdem ich »Le Grand Continental« in verschiedenen Ländern und auf verschiedenen Kontinenten gemacht habe, kann ich sagen: Ich habe überall denselben Enthusiasmus beobachtet. Und – egal aus welcher Kultur die Menschen stammen – dasselbe Bedürfnis, an einem künstlerischen Projekt teilzunehmen. Tanz bietet in diesem Fall eine großartige Möglichkeit dazu. Es gibt Unterschiede zwischen Menschen aus verschiedenen Ländern. Zumeist sind diese klein, aber sie bereichern das Projekt und sie können sehr inspirierend und lehrreich für mich sein.
Tanz gilt als universelle Sprache. Um im Bild zu bleiben: Mit welchen Besonderheiten des (nieder-)österreichischen Dialekts dieser Sprache rechnest du?
Ich bin gespannt, ob das der Fall ist. Es ist so, wie wenn man eine Klasse unterrichtet: Jeder hat seine eigene Art sich einzufügen und zu lernen. Je nachdem, wen man vergleicht, können diese Unterschiede mehr oder weniger wichtig sein. Unsere westlichen Gesellschaften sind vielfältig, deshalb ist es nicht so einfach, einen speziellen »Dialekt« im Tanz auszumachen. Aber wenn man vergleicht, wie südliche und nördliche Länder das Tanzen lernen, könnte man Unterschiede beobachten. Für mich ist jedoch, ganz offen gesagt, das eine nicht besser als das andere. Vielleicht kann ich mehr über den österreichischen Dialekt sagen, wenn ich ein wenig Zeit mit den TänzerInnen in St. Pölten verbracht habe …
Die Casting-Termine für »Le Grand Continental: alle tanzen« sind für 20. bis 24. Jänner 2020, jeweils von 19 bis 21 Uhr, angesetzt. Die Anmeldung zur Teilnahme ist auf der Website des Festspielhauses St. Pölten möglich. Dort finden sich auch alle relevanten Details zum Projekt, etwa zu den späteren Probenplänen. Seinen Abschluss feiert das Projekt am 5. Juni 2020 mit zwei Open-Air-Vorstellungen (um 17.30 bzw. 22 Uhr) am Festspielhaus-Vorplatz.