Die animierten Musikvideos von Leonie Bramberger sind bunt, humorvoll und haben starken Wiedererkennungswert. Wir präsentieren euch eine Auswahl dieser Musikvideos als Kurzfilmprogramm – und haben die facettenreiche Künstlerin zum Interview gebeten. Ihr neuestes Musikvideo »Take Me Out« (für die Band Baits) wird demnächst auf der Diagonale gezeigt und ist auch im Kurzfilmprogramm enthalten, das es ab jetzt in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen gibt. Im Interview erzählt uns die Filmemacherin von ihrer »Suche nach Spielwiesen«.

»Leonie Bramberger – Musikvideos« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
In deinen eigenen Worten: Wie würdest du deinen Animationsstil beschreiben?
Leonie Bramberger: Ich mag es, wenn ganz kleine Bewegungen eine große Wirkung haben. Tappende Fußspitzen, schleckende Zungenspitzen und verschmitzte Blicke in den Augenwinkeln – ich liebe solche kleinen Gesten und finde sie funktionieren am besten, wenn sie viel Raum haben. Situationskomik gehört für mich auch zum Animationsstil dazu, weil der Witz bei mir viel mehr in den Bewegungen selbst als in der inhaltlichen Ebene steckt. Aus meiner Arbeitsweise ergibt sich auch so ein gewisser DIY-Charakter, der mich schon von Anfang an begleitet. Visuell sind die Videos natürlich auch immer ganz stark davon geprägt, um welche Band und welches Lied es sich handelt, welche Graphic Novel ich gerade gerne lese oder auch davon, was mich gerade interessiert, animationstechnisch auszuprobieren.
Was ist die Inspiration für die Geschichten, die du in deinen Musikvideos erzählst? Kannst du uns an deinem Prozess teilhaben lassen?
Als Erstes höre ich mir den Song einfach nur an, ohne irgendwas zu wissen. Diesen ersten Eindruck finde ich sehr wichtig, da bekomme ich mal so ein Gefühl für eine Stimmung und die kann später sehr hilfreich sein. Meistens tauschen wir uns dann am Anfang darüber aus, was den Musiker*innen an dem Song wichtig ist, und ich lese mir den Text genau durch. Beim öfteren Anhören assoziiert sich dann so langsam was zusammen. Ich versuche das irgendwie aufzuschnappen und zu notieren und im Nachhinein zu ordnen. Dann einigen wir uns meistens auf ein Grundsetting oder einen groben Plot, der sich aber während des Zeichnens noch ändern oder erweitern kann. Vieles ergibt sich nämlich auch wirklich beim Zeichnen von Bild zu Bild. Deshalb versuche ich immer möglichst schnell ins Zeichnen zu kommen.
Und wie funktioniert die Umsetzung dann technisch?
Ich zeichne alles auf meinem Tablet. Während des ersten Lockdowns 2020 haben wir uns manchmal bei mir zu Hause zum Zeichnen getroffen und eine Freundin hat mir Procreate gezeigt, ein Programm, in dem man recht einfach und schnell 2D-Animationen erstellen kann. Ich hatte davor schon Versuche gemacht mit gescannten Bleistiftzeichnungen und Photoshop, bin damit aber nie besonders weit gekommen. Mit Procreate arbeite ich jedenfalls bis heute gerne. Ich lerne aber auch mit jedem Video wieder was Neues dazu. Wenn ich mit Layern arbeiten möchte, arrangiere ich die Zeichnungen in After Effects. Zum Schluss mache ich den Schnitt zur Musik in Premiere. Ich habe mir da so meinen eigenen Workflow zusammengeschustert, wie es für mich passt. Das geht sicher alles viel eleganter, aber ich komme gut damit zurecht und habe mich daran gewöhnt, so zu arbeiten. Seit ich mich mehr mit Animation auseinandersetze, habe ich aber auch viele andere Techniken kennengelernt und ich habe große Lust, mich der Animation auch noch mal ganz anders zu nähern, vielleicht abseits von figurativen oder narrativen Ansätzen.
Was ist für dich der Reiz an Musikvideos? Wie bist du dazu gekommen?
Ich habe in einer Band gespielt und wir wollten ein Musikvideo machen zu einem Lied. Ich hatte ein paar Drei-Sekunden-Animationen mit so einem kleinen Character und dann haben wir daraus mein erstes Musikvideo zusammengebaut … Was ich an Musikvideos so mag, ist, dass sie oft etwas Spontanes haben. Dadurch sind sie großartige Spielwiesen, um alle möglichen Ideen auszuprobieren. Eigentlich will ich ja eh einfach nur spielen. In welcher Form ich das dann mache, ergibt sich danach, aber ich bin eigentlich immer auf der Suche nach solchen Spielwiesen. Das Theater ist auch eine Spielwiese für mich, Musik und die bildende Kunst sind es ebenso. Und jetzt eben auch Musikvideos und die Animation.


Wir freuen uns, mit »Take Me Out« von den Baits auch dein neuestes Musikvideo in unserem Programm zu zeigen, das Ende des Monats bei der Diagonale zu sehen sein wird. Haben hier die »Tom und Jerry«-Cartoons als Inspiration gedient und könnte man es als »moderne Lovestory« beschreiben? Waren Tom und Jerry womöglich gar keine Feinde, sondern in einer (toxischen) Liebesbeziehung?
Ja, genau. Also es geht nicht unbedingt explizit um die beiden, aber es gibt ja viele auch noch ältere Schwarz-Weiß-Cartoons, die alle nach so einem Katz-und-Maus-Schema funktionieren, in denen Erzfeinde dazu verdammt sind, sich bis in alle Ewigkeit gegenseitig zu verprügeln. Im Text geht es um frustrierende Tinder-Dates, und da gibt es dann immer wieder die zweideutige Phrase »take me out« – ich fand das ein ganz gutes Match, an dieser Dynamik anzudocken und ein paar von solchen Cartoonfiguren in einer Date-Situation aufeinandertreffen zu lassen. Aber mein Lieblingsteil ist eigentlich der zweite, wenn die Maus dann in den Innereien der Katze Unruhe stiftet und sich schließlich im Herz einnistet und es langsam ausschlürft.
Gibt es schon ein neues Projekt, an dem du gerade arbeitest? Was sehen wir von dir als Nächstes?
Ich arbeite gerade an meinem ersten Kurzspielfilm, sozusagen mein erstes Nicht-Musikvideo. Es taugt mir sehr, dass ich das machen kann. Es ist sehr aufregend und vieles daran ist neu für mich. Musik wird trotzdem eine große Rolle spielen. Zu viel möchte ich aber noch nicht verraten.
Eine Interviewreihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.