In Graz, das sich nun ganz offiziell "City Of Design" nennen darf, tobt ein Kulturkampf über Sinn und Unsinn der Creative Industries. Im allgemeinen Unmut über Bettelverbot, Kultur- und Sozialpolitik hat sich die Szene allerdings das falsche Feindbild auserkoren.
Blöder hätte das Timing kaum sein können: Erst lässt sich die UNESCO mit der Entscheidung darüber, ob sich Graz künftig mit der Bezeichnung City of Design schmücken darf, deutlich länger Zeit als gedacht. Mehrmals hatte die Stadt ihre Bewerbung nachbessern müssen, einiges an Mitteln zuschießen. Und dann verkündet das UN-Organ sein „Ja“ ausgerechnet zu einem Zeitpunkt als sich die steirische Landespolitik genötigt sieht, im großen Stil zu sparen. Die Optik ist übel: Dem verschwenderischen Luxus bloßer Behübschung, so ein Vorwurf der Kritiker, stehen massive Einsparungen nicht nur im Kulturbereich, sondern gerade im Sozialwesen gegenüber, immerhin minus 25 Prozent. Angespannt war die Stimmung schon davor: Obwohl sich Graz als zartgrünes Freiluftlabor in Sachen nachhaltiger Stadtentwicklung versucht, stehen den Erneuerungsbemühungen althergebrachte Verbohrtheit und die Barbarei eines landesweit beschlossenen Bettelverbots gegenüber. Wenig verwunderlich, dass es brodelt und die radikalisierte Szene freudig über das Sinnbild der Repräsentationskultur – die „Designhauptstadt“ – herfällt. Immerhin hatte sich die Förderagentur Creative Industries Styria (CIS) für die Bewerbung zur City of Design die Unterstützung eines schwarzen Landesrats geholt – weshalb das Projekt schnell auch zur Prestigesache für fortschrittliche Bürgerliche wurde. Wohingegen der tendenziell linken Kulturszene das Credo des kreativen Wirtschaftens seit jeher suspekt ist. Man fürchtet die Ökonomisierung des eigenen Tuns und sieht sich als Kulturschaffende prekarisiert.
Nun ist aller Grant über Einsparungen auf dem Rücken von Minderheiten und Marginalisierten verständlich, doch das Feindbild des Protests – die City of Design – das falsche. Natürlich geht es dabei um Standortmarketing, Wirtschaftsförderung und den Aufbau tragfähiger Strukturen. Sonst hätte man sich bei der CIS kaum einen Wirtschaftslandesrat als Mitstreiter gesucht. Aber ebenso geht es um eine lebendige Kreativszene, Partys und Lebensgefühl.
Statt sinnvolle Investitionen zu kritisieren, sollten sich all die Organisationen, Vereine und zu Recht empörten Initiativen, die nun den Protest der www.plattform25.at mittragen, vielmehr der verschwenderischen Willkür der politischen Entscheidungsträger widmen. Denn Selbstgefälligkeit macht selbst vor jenen nicht Halt, die sich sonst gern zu den Gallionsfiguren von Anstand und Moral hochstilisieren: Seine Betroffenheit über das Bettelverbot nimmt man Kurt Flecker, dem aufmüpfigen Ex-Landesrat für Soziales, Kultur und Arbeit gut und gerne ab. Als es aber vor zwei Jahren, am Höhepunkt der Wirtschaftskrise, darum ging, sich zum Abschied aus der Kulturpolitik eine Ausstellung über die lokalen Auswirkungen von 40 Jahre Woodstock im Landesmuseum Joanneum zu schenken, fühlte sich der bekennende Alt-Hippie allerdings noch „absolutely free“ und spendabel. Dass nun das Geld fehlt, hat der Politpensionär schlicht mitzuverantworten.
Am Tropf des Landes
Zwar ist es ebenso eitel, wenn sich heute Bürgermeister und Landesräte im Glanz des UNESCO-Segens sonnen, doch wenn sich Graz nun als City of Design vermarkten darf, ist das immerhin kein fantastisches Konstrukt, sondern bloß die offizielle Anerkennung von Tatsachen. Dass nämlich Design, Architektur und Stadtplanung im Großraum Graz längst eine verhältnismäßig große Rolle spielen, es werden also bloß bestehende Stärken und Schwerpunkte hervorgehoben. Der Vorwurf, dass sich die Politik vor „Scheinkulissen“ ins rechte Licht rücke, ist polemisch und unzutreffend. Wenn manche meinen, es werde „Designzeug aufgeblasen“, dann könnte man selbiges eins zu eins einem der ersten Opfer des steirischen Sparkurses vorwerfen: Die vom Land Steiermark finanzierte Regional-Ausgabe der Wiener Stadtzeitung i>Falter hat in den letzten Jahren steirische Literatur unverhältnismäßig schöngeschrieben. Dass dem Hypen kein Hype folgte, fand niemand kritisierenswert. Wohl auch, weil viele derer, die nun, da der Geldhahn abgedreht und die Beilage eingestellt wird, aufschreien, unmittelbar davon profitiert haben: Als Autoren, Rezensenten oder Kolumnisten hingen sie selbst am Tropf des Landes.
Dabei ist es ein großes Missverständnis, Förderungen als Gewohnheitsrecht zu erachten. Zwar hat die Politik gerade auch im Kulturbereich eine Basisversorgung zu garantieren. Doch Geld, das einmal verstärkt in einem Bereich eingesetzt wurde, darf auch woanders hin fließen – um neue Akzente zu setzen und zukunftsweisende Entwicklungen zu beschleunigen. Dass dabei die Schwächsten nicht unter die Räder kommen dürfen, ist eine andere Diskussion. Und Kultur gegen „Designzeug“ aufzurechnen, bleibt schlicht eine unqualifizierte Vereinfachung.