Das Wiener Designstudio Strukt macht seit Jahren genau das, was sich das Sound:Frame Festival heuer zum bestimmenden Thema gesetzt hat: Mapping.
„Mapping“ ist für Strukt nur eine von vielen Möglichkeiten, mithilfe von Projektionen, ungewöhnlichen Interfaces und zeitgemäßem Grafikdesign magische Momente zu gestalten. Doch wo viel Licht ist, da ist natürlich auch Schatten. Das gilt insbesondere für den Fall, dass man ein Visual für eine bestimmte Oberfläche zuschneiden und entsprechend verzerren muss. Die dabei beginnende Professionalisierung hinterlässt Spuren in der Branche. The Gap hat Andreas Koller, Creative Director von Strukt, und Geschäftsführer Thomas Hitthaler zum Interview getroffen.
Strukt sind ja schon lange mehr als nur ein Haufen VJs …
Andreas Koller: Wir haben als Visualisten angefangen, als man noch erklären musste was ein VJ überhaupt ist. Damals haben wir uns noch nicht darüber beschwert, dass man als VJ immer als Erster in den Club kommt und als Letzter geht. Heute möchten wir nicht mehr irgendwas nebenher zur Musik machen, sondern es würde uns interessieren, viel enger mit Artists zusammen zu arbeiten; etwa das komplette Licht- und Stage-Design eines Artists zu übernehmen – so wie das zum Beispiel bei Daft Punk oder Massive Attack passiert.
Wir möchten das Grund-Setup eines Live-Auftritts mitgestalten, so dass VJ und Musiker sich wirklich gegenseitig beeinflussen, also raus aus der Beliebigkeit.
Könnt ihr bitte kurz die Entwicklung von Strukt nachzeichnen?
AK: Anfangs waren wir zu siebt und haben allesamt 2001 begonnen, MultiMediaArt in Salzburg zu studieren. Kurz darauf kam die Idee zu einem Magazin für Grafikdesign, also Arbeiten im klassischen Printdesign, von dem letztendlich drei Ausgaben entstanden sind. Gleichzeitig waren im Visualbereich Bildstrom und Renegadez aus Salzburg große Vorbilder.
Wir inspirierten uns aber auch selbst dazu, über das Abspielen und Live-Remixen von Videomaterial hinauszugehen, nicht nur auf Leinwände, sondern auch auf Objekte zu projizieren. Und wir haben schon früh generative Grafiken verwendet. 2007 gründeten schließlich fünf Personen die Firma Strukt, die mittlerweile sieben – also fünf Gründer plus zwei – Angestellte hat, zwei bis drei Praktikanten, die als Designer arbeiten, und projektbezogen von null bis vier Freelancer. Sehr geholfen und für einen Buzz gesorgt hat uns in letzter Zeit das Digital Wallpaper für Büro Hirzberger, das es sogar bis auf die Site von Kanye West geschafft hat.
Ihr bewegt euch im Spannungsfeld von Visuals als Kunstform und als Dienstleistung. Wie sehr bietet ihr einfach ein Produkt an, das prinzipiell jeder gegen dasselbe Geld haben kann?
Thomas Hitthaler: Man kann Kunden nicht erziehen; aber man kann es versuchen. Und irgendwie schaffen wir es regelmäßig, Auftragsarbeiten, in denen es um das Transportieren von Messages geht, anzuschubsen und zu drehen. Das heißt, am Anfang kommen eigentlich immer sehr trockene Briefings, die eine Werbelinie durchdrücken wollen. Kunden kennen oft nur Powerpoint und vielen würde es reichen, wenn die Projektionen einfach doppelt so groß wie im Jahr zuvor wären.
Wir wollen aber nicht einfach nur Beamer aufstellen, wir wollen zu den Inhalten einen Kontrast liefern, einen visuellen Luxus, etwas, das überrascht.
Und wann ist der Punkt erreicht, an dem man ein Projekt inhaltlich nicht mehr durchziehen kann?
AK: Meistens scheitert es am Budget. Man entwickelt Konzepte und Visualisierungen, dann wird das Ganze gekürzt, bis irgendwann eine Grenze erreicht ist, wo man keine kreativen Möglichkeiten mehr hat.
Und selbst dann können wir einfach nur das Design der Inhalte übernehmen. Das ist dann das sogenannte Butter- und Brötchengeschäft. Wir versuchen aber immer, ganzheitliche Designlösungen zu finden.
Was waren Aufträge, bei denen ihr abgewunken habt? Wie steht ihr zur Arbeit für politische Parteien?
TH: Aus der Politik haben bisher nur die deutschen Grünen angefragt. In Österreich würden wir für gewisse Parteien sicher nichts machen. Man gibt sich schon einen ethischen Kodex, gewisse Maßregeln. Denn es gibt in dieser Branche auch unsauberes Geld und es muss einem klar sein, dass bei Aufträgen von ganz bestimmten Unternehmen Kapital dahinter steht, das mit eher fragwürdigen Geschäftsmodellen erwirtschaftet wurde. Viele Agenturen in unserer Branche stellen sich diese Frage allerdings erst gar nicht.
AK: Deswegen diskutieren wir jede Anfrage und machen im Zweifelsfall das Projekt einfach teurer, um dann für einen guten Zweck spenden zu können. Man geht manchmal zu einer gewissen Art von Ablasshandel über, finanziert sich im Gegenzug dann damit jene Projekte, die uns besonders am Herzen liegen. So konnten wir etwa das komplette Corporate Design für das vom Friedensnobelpreisträger Muhamad Yunus gegründete „Grameen Creative Lab“ unentgeltlich anbieten.
Ist nun das Einpassen von Visuals auf platte und krumme Oberflächen, also Mapping, eine eurer zentralen Stärken?
TH: Wir sehen uns gern als „Interaktionsgestalter“. Mapping ist dabei eine Technologie von mehreren, die wir verwenden, wenn es nötig ist. Jedes Einpassen eines Visuals auf eine Oberfläche ist bereits Mapping.
span lang=“DE“>Mapping kann dabei ganz einfach sein und ist eigentlich keine Kostenfrage solange man sich auf zweidimensionalen Flächen bewegt. Man schneidet Stückchen aus der Projektion heraus und platziert sie auf der zu bespielenden Oberfläche. Erst in der dritten Dimension wird Mapping deutlich komplizierter. Grundsätzlich ist das aber gerade so etwas wie eine Weapon of Choice.
Wir haben zum Beispiel ein Tool, das man mit Handbewegungen steuern kann; oder wir arbeiten mit Kamera-Tracking, da ist Mapping dann jeweils ein Teil der Arbeit. Wie übrigens auch in unserem Multitouch-Tisch, dem Struktable. Wir wollen dabei Arbeiten immer auf das Magische herunterbrechen – man muss und soll vielleicht auch gar nicht verstehen, wie das funktioniert.
Woher kommt es dann, dass gerade jetzt rund ums Mapping so viel Wind gemacht wird?
TH: Mapping ist an sich nichts Neues, es bedeutet lediglich. zwei Dinge deckungsgleich zu bringen. Der von checksum5.com bespielte Pavillon bei der letzten Expo 2008 in Saragossa war schon komplett ausprojiziert. Die Firma MESO Digital Interiors hat schon seit 1997 auf andere Oberflächen raufprojiziert, Fassadenbespielungen sind schon alt und sogar Disney projiziert schon Ewigkeiten Lippenbewegungen auf Skulpturen. Denn man braucht für das Mapping eigentlich nur einen Computer und dynamische Bilderzeugung.
AK: Wichtig für den Boom von Mapping war jedenfalls die „Augmented Sculpture“ von Pablo Valbuena aus dem Jahr 2007. Plötzlich haben alle Leute davon gesprochen und das entsprechende Video ging durchs Internet. Seither rollt das. Es ist ein nettes Experimentierfeld, um Illusionen zu erzeugen. Es gibt Mapping aber in sehr unterschiedlichen Formen.
TH: Und Mapping ist derzeit hier in Österreich sicher eine Modeerscheinung. Andererseits wurde in dem Bereich gerade erst an der Oberfläche gekratzt. Mapping hat in einem nächsten Schritt auch viel mit Augmented Reality zu tun: Man kann grundsätzlich nicht aus allem so einfach einen Monitor machen und muss stattdessen auf Projektionen zurückgreifen. Oberflächen in Räumen entwickeln dadurch eine Intelligenz und vielleicht entwickelt sich die Technologie sogar zu einem generellen Interface zwischen Objekt und seinem User weiter. Dazu braucht es im Grunde nur eine Kombination aus Sensorik und einem Feedbacksystem. Was derzeit allerdings noch Zukunftsmusik ist …
Welche technischen Umwälzungen haben dann aber dazu geführt, dass Mapping heute so präsent ist?
TH: Die entsprechende Software ist frei verfügbar, es ist nur mehr eine Frage des Know-hows. Die Software VVVV ist beispielsweise für die nicht-kommerzielle Nutzung gratis.
Man hat speziell mit VVVV ein Tool, das eine gute Kombination aus Funktionsumfang und Schwierigkeit mitbringt und eine ganz starke Rückkopplung zwischen Entwicklern und Usern aufweist. Die Software ermöglicht die Umsetzung von komplexen Medieninstallationen, sie kann aber auch von Einsteigern benutzt werden.
AK: Die Hardware, um so was zu machen, steht aber auch mittlerweile sehr billig zur Verfügung. Während es vor fünf Jahren noch vollkommen unrealistisch war, acht Projektoren gleichzeitig zu bespielen, kann das inzwischen ein durchschnittlicher Computer umsetzen. Vor allem erlaubt Mapping eine Interaktion mit dem Publikum. Die Leute können damit spielen, Räume und Projektionen reagieren auf Menschen, ganz gleich, ob man das Feedback nun per Kamerasignal, Ultraschall, Sound, Hitze oder mit Midi-Signalen steuern lässt.
Man hat den Eindruck, dass speziell rund um Wien derzeit sehr viel passiert – Soundframe, Urban Art Forms, das Quer-Symposium von Departure oder der österreichische Pavillon auf der Expo in Shanghai, der komplett ausprojiziert sein wird – ein trügerischer Eindruck?
TH: Es gab mit dem ganzen Videokunstbereich in den 70er Jahren ja schon gute Voraussetzungen, und Sachen aus Österreich sind damals auch schon Vorreiter im Visualbereich gewesen. Es gibt eine sehr starke VVVV-Community in Wien, eine gute Basis und zumindest die Quantität stimmt. Am Urban Art Forms haben die Visuals zum Beispiel auch den Stellenwert, den sie auch haben sollten. Aber das Beste aus dem Visualbereich, die wirklich bahnbrechenden Dinge, kommen von woanders her.
AK: In Wien ist definitiv von offizieller Seite ein Verständnis für die Kunstform da, aber das ist eigentlich in den meisten europäischen Großstädten so. Speziell an Wien ist sicher die gute Förderkultur. Insofern würde ich sagen, dass Österreich und speziell Wien zwar auf Weltklasseniveau spielen, aber sicher keine Sonderstellung haben.
Nochmals zu euch selbst: Was kann Strukt, was andere nicht können?
AK: Wir haben vor der Firmengründung sehr genau überlegt, was wir wollen: Für Motion Design wäre der Markt da gewesen, aber wir bei Strukt können auch Software schreiben, viele Designer sind gleichzeitig auch Programmierer. Wir wollten Design mit unserer technischen Kompetenz verbinden und Software-Umgebungen schaffen, die das ermöglichen. Im Web gibt es den klassischen Konflikt, dass sich Webdesigner und Webprogrammierer nicht verstehen, nicht wissen, was der andere eigentlich kann.
TH: Bei uns funktioniert dagegen die Kommunikation zwischen der strukturell abstrakten Arbeit und der gestalterischen Arbeit sehr gut. Das Projekt kann also gleichzeitig gut funktionieren und gut aussehen. Diese Schnittstelle, die sonst häufig Probleme bereitet, können wir ganz besonders bedienen. Und da gibt es in Österreich nur wenige, die ähnlich aufgestellt sind.
Wie sehr hat sich die Szene in den letzten Jahren auch professionalisiert? Gibt es für VJs Booking-Agenturen, oder habt ihr Leute für den Verkauf von Projekten, für die Akquise neuer Kunden?
AK: Es gibt nur wenige, die als VJ auch davon leben können. Da müsste sich zuerst das Bewusstsein ändern, dass man nicht nur wegen der Musik in Clubs und auf Konzerte geht. 4youreye betreiben derzeit eine Art Artist Agency für VJs.
Wir von Strukt haben aber generell schon unsere Vertriebswege. Das allermeiste läuft insofern sicher noch in persönlichem Kontakt ab. Wir haben einiges ausprobiert, etwa PR auzulagern, sehen zwar Potenzial für solche professionelleren Strukturen, aber für uns macht es derzeit mehr Sinn, z.B. PR im Internet selbst zu machen.