Bücher, die sich über mehrere Saisonen gut verkaufen, ermöglichen es Verlagen, auch Lyrik querzufinanzieren oder junge Autor*innen aufzubauen. The Gap bat österreichische Buchverlage, für sie wichtige Longseller zu nennen – sowie erst durch deren Erfolg ermöglichte Publikationen. Die Auswahl erzählt Geschichten von Glück und Kalkül, literarischen Trüffelschweinen und der »hohen Kunst des Verlegens«.
Über Zahlen redet man nicht so gern im Verlagswesen. Im Mittelpunkt stünden doch die Bücher, heißt es; der literarische Anspruch, der Schöngeist. Das mag stimmen, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn aus Sicht eines Buchverlags bedeutet jede neue Veröffentlichung nicht nur den Glauben an ein Buch und dessen Schöpfer*in, sondern auch ein unternehmerisches Risiko.
Neben Förderungen ermöglichen auch Longseller, die sich über mehrere Saisonen, manchmal sogar über Jahrzehnte verkaufen, literarische Debüts, Übersetzungen oder Wagnisse. Denn dass sich ein Titel in der Masse an Neuerscheinungen durchsetzt, hat selten einmal allein mit dessen Qualität zu tun. Ohne Kalkül, harte Arbeit und letztlich auch Glück geht nichts.
Ein Longseller ist so gesehen ein besonders rarer Glücksfall. Und mit einem Titel als kanonisierter Klassiker auf Schulleselisten zu landen – wie der Haymon Verlag mit seiner Taschenbuchausgabe von Michael Köhlmeiers Erzählung »Sunrise« –, ist ein Jackpot. Das gelingt nur den allerwenigsten der 69.180 Buchneuheiten, die es beispielsweise 2020 laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels gab. Zudem ist die Branche seit vielen Jahren im Umbruch. Einer riesigen Zahl an Neuerscheinungen stehen relativ sinkende Umsätze gegenüber.
Vor allem sogenannte Publikumsverlage gehen deshalb auf Nummer sicher. »Quersubventionierung ist in Konzernverlagen brüchig geworden, potenziell soll sich jedes Buch tragen und Gewinn abwerfen. Man setzt auf das riskante Geschäft mit Bestsellern«, erklärte die Literatursoziologin Carolin Amlinger dem Standard. Dabei wäre »die Pflege der Backlist und deren Aufbau an sich das Wichtigste und die hohe Kunst des Verlegens«, meint Benedikt Föger vom Wiener Czernin Verlag, der u. a. die Bücher von Renate Welsh verlegt, allesamt Longseller.
Einerseits geht es um das Kultivieren eines Profils, also um Fragen wie: Wofür steht ein Verlag? Was wird veröffentlicht, was wiederaufgelegt? Welche Autor*innen baut man langfristig auf? Andererseits geht es, natürlich, auch ums Geld. »Wüsste man vorher schon, welche Titel erfolgreich sind, würden vermutlich weniger produziert werden und Neuentdeckungen unter Umständen deutlich erschwert«, meint Bernhard Borovansky, Verleger des Braumüller Verlags. Best- und Longseller hat er einige im Programm.
Kleine Trüffelschweine
Seit einiger Zeit bemüht man sich bei Braumüller auch um Literatur. »In der Literatur agieren die kleinen Independent-Verlage oft als Trüffelschweine. Zum Teil erhalten die dann erfolgreichen Autorinnen und Autoren Angebote von größeren Verlagen, die in einigen Fällen auch angenommen werden«, bedauert Borovansky. »So fallen die literarischen Bestseller in den kleineren Verlagen als Querfinanzierer unter Umständen auch weg.«
Auf die Anfrage, aus dem eigenen Programm einerseits einen repräsentativen Longseller zu nennen und andererseits eine erst durch dessen Erfolg ermöglichte Publikation, winkt Borovansky ab. Einen konkreten einzelnen Titel möchte er nicht hervorheben. Andere Verlage, etwa Zsolnay, sagen mit der Begründung ab, dass man generell keine Zahlen kommuniziere. Was die eingelangten Beispiele aber zeigen: Auffällig oft finanzieren erfolgreiche Sachbücher literarische Debüts oder Neuauflagen zu Unrecht vergessener Prosa.
Was ist ein Bestseller?
Rein in Zahlen gemessen gibt es keine feste Definition, welches Buch ein Bestseller ist. »Ein Bestseller ist ein Titel, der in einem bestimmten Zeitraum im Vergleich zu anderen Titeln am häufigsten verkauft wird«, erläutert Thomas Koch, Pressesprecher beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels.
Was ist ein Longseller?
»Ein Longseller ist ein Titel, der sich über einen längeren Zeitraum gut verkauft«, sagt Branchensprecher Thomas Koch. »Die beiden Termini schließen sich aber nicht aus, ein Bestseller kann auch ein Longseller sein.«
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