Man müsste der Forelle schon sagen: Danke

Johannes Piller und Peter Balon sind das neue Führungsteam der Grellen Forelle. Ihr allererstes gemeinsames Interview handelt von der Technopolizei, schweren Entscheidungen, Black Metal, Helene Fischer, den neuen Körperkontrollen, Wien und der Liebe.

Ihr wart sehr schnell mit eurer Refugees-Welcome-Party.

PB: Wir wollten das schnell machen, weil es sonst ausgesehen hätte als würden wir uns nur auf etwas drauf setzen. Das hat sehr schnell und unkompliziert, fast perfekt, funktioniert.

JP: Wir hatten an einem Nachmittag auch 300 Flüchtlinge, die bei uns Tischtennis und Playstation über die Anlage spielen konnten und einen Breakdance-Workshop bekommen haben. Das hängen wir aber nicht an die große Glocke.

Wie oft seid ihr selbst nachts im Club?

PB: Mindestens einmal pro Woche. Früher habe ich alle Dienste gemacht, immer acht Stunden, manchmal bis neun oder zehn in der Früh. Das geht an die Substanz. Das ist ja ein lebendiger Organismus, ein eigenes Universum, in dem viele unvorhergesehene Dinge passieren können. Den unter Kontrolle zu halten, ist nicht leicht.

Und du?

JP: (Lacht) Ich war im Oktober zwei Mal im Club. Im September drei oder vier Mal. Weil ich mehr fürs Back Office zuständig bin. Ich vertraue dem Team. Aber wenn, wie im Dezember, viele Acts kommen, die mir am Herzen liegen, deutlich öfter.

Braucht es auch mal Entgiftung und eine Pause?

PB: Bis Anfang dieses Jahres hatte ich noch nie Urlaub. Das hat sich einfach so ergeben. Seit April fahr ich einmal im Monat weg. Aber ich schreib natürlich immer den Leuten, damit alles passt.

JP: Sowohl Peter als auch ich schauen auf unsere Leute, damit sie sich Zeitfenster freischaufeln. Wir sind im Nachtleben, das ist nun mal nicht das gesündeste. Ein bisschen Selbstverantwortung gehört natürlich dazu. Sonst richtet man sich zugrunde.

PB: Man kann im Nachtgeschäft irgendwann an Empathie verlieren. Weil man manchmal mit Leuten zu tun hat, die man am liebsten …

JP: … man kann ein Misanthrop werden.

Das warst du noch nie.

JP: … ich habe Tendenzen. (Lachen)

War Mario Soldo nochmal da?

JP: Ja. Es gibt mittlerweile ein sehr freundschaftliches Verhältnis.

Gibt es 4-Jahre-Specials?

PB: Free Drinks für alle. (Lachen)

JP: Donnerstag ist bei die ganze Nacht gratis Eintritt. Am Freitag kommt einer der größten Underground-Techno-DJs überhaupt, Robert Hood. Und Samstag gibt es bei und für die ersten 444 Gäste nur 4 Euro.

Ihr hattet Richie Hawtin, Dubfire, undsoweiter.

JP: Es werden wieder große Namen kommen, weil es ihnen bei uns sehr gut gefallen hat. Namen können wir noch nicht nennen.

Was sind große Kostenpunkte, die einem normalen Besucher nicht auffallen?

JP: Die Wartungen gehen jährlich in die zehntausende Euro. Das sind Lüftung, Licht, Notbeleuchtung, Hebeanlage, Kühlanlagen, Sanitäranlagen. Oder Notausgangstüren. Wir könnten bald einen Fachhandel für Klomuscheln aufmachen und wären unser bester Kunde. Was da kaputt geht. Wir haben das ausprobiert, das kann nur absichtlich passieren.

PB: Vergnügungssteuer, Ausländerabgabesteuer, an die AKM zahlen wir einen Batzen Geld, damit Helene Fischer ein gutes Leben führt. Wir könnten jedem DJ ein Formular hinlegen, damit das an die richtigen Leute geht. In der Praxis ist das nur nicht machbar.

Was waren schwere Entscheidungen in den letzten Jahren?

JP: Wenn ich ehrlich bin, diskutieren wir in den unterschiedlichsten Intervallen über jedes Thema. Ist der Bierpreis gerechtfertigt? Können wir die Barkarte verbessern? Sind die Securities zu streng, zu locker? Stimmt das Booking? Eine Richtungsentscheidung war sicher, den Club montags bis sonntags zu öffnen. Daraus haben sich viele neue Programmpunkte ergeben.

PB: Der Hansi und ich könnten ja auch nur administrieren. Aber das ist fad. Vielleicht war die Lösung damals ein halbes Jahr später falsch. Wir müssen uns dauernd weiterentwickeln. Ohne es immer wieder zu versuchen und zu "failen", wird man auch niemals besser werden. Es fehlt in Wien manchmal der Mut zu scheitern.

Irgendwer meinte mal, es ist egal, ob man Bar selbst macht oder auslagert. Man wird immer beschissen.

PB: Nein.

JP: Nein. Wir stehen hundert Prozent hinter unseren Leuten. Solange du fair bist, passiert das nicht.

PB: Wir sind so aufgestellt, dass jeder gleich wichtig ist. Von der Garderobe über das Klo bis zum Controlling. Die Bar jetzt selbst zu machen, war absolut der richtig Schritt.

Ihr habt keine Angst vor der Registrierkasse?

PB: Gar nicht. Das haben wir seit der Eröffnung. Wir waren immer zu groß, um Dinge schwarz zu machen. Einen Respekt habe ich vor den Systemgastronomen wie dem Praterdome, die das von Anfang an geschickt so umgesetzt haben.

JP: Das machen die natürlich auch, damit der Besitzer in seiner Finca auf Mallorca übers Netz schauen kann, wo wie viel umgesetzt wird. Bei Clubs, die noch keine Registrierkasse hatten, könnte es aber mitunter sein, dass diese einen schwer erklärbaren Anstieg im Umsatz haben. Was dann nur einen Schluss nahelegt.

Es gibt ja Absprachen. Warum nicht mit der Kantine?

JP: Mit Auslage und Pratersauna sprechen wir uns ab, damit gewisse Blödheiten nicht mehr passieren. Die Kantine hat nie eine Gesprächsbasis gesucht. Man muss ja nicht mit allen Menschen auf der Welt Best-Friends sein.

Wie geht es der Wiener Clubkultur gerade?

JP: Wäre ich noch Mal 21, müsste ich sagen, ich lebe in einer Clubmetropole. Was mir von kleinen Locations wie Werk, Celeste, Venster geboten wird bis zu den Großen wie Flex, Sauna – da ist für jeden so viel dabei, dass man sich entscheiden muss. Auch unter der Woche.

Aber man geht doch viel mehr am Wochenende in Clubs. Unter der Woche muss man studieren, hat Projekte…

JP: Als Student bin ich jeden Dienstag ins Flex und habe am Mittwoch alles spritzen können. Ich war ein verhasster Student. Der Druck ist heute sicher höher. Wir hatten eine Finanz- und eine Wirtschaftskrise, die man noch immer spürt.

PB: Ich stoße mich aber an diesem Wort, Clubkultur. Das ist so schwammig. Für mich sind das Berghain, das Flex oder die Arena aus einer Szene und einer Zeit heraus gewachsene Orte. Die Forelle ist nach einem Marktbedürfnis konzipiert worden. Sie funktioniert unter wirtschaftlichen Kriterien, nicht weil man primär Subkultur Platz bieten will.

Aber Clubs sind ein sozialer Ort. Gerade die Forelle. Ihr habt ein Profil, das ihr geschärft habt.

JP: Die Forelle ist als erster Club in Wien einfach hingestellt worden. Wir müssen – ja, ein neoliberales Konzept – Profit machen. Das ist nichts Böses. Der persönliche Antrieb ist aber natürlich die Liebe zur ganzen Clubkultur. Angenommen du nimmst die Forelle raus. Was gäbe es dann noch? Es würde schon traurig aussehen.

PB: Die Leute in Wien müssten der Forelle schon mal sagen: Danke. (Lachen)

Seid ihr die Clubflüsterer?

JP: (Lachen) Äh äh äh, ja, das Qi muss fließen. (Lachen)

PB: Es soll jeder seinen Spaß haben. In der Gastro gibt es zum Beispiel sicher Mitarbeiter, die nicht wegen ihrer Mega-Kompetenz an der Bar eingestellt wurden, sondern weil die Persönlichkeit mitbringen und natürlich viel Leute kennen. Da ist mir das scheißegal, wie schnell der ein Gin Tonic bringt, er muss reinpassen.

JP: An jedem Wochenende bewegt sich diese Masse, auf die man sich immer wieder neu einstellen können muss. Vom Security, über Kassa, Garderobe, Chef vom Dienst, die Artists über das Publikum. Es muss, so esoterisch das klingt, insgesamt eine Harmonie herrschen.

4 Jahre Grelle Forelle mit Hunee (3. Dezember, gratis Eintritt die ganze Nacht), Robert Hood (4. Dezember) und Dyed Soundorom und Seuil (5. Dezember).

Bild(er) © 150 Jahre The Gap: Stephan Brückler, Forelle-Terrasse bei Tag: stills.eraserhead.at
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