L’art pour l’abstraction sociale

Eine Lockenmähne. Der verträumte Blick. Für alles eine Antwort. Die man sich aber drei Mal durchlesen muss, damit man sie versteht. So stellt man sich einen Kunstvereinsdirektor vor. Und so ist er auch. Wir haben den neuen Leiter des Grazer Kunstvereins um Antworten gebeten.

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Kunst, Kunst und nochmal Kunst. Krist Gruijthuijsen ist ein Mann der Taten. Kurator, Kunstkritiker, Mitbegründer des Kunstvereins in Amsterdam, Professor und seit Kurzem auch noch neuer Leiter des Kunstvereins Graz. Für einen Mann, wie Gruijthuijsen keine nervige Arbeit, sondern seine Leidenschaft. Im kommenden Jahr will er vor allem internationale Künstler nach Graz holen und die Verknüpfung mit anderen Vereinen verbessern. Das ist aber nicht alles. Mehr hat er uns im Interview verraten.

Sie sind neuer Leiter des Kuntsverein Graz. Wie blicken Sie Ihren neuen Aufgaben entgegen? Haben Sie konkrete Vorstellungen, was sich in Ihrer Amtsperiode ändern wird?

Der Grazer Kunstverein wird seinen bisherigen Erfolg – eine lebendige Plattform für progressive künstlerische Aktivitäten und Produktionen zu sein – mit Kräften fortsetzen und als lokaler Treffpunkt für ein diskursives Programm fungieren. Ein konzentrierter Dialog (Programm) ist der Schlüssel, um den Grazer Kunstverein in einen sichtbaren Austausch mit anderen Institutionen innerhalb, aber auch außerhalb Österreichs zu bringen. Der konzeptuelle Fokus des neuen Programmes wird auf der Produktion und Zurschaustellung von „Sprache“ liegen, wobei Denkkonzepte rund um „soziale Abstraktion“ sowohl künstlerisch wie auch diskursiv präsentiert werden. Die Herstellung und das Ausstellen von Publikationen wird dabei ein entscheidender Aspekt sein.

Soziale Abstraktion?

Wo soziale Dynamik formalisiert (abstrahiert) wird wie etwa in den Diskussionen von Ian Wilson oder in den schematischen Gemälden von Doug Ashford, wo Gruppenverhalten durch Farbe organisiert und übersetzt wird.

Gut, dann hätten wir das geklärt. Und was dürfen wir unter der “Zurschaustellung von Sprache” verstehen?

Die Sprache während einer Diskussion wird zum Beispiel zum Kunstwerk, wie es im Werk des amerikanischen Künstlers Ian Wilson der Fall ist, oder die physische Beziehung zu einer Sprache wird im Werk des österreichischen Künstlers und Poeten Josef Bauer untersucht. Es geht darum, die Materialität der Sprache selbst ins Bewusstsein zu bringen.


Wieso, denken Sie, sind Sie gut für den Job geeignet?

In den letzten Jahren habe ich zumeist freiberuflich mit verschiedenen internationalen Ausstellungsinstitutionen und – einrichtungen zusammengearbeitet. Unterschiedliche Städte wie Istanbul, Rio de Janeiro, Belgrad und New York haben mein Denken, wie Politik und Kultur auf diverse Weisen verbunden sein können, geformt. Das Ansuchen von Finanzmitteln war dabei sehr wichtig, wie unterschiedlich die Umgebungen, in denen ich gearbeitet habe, auch waren. Der Mangel an jenen führte, für eine Einrichtung von bescheidenem Umfang, zu prekären Situationen, die unterschiedlich gemeistert wurden. Vor diesem Hintergrund habe ich im Jahr 2009 die Organisation und das Modell „Kunstverein“ in Amsterdam mitbegründet. „Kunstverein“ untersucht, gestaltet und durchdenkt dieses bürgerliche Modell außerhalb des deutschsprachigen Kontexts, um so auf zeitgenössische Tendenzen im kulturellen Feld reagieren zu können. Austausch, Nähe und Gemeinschaft sind die Kernpunkte, in denen die Bedeutung und Dringlichkeit der bildenden Kunst gefördert wird.


Sie waren in Amsterdam tätig. Haben sogar auf der Biennale und im Artspace New York gearbeitet. Was reizt Sie an Ihrer neuen Stelle in Graz?

Graz hat eine außergewöhnlich dichte kulturelle Szene, deren Publikum engagiert und breitgefächert ist – was heutzutage schwer zu finden ist.

Glauben Sie nicht, dass es andere Städte in Europa, oder sogar Österreich gibt, die eine aktivere Kunstszene haben als Graz? Wien zum Beispiel?

Natürlich gibt es andere Städte in Europa und sicherlich hat Wien eine aktivere Kunstszene als in Graz, aber darum geht es nicht. Schauen Sie sich die periphäre Lage von Graz als zweigrößte Stadt Österreichs an und sehen Sie die Hingabe zu Produktion und Präsentation von Kultur. Es gibt wenige Städte in Europa mit einer solchen Dichte.

Wieso ist Ihr Vorgänger gegangen? Hat es Unstimmigkeiten gegeben?

Ich denke, dass sich eine Institution mit einem progressiven und experimentellen Profil, wie es der Grazer Kunstverein ist, ständig neu erfinden muss und dabei verschiedenartige künstlerische Positionen wichtig sind.

Gibt es einen Job, an den Sie sich am liebsten zurück erinnern?

Das Mitbegründen einer Kulturinstitution, in diesem Fall den Kunstverein in Amsterdam, und für seine Leitung bzw. seine Positionierung innerhalb der Gesellschaft vollste Verantwortung zu übernehmen.

Was lieben Sie an der Kunst?

Kunst trägt die Kraft in sich, kleine wie auch große Systeme zu verändern und neue Perspektiven zu ermöglichen.

Krist Gruijthuijsen ist seit September 2012 neuer künstlerischer Leiter des Grazer Kunstvereins. Die Bilder sind ein Vorgeschmack der neuen Ausstellung, die am 8.März eröffnet wird.

Bild(er) © Mierle Laderman Ukeles, Courtesy by the artist and Ronald Feldman Gallery
Raivo Puusemp, Floating Pyramid, Wood, plexiglass, 48"x48"x66", 1965,
Courtesy the artist
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