Strike A Pose!

Innerhalb von drei Jahren brach die schwarze New Yorker Queer-Szene ans Licht der Weltöffentlichkeit. Interviews und Fotos hauchen dem neues Leben ein.

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»Vogue« von Madonna war 1990 die meistverkaufte Single des Jahres. Die eigentlichen Stars des Videos: Mitglieder der New Yorker Ballroom-Szene. »Eigentlich« deshalb, weil Madonna immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert war, schwarze Subkulturen und ihre Codes auszubeuten. Nach dem Erfolg von »Vogue« wurde sie nie wieder in der Sound Factory gesehen, einem Club, in dem sie einige Monate lang die Szene genau beobachtet hatte. Derselbe Vorwurf traf auch Jennie Livingston, die 1990 mit ihrer Dokumentation »Paris Is Burning« den Jurypreis des Sundance Filmfestivals gewann. Die bekannte Theoretikerin Bell Hooks bezeichnete den Film als imperialistisch, kapitalistisch und patriarchal. Mitglieder dieser Ballkultur sahen das Ganze durchaus gespalten, fühlten sich getäuscht und waren andrerseits über den unerwarteten Ruhm froh. Davor schon griffen die New York Times, das Time Magazine, der Aids Love Ball oder Fashion Shows das Thema auf, Tausende kamen zu den Bällen, in den späten 80ern neuerdings ein gemischtes Publikum. Was dabei Aufsehen erregte, war ein Tanzstil namens Voguing.

House of Garcon, House of Xtravaganza, House Of Milan oder House Of Ninja waren einige schillernde Namen der in Clan-ähnlichen Häusern organisierten Ballroom-Szene. Diese Häuser waren eine der wenigen sozialen Strukturen, die den meist mehrfach Ausgestoßenen überhaupt noch blieben. Noch schlimmer als schwarz, schwul, arm und transgender konnte man es ja ohnehin kaum erwischen. Entwickelt hatten sie die Häuser in den 60ern, weil es sogar innerhalb der queeren Szene zu Ausgrenzungen kam. Schwarze und Hispanics schufen sich eigene Verbände, Häuser eben, mit einem Haus-Vater und einer -Mutter. Regelmäßige Bälle waren Anlass, Ballköniginnen zu wählen, für die es mehr und mehr Kategorien gab: In den 80ern etwa Butch Realness, Models Effect oder Face. Country, Ethnic, Executive kamen neben anderen dazu.

Als dann eines Abends Paris Dupree durch eine Ausgabe der »Vogue« inspiriert beim Tanzen provokante Posen schlug, hatte der Tanzstil seinen Namen und stand ein paar Jahre später auf den Bühnen von MTV. Oder so ähnlich. Meint zumindest dieser 208-seitige Bildband, der von einigen überaus aufschlussreichen Interviews mit Protagonisten der Szene gerahmt wird. Dann Weltkulisse. In nur drei Jahren war das Thema durch, Aids lauerte um die Ecke und zerrte einen Großteil der Szene ins Grab – bis hin zur Haus-Über-Mutter Paris Dupree heuer.

Dieses Buch nun schlägt mit einer achtseitigen Einführung einige historische Eckpfeiler auf engem Raum ein und verdeutlicht die Kontinuitäten der queeren New Yorker Ballszene abseits der Jahre im grellen Scheinwerferlicht. Heute lebt die Szene immer noch, es dominieren die Butch Queens, während die Altvorderen wie üblich jammern, dass die Szene langweilig geworden sei. Neue Formen des Voguings haben sich entwickelt: Vogue Femme, Vogue mit Twist oder dramatisches Voguen. »Voguing and the House Ballroom Scene Of New York City 1989-92« ist dabei sicher kein Standardwerk zum Thema, aber zumindest ein sehr fundierter und differenzierter Einblick. Es gibt einen Abriss der einschlägigen Filme und Tracks, erklärt Begriffe wie Femme Queen und Trans-Man oder lässt Hector Xtravaganza Ballroom-Frühgeschichte nacherzählen: »Was auch immer sonst passierte – Business, Schwänze lutschen oder high werden – wenn ›Magnifique‹ lief, bildeten wir alle einen Moshpit.« Mosh on!

Voguing and the House Ballroom Scene Of New York City 1989-92

Stuart Baker, Chantal Regnault, Tim Lawrence

http://www.souljazzrecords.co.uk

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