Metamart: Kunst unterm Hammer

Metamart will sich als alternative KunstVerkaufsmesse für Einsteiger etablieren. Kurator Lorenz “eSeL” Seidler erzählt uns im Interview wie er auf diese Idee gekommen ist und warum er den Wandel der Gegenwartskunst verändern will.

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Der Zeitpunkt ist gerade günstig ausgesucht. Pünktlich zur »Vienna Art Week« wird die Ausstellung »Metamart – Marktmodelle« eröffnet. Was war der Anlass sich einer experimentelle Marktsituation zu begeben? Und warum eine „Parallelmesse“?

Das parallele Nebeneinander unterschiedlicher „Marktmodellen“ bei Metamart macht überdeutlich, dass Kunst nicht vom Himmel fällt, sondern dass auch Künstlerinnen und Künstler Verwertungsmöglichkeiten berücksichtigen müssen. Bei uns wird das überdeutlich, weil sich jede Künstlerin und jeder Künstler zwei Mal in zwei unserer insgesamt vierzehn parallel ablaufenden „Mini-Messen“ gezielt inszenieren muss. Wir haben jeweils Teilaspekte des Kunstbusiness mit Augenzwinkern überspitzt, die mitverantwortlich dafür sind, was wir als „Kunstwerk“ bezeichnen. Nur das Preisniveau ist bei uns deutlich breitenwirksamer als bei „normalen“ Kunstmessen.

Die österreichische Kunstszene wurde sehr stark vom Fall des Eisernen Vorhang beeinflusst. Präsentiert die Metamart Ausstellung auch junge osteuropäische Künstlerinnen, Künstler und Kunst?

Es ist witzig, wenn man anhand der Einreichungen sehen kann, in welchen regionalen Mailinglisten unser Open Call offenbar kursiert ist: scheinbar Budapest, Kiew und Zagreb. Gerade nicht-institutionelle Netzwerke sind sowieso rege international unterwegs. Bei der Auswahl durch die Jury stand überhaupt nicht im Vordergrund „Ostkunst“ zu zeigen, sondern wer zu einem anregender Austausch beitragen könnte – mit unserem total durchmischtem Publikum aber auch zwischen den Künstlerinnen und Künstlern. Jedoch: Ist nicht gerade Wien sowieso seit jeher Teil von „Osteuropa“?

Der Galerist Ernst Hilger hat letztens in einem Interview behauptet, dass sich in den letzten 20 Jahren eine Schicht gebildet hat, die nicht nur Auto und Wohnung, sondern auch Gegenwartskunst schätzt und sich sogar ein, zwei Zeichnungen gönnt. Setzt sich Metamart als Ziel eine neue Publikumsschicht anzusprechen? Oder geht man eher auf Museums- und Privatsammlungen zu?

Seit dem Erfolg mit dem ARTmART-Einheitspreis-Modell wissen wir, dass es auch von „ganz normalen Menschen“ (oft übrigens auch ohne Auto oder Eigenheim!) ein breites Rieseninteresse gibt, Kunst auch zu Hause wirken zu lassen. Das „Schnäppchen“-Besitz erzwingt geradezu langfristiges Interesse am gewählten Künstlerin und Künstler – weil man „seine“ Künstlerin und "seinen" Künstler weiter verfolgt – sei’s nur um den Freunden zum Werk überm Sofa auch Geschichten bieten zu können. Wir stellen dafür den „first contact“ direkt her.

Die Folge sind Ausstelllungsbesuche, Atelierbesuche und oft auch weitere Käufe. Da wir über das Wiener Offspace Netzwerk selbst auch ständig neue Entdeckungen machen sind wir für Kunst-Fachpublikum sowieso interessant, auch weil ja die jeweilige konzeptuelle Herangehensweise der Künstlerinnen und Künstler des trickreichen Metamart-Kontexts spannend ist. Der Herr Kultursdtatrat bzw. die MA7 kaufen weiterhin zu „normalen“ Kunstmarktpreisen – das ist ja kulturpolitisch eine der ohnehin wenigen direkten Fördermassnahmen für junge Künstlerinnen und Künstler.

Kunst ohne Business-Geschick ist nicht mehr wegzudenken. Muss man also Business-Künstler werden um in der Kunstszene Erfolg zu haben?

Nicht unbedingt. Dies „Kunstszene“ also der Kunstkontext insbesondere Galerien werden als gesellschaftliches Subsystem weiterhin Entdeckungen machen, aufzubauen versuchen und – leider nur viel zu wenigen – auch relevanten Marktzugang bieten. Allzuviel „business plan“ verträgt sich oft nicht mit der Denk- und Arbeitsweise von Künstlerinnen und Künstlern. Dafür ist dieser „Umweg“ über den Kunstbetrieb gut – und sowieso gesund für unsere Gesellschaft. Trotzdem tut es Not sich auch über das gegebenenfalls „Anti-Business-Model“ und Alternativen nachzudenken um zu klären mit welchen „Business“- oder institutionellen Kollaborateuren man unter welchen Bedingungen langfristig professionell arbeiten will.

So laut und hysterisch wie sich die Kunstwelt in den vergangenen Jahren selbst gefeiert hat, wird es nach der Wirtschaftskrise nicht weitergehen. Inwieweit hat die Finanzkrise den Markt für zeitgenössische Kunst verändert? Wer investiert noch 2011 in Kunstwerke?

Ein köstliches Paradoxon des Auktionsmarktes ist ja die „Biggest fool“-Theorie. Offenbar gab es bei derlei Rekordpreisen niemanden, der bereit wäre MEHR als das „Jubel“-Letztgebot zu zahlen. Somit: Für wen außer den Käufer ist dieses Werk also wirklich auch diesen Preis „wert“? Kunsthistorisch abgesicherte Positionen dürften als Investmentobjekt durchaus an Relevanz gewinnen, würde ich als Nicht-Spekulant spekulieren. Hype-Bubbles und Rekordpreisblabla um allzu hippe Gegenwartskunst sind mir persönlich wurscht, wir haben aber bewußt Interventionen zum Sekundärmarkt in die Messe eingeladen, um auch Preissteigerungstricks oder auch das Folgerechts-Problem zu verdeutlichen. Statt Spin-Doctoring über die „Finanzkrise“ interessiert sich Metamart lieber für reale ökonomische (Über-)Lebensbedingungen von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern.

Wie wollen Sie den Wandel der Kunst zum Spekulations- und Investitionsobjekt verändern? Können Sie uns ein paar ihrer alternative Marktformate verraten?

Wir können den Kapitalismus leider nicht abschaffen. Wichtiger ist die Diskussion ständig neu zum Köcheln zu bringen, die Parameter zeitgenössischer Kunst und ihrer Ökonomie sichtbar zu machen, um sich nicht im Status Quo der letzten Jahrhunderte zu suhlen. Deswegen wird es bei »Metamart – Die Marktmodelle« heuer in Wien bewusst wieder experimenteller, auch um Konzepten mehr Aufmerksamkeit zu bieten. Außerdem haben wir wohl bemerkt, dass es neue Öffentlichkeiten und Vewertungsmöglichkeiten für künstlerische Praxis gibt und wollen diese Optionen ambivalent auch durch den begleitenden Ausstellungsparcours (Eröffnung: 24.11.) diskutierbar machen.

Unsere Marktmodelle sieht man im Web auch vorab, erlebt Sie live bei freiem Eintritt im Künstlerhaus und diskutiert am besten gleich vor Ort mit. Für mich persönlich hier sind natürlich jene Ansätze interessant die dank Werkeserien oder höherer Stückzahl hohe Verbreitung einer Ideen bei geringerem Preis an neue Publikumsschichten ermöglichen; oder jene Ansätze, die neue Kollaborationsformen auf Augenhöhe anbahnen und maximalen Freiraum für die Künstler ertrotzen, aber das ist als Mindestbedingung ja eh klar, oder?

METAmART – Die Marktmodelle

Eröffnung Mittwoch, 16.11. – 14.00 Uhr

Dauer: Mi, 16.11. – So, 20.11. jeweils 14.00 bis 20.00 Uhr

eSeL (Lorenz Seidler) lebt und arbeitet als „ästhetische Lebensform“ in Wien und im Internet.

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