Nach dem Livin’ Streets ist vor dem Livin’ Streets. Ferdinand Oberbauer ist einer der Festivalinitiatoren und hat mit uns über Zukunftspläne, die Grazer Street-Art-Szene und Puber gesprochen. Dazu Fotos.
Suck & Zmes @ Livin’ Streets (© Picks)
Jaz @ Livin’ Streets (© Picks)
Stinkfish @ Livin’ Streets (© Picks)
Suck & Zmes @ Livin’ Streets (© Picks)
Nychos @ Livin’ Streets (© Picks)
Ever @ Livin’ Streets (© Picks)
Evoca1 @ Livin’ Streets (© Picks)
Livin' Streets Taggerwerk (© Picks)
Das Livin’ Streets versteht sich als Festival für Urban Arts, Graffiti und Street-Art. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen bespielten auch 2014 wieder Künstler aus aller Welt die grauen Grazer Wände und brachten ordentlich Farbe in die Stadt. Stattgefunden hat das Ganze im ehemaligen Taggerwerk – ein einstiges Industriegelände, das nun als großformatige Stadtgalerie fungiert. Begleitet und dokumentiert hat das Picks Magazine. Zeit für eine Zwischenbilanz in Interviewform mit Veranstalter Ferdinand Oberbauer.
Das zweite Livin’ Streets Festival ging vor gut zwei Monaten zu Ende. Was hat man gelernt? Was hat man anders gemacht als beim ersten Mal?
Nun ja, das erste Festival hatte das Ziel, direkt in das Zentrum von Graz vorzudringen, mitten in die Fußgängerzone. Unser Ziel war es, den Kunstprozess im öffentlichen Raum quasi am silbernen Tablett zu präsentieren und so speziell die Politik damit zu konfrontieren. Das ist uns ganz gut gelungen, folgten doch etliche Gespräche mit Kulturstadträtin Rücker und Co, die unser Anliegen bis in den Stadtsenat und andere Ämter trugen – mit der klaren Botschaft, die Pforten für qualitativ hochwertige Streetart doch bitte endlich zu öffnen.
Da dieses Vorhaben – dank Frau Rücker – sehr gut umgesetzt wurde, gab es dann für das zweite Festival nur eine Botschaft, die wir vermitteln wollten, nämlich zu zeigen, was als Topniveau dieses Kunstbereichs zu sehen ist. Als dann mit dem Taggerwerk ein echter Magnet für internationale Protagonisten fixiert wurde, ließ das für Graz außergewöhnliche Line-up auch nicht mehr lange auf sich warten.
Street-Art ist in Österreich noch nicht zu einer wirklich breiten Schicht der Bevölkerung als – naja – gute Sache durchgedrungen; ein Fall wie Puber hilft auch nicht unbedingt. Welche Reaktionen gab es in Graz?
Augenrollen, würd ich sagen. Es ist allerdings schon festzuhalten, dass jemand wie Puber mit dem, was wir machen, nicht zu vergleichen ist, und ja auch von der breiten Masse nicht als Künstler wahrgenommen wird. So ein Projekt wie unseres allerdings schon, somit kann sein Akt den wahren Protagonisten der Szene sicher nicht schaden. Jaz, Axel Void, Nychos und Co hinterlassen Spuren, die in Österreich kaum noch zu finden sind. Somit wird wohl bald unterschieden werden zwischen einfältigem Signieren von Wänden und Kunst auf hohem Niveau. Deswegen gibt es ja sogar in anderen Teilen Europas bereits illegal entstandene Bilder, die mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt wurden.
Was sind die Pläne für Livin’ Streets in den nächsten Jahren? Will man größer werden oder gibt es diesbezüglich keine Absichten?
Im lokalen Aspekt wollen wir nicht übers Ziel hinausschießen, also eher Stein für Stein an unserem bunten Aussehen basteln. Das kann sogar bedeuten, dass wir eher einzelne Fassaden ins Auge fassen werden. Ziel ist es, da auch den geschützten Innenstadtbereich zu erreichen und eben schwerpunktartig mehrere Teile der Stadt mit Murals zu beleben. Zukünftig soll es sich ja um ein Stadtbild als Ganzes drehen.
Wo ich allerdings schon das Potenzial des Wachstums sehe, ist die Internationalität, die mit dem Thema Graffiti bzw. Street-Art einhergeht. Daher planen wir internationale Austauschprojekte mit anderen Festivals in Europa und haben hier auch schon erste Kooperationen.
Habt ihr schon Locations im Auge, die ihr gerne bespielen würdet? Wie schwer ist es, Genehmigungen in Graz zu bekommen? Ein FP-Stadtrat hat ja schon der Clubkultur Steine in den Weg gelegt …
Locations gibt’s in Graz viele. Zwar nicht in einem Format wie das Taggerwerk – so was ist selbst im gesamten österreichische Raum kaum in so einer Kompaktheit zu finden –, es gibt allerdings unglaublich viele Feuerwände, die aus meiner Sicht förmlich nach einer Wandlung schreien. Da sehen wir auf jeden Fall das zukünftige Potenzial der Stadt Graz.
Genehmigungen waren für uns nicht das Problem, besonders weil es kulturpolitischen Rückenwind gab. Das heißt allerdings nicht, dass nicht der eine oder andere Spinner gerade die Monotonie als fortschrittlich sieht und sich somit darin versuchen wird, Projekte wie unseres zu verhindern. Ich möchte dazu aber gleich anmerken, dass ich die Mehrheit in Graz nicht auf der Kontra-Linie sehe.
Letztes Jahr habt ihr in einem Interview engere Zusammenarbeit mit Stadtplanung und Stadtbaudirektion gefordert. Hat sich da inzwischen was getan?
Das wird sich zeigen. Was schon als Schritt in die richtige Richtung von uns wahrgenommen wurde, ist dass wir von Bauamtsseite vor Beginn des Festivals die Aufforderung erhielten, doch bitte eine umfassende Dokumentation vom Projekt zu übermitteln. Das Mail wurde an diverse andere Behörden weitergeleitet. Ich nehme also an, dass hier schon konkrete Gespräche geführt werden. Bisher allerdings noch ohne unser Beisein.
Graz ist nicht gerade die erste Stadt, in der man eine ausgeprägte Street-Art-Szene vermuten würde. Wie sieht die Realität aus?
Das sehe ich auch so, Graz hat kaum eine Street-Art-Szene, zumindest im internationalen Vergleich gesehen. Graz hat allerdings eine ausgeprägte subkulturelle Szene, die wiederum auffallend vielseitig und potent ist. Somit ergeben sich zwei ineinandergreifende Potenziale – nämlich eine große Anzahl von Feuerwänden gepaart mit einer an Street-Art interessierten Bürgerschaft. Somit bietet Graz einen guten Boden für die Szene.
Man liest selten über weibliche Straßenkünstlerinnen. Ist Street-Art männerdominiert oder sind die Frauen erst im Kommen?
Das Genre ist schon sehr männerdominiert, allerdings gibt’s einige Sternchen am Himmel, die besonders hell leuchten. Man denke nur z. B. an Mad C, die wohl zu den bekanntesten Graffiti-Artists weltweit gehört und mit ihren fotorealistischen, freihändig gesprühten Werken wirklich herausragend bleibt.
Generell, glaube ich, sind die Mädels aber am Vormarsch. Ich schätze, dass in den kommenden Jahren einige auffallende Werke aus weiblicher Hand entstehen werden und somit auch der Pool an Protagonistinnen stetig ansteigen wird.
Livin‘ Streets gibt’s auch als Website und bei Facebook. Das Picks Magazine übrigens auch.