Mach's dir selbst

Noch nie zuvor war es für Möchtegern-Autoren und Autoren so einfach, Texte an ein Publikum zu bringen, ohne sich etablierter Strukturen bedienen zu müssen.

Das Imperium schlägt zurück

Amazons Performance können etablierte Verlage natürlich nicht einfach so hinnehmen. Einer, der in der Self-Publishing-Szene mitmischt, ist Neobooks.com »powered by Droemer Knaur in Kooperation mit Rowohlt«, dem eigenen Vernehmen nach Marktführer in Sachen E-Book-Self-Publishing im deutschsprachigen Raum. Das E-Book erstellen, Vertrieb in den üblichen Shops und weitere Goodies sind gratis. Zudem besteht die Chance, den Sprung ins reguläre Verlagsprogramm zu schaffen. Neobooks lässt seine Online-Community ranken, die besten zehn werden regelmäßig vom Droemer Knaur-Lektorat gesichtet, die besten dann überarbeitet als offizielles E-Book oder Taschenbuch des Verlages herausgebracht.

Und dann gibt es eine Vielzahl von mehr oder weniger bekannten Dienstleistern, die sich auf Self-Publishing-Autoren spezialisiert haben: Tredition zum Beispiel agiert einerseits als Verlag und bietet Klassiker der Weltliteratur als Print-on-Demand an. Andererseits kann ein Autor dort um einmalig 150 € sein E-Book inklusive Konvertierung in vier E-Book-Formate und Vertrieb veröffentlichen. Zwei von drei willkürlich gewählten Leseproben machen schnell klar, warum diese Titel nicht bei etablierten Verlagen erschienen sind. Die Autorin der dritten hingegen hat einen Literaturpreis gewonnen.

Ich mach was mit Büchern

Nicht zu unterschätzen ist der mit einem selbst verlegten Werk verbundene Aufwand: Jeder Autor ist gleichzeitig für Formatierung, Lektorat, Korrektorat, Marketing und Presse zuständig oder muss bei Bedarf dafür bezahlen. Unterschätzt wird mitunter auch die Notwendigkeit, sprachlich sattelfest zu sein. Es ist witzig, wenn sich Autoren mit mangelnder Rechtschreibung in einschlägigen Foren austauschen. Und es ist noch witziger, wenn jeder und alles am Misserfolg des eigenen Werkes schuld ist – nur nie man selbst. Auf der anderen Seite gibt es die – und es sind nicht wenige –, die durch Self-Publishing reüssieren können.

Haben der enorme Output an günstigen, selbst verlegten E-Books und die Annahme, dass das E-Book dem Taschenbuch generell Absatz kostet, Auswirkungen auf das Geschäft von etablierten Verlagen? Haymon, einziger österreichischer Verlag mit nennenswerter Taschenbuchschiene, beobachtet die Entwicklungen sehr genau und zeigt sich bis dato nicht besonders beeindruckt. Der Verlag setzt auf gehobene Literatur aus Österreich – und in diesem Segment spielt Self-Publishing so gut wie keine Rolle. Programmleiter Georg Hasibeder: »Autorinnen und Autoren, die nicht bloß einmal ein Buch veröffentlichen, sondern langfristig und ernsthaft tätig sein wollen, werden in den allermeisten Fällen bei einem guten Verlagshaus deutlich besser aufgehoben sein als im Self-Publishing«.

Zudem steigt die Zahl derer, die ein gedrucktes Buch bei Haymon veröffentlichen wollen, ständig. Alles Aussagen, die man auch von anderen heimischen Verlagen hört. Mehrere große deutsche Verlagshäuser aber, deren Taschenbuchsegment die selben Genres wie das hauptsächliche Angebot der Self-Publisher abdeckt, gaben trotz wiederholter Bitte keine Stellungnahme zu möglichen Auswirkungen auf ihr Geschäft ab.

Kurzfristiger Hype oder neuer Standard?

Was bedeutet es, wenn einer Studie im Herbst 2013 zufolge über ein Drittel der befragten Autoren angaben, sich bewusst gegen einen traditionellen Verlag entschieden zu haben (Offen bleibt natürlich, ob diese denn bei einem solchen je genommen worden wären)? Was bedeuten kürzlich aufgetauchte Berichte, dass Self-Publishing-Autoren mehr verdienen können als in regulären Verlagen? Werden Autoren den Verlagen nun in Scharen davonlaufen? Im Moment gibt es darauf keine Antworten. Matthias Matting, Betreiber der Self-Publisher-Bibel und Kenner der Materie: »Self-Publishing ist definitiv kein temporärer Trend, es wird bleiben und mit dem Anteil des eBooks am Buchmarkt wachsen. 2020 dürften Self-Publisher am deutschsprachigen Buchmarkt einen Anteil von 16-18 Prozent haben«.

Sicher ist das nicht. Eines aber ist schon heute sicher: Durch das Fallen von Zugangshürden ist der Buchmarkt gerade dabei, sich zu demokratisieren. Denn heute kann (fast) jeder ziemlich einfach am literarischen Leben teilhaben. Und das ist gut so.

Die wichtigsten digitalen Self-Publishing-Plattformen sind Kindle Direct Publishing und Neobooks. Wer sich weiter informieren will, besucht am besten die Self-Publishing-Bibel.

Bild(er) © DER BUCHFREUND Walter R. Schaden
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